Amtsgericht Erding Endurteil, 08. Juni 2018 - 14 C 3351/17

08.06.2018

Gericht

Amtsgericht Erding

Tenor

Die Beklagte wird veurteilt, an die Kläger jeweils 600,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.800,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger begehren Ausgleichsleistung wegen Flugverspätung nach der VO (EG) Nr. 261/2004.

Die Kläger buchten bei der Beklagten den Flug EY 004 von München nach Abu Dhabi, planmäßiger Abflug am 05.10.2016 um 22:35 Uhr und planmäßige Ankunft am 06.10.2016 um 06:50 Uhr, sowie den Anschlussflug EY 408 von Abu Dhabi nach Bangkok, planmäßiger Abflug am 06.10.2016 um 08:40 Uhr und planmäßige Ankunft am 06.10.2016 um 18:25 Uhr.

Der Flug EY 004 war am 05.10.2016 überbucht. Die freiwillig zurückbleibenden Kläger wurden umgebucht auf den Flug EY 006 von München nach Abu Dhabi, planmäßiger Abflug am 06.10.2016 um 12:10 Uhr und planmäßiger Ankunft am 06.10.2016 um 20:25 Uhr, und den Anschlussflug EY 402 von Abu Dhabi nach Bangkok, planmäßiger Abflug am 06.10.2016 um 21.25 Uhr und planmäßige Ankunft am 07.10.2016 um 7:10 Uhr. Aufgrund dieser Unannehmlichkeiten zahlte die Beklagte an die Kläger am 06.10.2016 einen Betrag in Höhe von insgesamt 1.200,00 Euro( 400 Euro pro Person).

Der Flug EY 006 verspätete sich am 06.10.2016, das Flugzeug startete erst um 13:08 Uhr. Die Landung in Abu Dhabi erfolgte mit einer Ankunftsverspätung von 33 Minuten um 20:58 Uhr. Das Aussteigen begann um 21:10 Uhr. Aufgrund der Verspätung konnten die Kläger den Anschlussflug EY 402 nicht erreichen.

Die Kläger wurden in der Folge umgebucht auf den Flug EY 408 von Abu Dhabi nach Bangkok und erreichten ihr Ziel am 07.10.2016 um 18:25 Uhr. Die nach der Großkreismethode berechnete Luftlinien-Entfernung München - Abu Dhabi - Bangkok beträgt mehr als 3500 km.

Die Kläger beantragen zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger jeweils 600,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Ansicht , dass die Kläger über den bereits geleisteten Betrag in Höhe von 1.200,00 Euro hinaus keinen Anspruch auf Ausgleichsleistung nach der VO{EG) Nr. 261/2004 habe. Wenn nach der Annullierung eines Fluges auch der Flug für die alternative Beförderung annulliert werde oder große Verspätung habe, so bestehe nach Ansicht der Beklagten ein Anspruch nur einmal und nicht für jede Annullierung oder Verspätung.

Für die Einzelheiten wird zu Ergänzung des Tatbestands auf die gewechselten Schriftsätze, jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Den Klägern steht ein Ausgleichsanspruch in Höhe von jeweils 600 Euro aus Art. 7 Abs. 1 S. 1 lit. c) der VO(EG) Nr. 261/2004 zu, da sie ihr Endziel (Bangkok) infolge der Verspätung des Fluges EY 006 mehr als drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit erreichten.

Das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs scheitert nicht daran, dass es sich bei dem verspäteten Flug um eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 261/2004 handelte, nachdem der ursprünglich gebuchte Flug EY 004 am 05.10.2016 überbucht und die Kläger freiwillig zurückgeblieben und auf den Flug EY 006 umgebucht worden waren.

Nach Ansicht des Gerichts besteht ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der VO (EG) Nr. 261/2004 auch im Falle der Annullierung oder großen Verspätung einer Ersatzbeförderung. Die Kläger befanden sich hier in genau der gleichen Lage wie jeder andere Fluggast auch. Sie erhielten eine bestätigte Buchung für den Flug EY 006, für den eine Abflugs- und Ankunftszeit geplant ist. Sie konnten erwarten, mit diesem Flug planmäßig und störungsfrei befördert zu werden. Die Kläger hatten dieselben Unannehmlichkeiten wie die diejenigen Fluggäste, die auf diesem Flug nicht im Rahmen einer Ersatzbeförderung befördert wurden. Sie mussten aufgrund der Verspätung des Fluges EY 006 und dem dadurch verursachten Verpassen des Anschlussfluges EY 402 weitere 11 Stunden und 15 Minuten auf dem Flughafen Abu Dhabi zubringen. Das Gericht sieht daher keinen Grund, den Klägern einen Ausgleich für diese Unannehmlichkeiten zu verweigern. Ein Flug im Sinne der VOP (EG) Nr. 261/2004 ist ein Luftbeförderungsvorgang von einem Abgangs- zu einem Zielort auf einer bestimmten Flugroute, der nicht voraussetzt, dass die Beförderung auf einem selbstständigen Beförderungsvertrag beruht. Da der Rechtsgrund für die Beförderung nicht relevant ist, kommt es für die Frage, ob ein Fluggast an einem Flug im Sinne der Verordnung teilnimmt, nicht darauf an. ob der Flug, der von einer Störung betroffen ist, ursprünglich einmal vom Fluggast selbst oder von einem Reiseveranstalter für ihn gebucht worden ist oder ob es sich um eine Ersatzbeförderung handelt, die ein Luftfahrtunternehmen für ihn  organisiert bzw. gebucht hat.

Es ist auch nicht ersichtlich,  warum einem Fluggast bei nur einem Beförderungsvertrag, im Rahmen dessen Erfüllung dem Fluggast eine Beförderung auf mehreren sodann annullierten bzw. verspäteten oder verpassten Flügen bestätigt wurde, nicht auch mehrfach ein Anspruch auf Ausgleichsleistung zustehen sollten, nicht zuletzt weil das Vorliegen eines Beförderungsvertrags im Verhältnis zum ausführenden Luftfahrtunternehmen bereits keine Anspruchsvoraussetzung ist.

Einem Ausgleichsanspruch steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte an die Kläger bereits am 06.10.2016 wegen des freiwilligen Zurückbleibens am 05.10.2016 und der damit einhergehenden Unannehmlichkeiten einen Geldbetrag von insgesamt 1.200,00 Euro gezahlt hat.

Durch die Verspätung des Fluges EY 006 sind den Klägern zusätzliche Unannehmlichkeiten entstanden, die mit der erfolgten Geldzahlhung vom 06.10.2016 nicht im Zusammenhang stehen. Vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der VO (EG) Nr. 261/2004 erscheint es nicht unbillig, einem Fluggast mehrfach einen Ausgleich für Unannehmlichkeiten zuzugestehen, wenn er mehrfach von solchen betroffen ist.

Schließlich greift auch Art. 3 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 261/2004 nicht ein. Der vorliegende Alternativflug kann nicht als kostenloser Flug angesehen werden, da auch dieser durch die Bezahlung des ursprünglichen Fluges vergütet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Ausspruch betreffend dir Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO:

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.