Amtsgericht Ahaus Beschluss, 09. Dez. 2013 - 12 F 235/13
Tenor
Der Antrag der Antragsteller auf Annahme der Kinder K T und H T durch den Antragsteller zu 1) dergestalt, dass die Kinder die Stellung gemeinschaftlicher Kinder der Antragsteller erlangen, wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Verfahrenswert wird auf 3000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin zu 2) ist die leibliche Mutter der Anzunehmenden. Der leibliche Vater der Anzunehmenden ist am 14.06.2006 verstorben.
4Der Antragsteller zu 1) lebt seit 2007 mit der Kindesmutter in einer nichtehelichen
5Lebensgemeinschaft zusammen. Die Beteiligten wohnen dabei nach ihrem Vorbringen sowohl in dem Haus X Straße XX in Stadtlohn, in dem auch die Mutter des verstorbenen Ehemannes der Antragstellerin zu 2) lebt, als auch in dem Haus des Antragstellers zu 1), C Straße XX in Stadtlohn.
6Die unverheirateten Antragsteller begehren die Adoption der minderjährigen Kinder K und H T durch den Antragsteller zu 1) dergestalt, dass diese die Stellung gemeinsamer Kinder der Antragsteller erlangen.
7Sie sind der Ansicht, die gesetzliche Regelung, nach der, wer nicht verheiratet ist, ein
8Kind nur allein annehmen kann und in diesem Fall die verwandtschaftlichen Beziehungen zur Kindesmutter erlöschen, sei verfassungswidrig und laufe dem Kindeswohl zuwider.
9Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 04.11.2013 nebst Anlagen, insbesondere die notarielle Urkunde vom 31.10.2013, und auf das Protokoll zum Anhörungstermin vom 06.12.2013 und den Vermerk über eine Kindesanhörung vom gleichen Tag Bezug genommen.
10II.
11Der Antrag ist zurückzuweisen, weil keine gesetzliche Anspruchsgrundlage ersichtlich ist.
12Gemäß § 1742 Absatz 2 BGB kann eine unverheiratete Person ein Kind nur allein annehmen. Gemäß § 1755 Abs. 1 BGB erlöschen mit der Adoption die
13Verwandtschaftsverhältnisse zu den übrigen Verwandten. Eine Adoption dergestalt, dass die Anzunehmenden die Stellung gemeinschaftlicher Kinder der Antragsteller erlangen, ist nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht möglich.
14Diese gesetzliche Regelung ist auch nicht verfassungswidrig. Das Gericht sieht
15daher keine Veranlassung, die Sache im Rahmen des Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
16Die Gesetzliche Regelung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft stellt -im Gegensatz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft- kein aliud zur Ehe dar. Die von den Antragstellern zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.08.2009, die § 9 VII 2 LPartG betrifft, ist daher hier nicht einschlägig. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ist durch lockerere Bindungen und wesentlich geringere wirtschaftliche Verflechtungen gekennzeichnet.
17Die Ehe steht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Es steht daher im Ermessen des Gesetzgebers, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Die gesetzliche Regelung dient auch dem Kindeswohl. Bei einer Adoption verliert das Kind in der Regel zumindest die verwandtschaftliche Beziehung zu einem Elternteil oder hat diese zuvor durch den Tod dieses Elternteils verloren. Es soll daher sichergestellt sein, dass das Kind durch die Adoption in stabile Verhältnisse mit dauherhaften Bezugspersonen gelangt. Dies ist in einer Ehe aufgrund der stärkeren rechtlichen und wirtschaftlichen Bindungen der Ehepartner aneinander am ehesten gewährleistet.
18Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 6 Abs. 2 S.1 GG, das Recht der Anzunehmenden auf staatliche Gewährleistung von Pflege und Erziehung, ist nicht verletzt. Die Kinder haben einen Elterneil im Rechtssinne, ihre Mutter. Der gesetzgeberische Spielraum ist daher nicht überschritten (BVerfG Urteil v. 19.02.2013, 1 BvL 1 /11, 1 BvR 3247/09).
19Auch das Elternrecht des Antragstellers zu 1), Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, ist nicht verletzt. Ein allein sozial-familiäres Elternverhältnis begründet keine rechtliche Elternschaft (BVerfG Urteil v. 19.02.2013, 1 BvL 1 /11, 1 BvR 3247/09).
20Auch das durch Art. 6 Abs. 1 GG garantierte Familiengrundrecht ist durch die gesetzliche Regelung nicht verletzt. Zwar kann auch eine sozial-familäre Gemeinschaft eine durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie bilden. Der
21Gesetzgeber hat aber einen Spielraum bei der Ausgestaltung der Familie. Dieser Spielraum ist nicht überschritten. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, in jedem Fall einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung das volle Elternrecht zu gewähren (BVerfG Urteil v. 19.02.2013, 1 BvL 1 /11, 1 BvR 3247/09).
22Das von den Antragstellern angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte betrifft eine andere Fallkonstellation, in welcher die Adoption bereits durchgeführt worden war und das Verwandtschaftsverhältnis zur Mutter des Kindes erloschen war. Mit dem vorliegenden Fall, in dem die Adoption gar nicht erst durchgeführt werden soll, ist das nicht vergleichbar.
23Hinzu kommt, dass die Antragsteller den gewünschten Erfolg durch eine
24Eheschließung leicht erreichen könnten. Das Argument der Antragsteller, dadurch entfalle der Anspruch der Kindesmutter auf Witwenrente und diese werde für den Lebensunterhalt gebraucht, ist unbeachtlich. Gerade diese Argumentation spricht gegen einen wirklichen Bindungswillen der Antragsteller. Eine Ehe ist dadurch gekennzeichnet, dass die Beteiligten auch wirtschaftlich füreinander einstehen. Zudem wird der Nachteil zum Teil durch finanzielle Vorteile, die durch die
25Eheschließung erlangt werden (günstigere Steuerklasse, Ehegattensplitting) wieder aufgewogen. Auch die Tatsache, dass die Antragsteller zwei Wohnsitze aufrechterhalten, spricht gegen den Willen zu einer dauerhaften familiären und wirtschaftlichen Bindung.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
27Rechtsbehelfsbelehrung:
28Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Ahaus, Sümmermannplatz 1 - 3, 48683 Ahaus schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Soweit sich die Beschwerde nur gegen die Kostenentscheidung richtet, ist diese nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat.
29Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Ahaus eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
30Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
31Unterschrift
ra.de-Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Ahaus Beschluss, 09. Dez. 2013 - 12 F 235/13
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Amtsgericht Ahaus Beschluss, 09. Dez. 2013 - 12 F 235/13
Referenzen - Gesetze
Ein angenommenes Kind kann, solange das Annahmeverhältnis besteht, bei Lebzeiten eines Annehmenden nur von dessen Ehegatten angenommen werden.
(1) Mit der Annahme erlöschen das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten. Ansprüche des Kindes, die bis zur Annahme entstanden sind, insbesondere auf Renten, Waisengeld und andere entsprechende wiederkehrende Leistungen, werden durch die Annahme nicht berührt; dies gilt nicht für Unterhaltsansprüche.
(2) Nimmt ein Ehegatte das Kind seines Ehegatten an, so tritt das Erlöschen nur im Verhältnis zu dem anderen Elternteil und dessen Verwandten ein.
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.