Amtsgericht Bielefeld Urteil, 11. Mai 2015 - 419 C 89/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung iHv 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert beträgt 2.600,00 Euro
1
Tatbestand:
2Der Kläger verlangt vom Beklagten Herausgabe eines Kaufgegenstandes.
3Der Beklagte bot am 16.10.2014 über die Internetplattform eBay ein E-Bike zum Kauf unter der Funktion Sofortkaufpreis mit einem Preis von 100,00 Euro plus Versandkosten, welche sich auf 39,90 Euro beliefen, an. Bei der Beschreibung des Artikels befand sich der Hinweis: „Neu einmalig 2.600,00 Euro Beschreibung lesen!!“, vgl. Bl. 7 d. A. Im unteren Teil der Beschreibung fand sich der Hinweis wie Bl. 9 d. A.: „Das Fahrrad ist noch original verpackt, kann aber auf Wunsch zusammengebaut werden. Bitte Achtung, da ich bei der Auktion nicht mehr als 100,00 Euro eingeben kann (wegen der hohen Gebühren), erklärten Sie sich bei einem Gebot von Verkaufspreis von 2.600,00 Euro plus Versand einverstanden. Oder machen sie mir einfach ein Angebot! Danke.“
4Der Kläger akzeptierte als vermeintliches Schnäppchen den Sofortkaufpreis von 100,00 Euro. Er hatte bei Abgabe dieser Willenserklärung die Vorstellung, das E-Bike für den dick und fett angegebenen Sofortkaufpreis von 100,00 Euro zu erwerben. Zu diesem wollte der Kläger das Fahrrad auch erwerben.
5Nachdem der Kläger auf den Sofortkaufen-Button geklickt hatte, übersandte er im Folgenden dem Beklagten als Kaufpreis 100,00 Euro und die Versandkosten von 39,90 Euro und bat um Versand an seiner Adresse. Der Beklagte verweigerte jedoch den Versand und stellte sich auf den Standpunkt, der vereinbarte Kaufpreis betrage 2.600,00 Euro. Er verwies dazu auf das Kleingedruckte.
6Der Kläger ist der Ansicht, dass ein wirksamer Kaufvertrag für 100,00 Euro zwischen den Parteien zustande gekommen sei. Der Kläger habe sich auf das verlassen können, was als Sofortkaufpreis angegeben worden sei. Der Beklagte könne sich nicht auf einen Irrtum berufen, das ergebe sich ganz klar aus seiner Erläuterung im Kleingedruckten. Der Beklagte habe damit gegen die Ebay-Nutzungsbedingungen verstoßen. Zudem ergebe sich aus den Ebay-Nutzungsbedingungen auch für die Option Sofortkaufen folgendes: Käufer können ihren Artikel umgehend zu dem von ihnen festgesetzten Preis erwerben. Für Festpreisangebote können keine Gebote abgegeben werden. Der Sofortkaufpreis ist stets verfügbar.
7Der Kläger behauptet, der Beklagte habe damit rechnen müssen, dass ein etwaiger Käufer auf den Sofortkauf-Button klicke ohne erst in der Beschreibung bis zum Kleingedruckten zu scrollen.
8Letztlich sei das Angebot des Beklagten so aufzufassen, dass er einen Preis von 100,00 Euro anbiete. Dieses Angebot müsse der Beklagte nun auch gegen sich gelten lassen. Ansonsten habe er den Kläger getäuscht.
9Der Kläger beantragt,
10den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger das im eBay-Angebot 281455892818 beschriebene PEDELEC Stevens E-Caprile 25 GENT BOSCH E-Bike herauszugeben sowie als Nebenforderung an den Kläger 334,75 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2014 zu zahlen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Der Beklagte beruft sich darauf, dass der vereinbarte Kaufpreis noch nicht gezahlt ist.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage ist unbegründet.
16Der Kläger hat keinen einredefreien Anspruch gegen den Beklagten auf Lieferung des E-Bikes als Kaufgegenstand gem. § 433 BGB.
17Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Eine etwaige Unwirksamkeit ergibt sich nicht daraus, dass der Beklagte im Rahmen des Angebotes vom 10.10.2014 gegen die Ebay-Grundsätze verstieß indem er im sogenannten Kleingedruckten ausführte, dass er keinen Preis von mehr als 100,00 Euro eingeben wolle, wegen der hohen Gebühren. Zwar hat der Beklagte im Kleingedruckten deutlich ausgeführt, dass er einen Abschluss des Kaufvertrages und die Abwicklung außerhalb von eBay wünsche, bei einem Gebot erkläre sich der Bieter mit einem Verkaufspreis von 2.600,00 Euro plus Versand einverstanden.
18Die eBay-Grundsätze stellen jedoch keine gesetzlichen Vorschriften dar, so dass keine Nichtigkeit gem. § 134 BGB in Frage kommt.
19Unabhängig von dem ebay-Regelverstoß hat der Beklagte in seinem Angebot deutlich gemacht, dass er nicht für 100,00 Euro sondern nur für 2.600,00 Euro verkaufen wollte.
20Der Kläger hat auch nicht behauptet, dass er das Angebot des Beklagten nicht vollständig gelesen hätte. Von daher war dem Kläger bekannt, dass der formale Kaufpreis von 100,00 Euro unter der Option Sofortkaufen vom Beklagten nicht ernstlich gemeint war. Der Beklagte muss sich an einer solchen Auslegung seiner Willenserklärung, seines Angebotes deshalb auch nicht festhalten lassen. Denn im Zusammenhang gelesen ergab sich, daß der Beklagte nur ein Angebot über 2.600,- € eingestellt hatte. Eine isolierte Betrachtung des Sofortkaufpreises von 100,- € war von dem Beklagten gem. § 116 BGB nicht gewollt und dies hat der Kläger auch gewußt.
21Die rechtliche Würdigung des Klägers, er habe die Vorstellung gehabt, das Rad für 100,- € zu kaufen, ist vor diesem Hintergrund i.E. rechtlich falsch, als Rechtsirrtum aber auch unerheblich. Die Auslegung der Willenserklärung geschieht anhand von Tatsachen und dem Inhalt, den diese nach dem objektiven Empfängerhorizont hat.
22Der Kläger hat das Angebot des Beklagten angenommen, mag er auch gewollt oder gewünscht haben, für nur 100,- € zu kaufen. Auch seine Willenserklärung ist wiederum nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen und bezog sich deshalb auf 2.600,- €. Ein rechtserheblicher Irrtum lag dem auf seiten des Klägers nicht zugrunde.
23Aufgrund des bestehenden Kaufvertrages käme grundsätzlich eine Zug-um-Zug-Leistung und damit als Minus zum Klageantrag eine Zug-um-Zug-Verurteilung des Klägers in Betracht. Der Kläger hat jedoch erklärt, dass er eine solche Verurteilung nicht wünscht, also aus seiner Sicht schon überhaupt keine Bereitschaft besteht, die ihm laut Kaufvertrag obliegende Leistung auch nur anzubieten. Damit würde prozeßual eine solche Verurteilung nur auf die Inzidenter-Feststellung hinauslaufen, daß der Kaufvertrag zu diesen Bedingungen besteht, was vom Antrag des Klägers nicht erfaßt ist und gegen § 308 ZPO verstoßen würde. Der Beklagte hat keine Widerklage erhoben.
24Weder die Ausführungen des Klägers im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20.04.2015 noch die des Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 27.4.15 geben Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung, §§ 296 a, 156 ZPO.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
26Rechtsbehelfsbelehrung:
27Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
28a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
29b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
30Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bielefeld, Niederwall 71, 33602 Bielefeld, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
31Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bielefeld zu begründen.
32Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bielefeld durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
33Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
34Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Bielefeld statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Bielefeld, Gerichtstraße 6, 33602 Bielefeld, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
35Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
36Bielefeld, 28.04.2015 |
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(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
Eine Willenserklärung ist nicht deshalb nichtig, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Die Erklärung ist nichtig, wenn sie einem anderen gegenüber abzugeben ist und dieser den Vorbehalt kennt.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.