Zwangsvollstreckungsrecht: Zur Verwirkung von Zahlungsansprüchen

bei uns veröffentlicht am07.01.2014

Rechtsgebiete

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch
Zusammenfassung des Autors
Diese sind nicht allein dadurch verwirkt, dass der Gläubiger über einen Zeitraum von 13 Jahren keinen Vollstreckungsversuch unternimmt.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 09.10.2013 (Az.: XII ZR 59/12) folgendes entschieden:

Der Gläubiger verwirkt einen rechtskräftig ausgeurteilten Zahlungsanspruch nicht allein dadurch, dass er über einen Zeitraum von 13 Jahren keinen Vollstreckungsversuch unternimmt.

Zur Herausgabe eines Vollstreckungstitels bei mehreren Titelschuldnern.

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 20. April 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.


Tatbestand:

Die Beklagte (im Folgenden: Gläubigerin) erwirkte als gewerbliche Vermieterin in den Jahren 1993 und 1994 insgesamt fünf Vollstreckungstitel (Urteile und Kostenfestsetzungsbeschlüsse) gegen den Kläger (im Folgenden: Schuldner) und seinen Mitmieter. Die Forderungen sind teilweise befriedigt; weitere Zahlungen sind streitig. Der Schuldner hat die vollständige Tilgung aller Schuldtitel behauptet, er verfüge jedoch über keine Unterlagen und Belege aus dem fraglichen Zeitraum mehr, da diese bereits vernichtet seien und auch von der Bank nicht mehr reproduziert werden könnten.

Der letzte Vollstreckungsversuch hatte in Form einer Wohnungsdurchsuchung im April 1995 stattgefunden. Danach ruhte die Angelegenheit, bis die Gläubigerin im Jahr 2008 ein Inkassounternehmen mit der Einziehung der Forderung beauftragte.

Mit seiner Klage hat der Schuldner die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung und die Herausgabe der Titel verlangt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, weil die titulierten Ansprüche verwirkt seien. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Gläubigerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren vom Senat zugelassene Revision.


Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die titulierten Ansprüche seien verwirkt. Die Gläubigerin habe die Forderung über einen langen Zeitraum von 13 Jahren nicht geltend gemacht. Das außerdem erforderliche Umstandsmoment sei darin verwirklicht, dass der Schuldner sich darauf eingerichtet habe und nach den gesamten Umständen auch darauf habe einrichten dürfen, dass die Gläubigerin ihre Rechte aus den Titeln nicht mehr geltend machen werde. Der Schuldner sei nach dem Ablauf von etwa 13 Jahren von 1995 bis zu dem Zeitpunkt, als sich das Inkassobüro im Jahr 2008 bei ihm gemeldet habe, nicht mehr in der Lage, die von ihm behauptete Erfüllung der streitgegenständlichen Forderung zu beweisen. Sämtliche schriftlichen Beweismittel stünden nicht mehr zur Verfügung, nachdem die zehnjährigen Aufbewahrungsfristen abgelaufen seien. Die fehlende Sicherung von Belegen zum Nachweis der Erfüllung stelle eine berechtigte Vertrauensdisposition des Schuldners dar, wenn der letzte Vollstreckungsversuch mehr als zehn Jahre zurückliege. Jedenfalls habe die Gläubigerin den Schuldner innerhalb der zehn Jahre darauf hinweisen müssen, dass ihrer Auffassung nach die titulierten Ansprüche noch nicht vollständig erfüllt seien und er daher weiter mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen müsse.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Rechtsgedanke der Verwirkung, der auch im Miet- und Pachtrecht gilt, ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens. Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Die Annahme einer Verwirkung setzt somit neben dem Zeitablauf das Vorliegen besonderer, ein solches Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles.

Ob der Ablauf von 13 Jahren, während derer die Titel nicht vollstreckt wurden, eine ausreichend lange Zeitspanne darstellt, bei der eine Anspruchsverwirkung grundsätzlich in Betracht kommt, kann im Ergebnis ebenso dahinstehen wie die Frage, ob der Schuldner eine Vertrauensdisposition getroffen hat, indem er die Belege, die nach seinem Vorbringen bereits im Jahr 1997 durch seinen Steuerberater vernichtet worden waren, nicht von der Bank reproduzieren ließ, bevor sie dort gelöscht wurden.

Denn jedenfalls kann dem Oberlandesgericht nicht in der Annahme gefolgt werden, der Schuldner habe sich nach den gesamten Umständen darauf einrichten dürfen, dass die Gläubigerin ihre Rechte aus den Titeln nicht mehr geltend machen werde.

Bei dem Rechtsgedanken der Verwirkung kommt es in erster Linie auf das Verhalten des Berechtigten an. Mit der Verwirkung soll die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen werden. Dabei ist das Verhalten des Berechtigten nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Maßgebend ist insoweit, ob bei objektiver Beurteilung der Verpflichtete dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, ob er sich also darauf einrichten durfte, dass er mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen brauche.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen daher zu dem reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen.

Hinzu kommt, dass es sich hier um titulierte Ansprüche handelt. Lässt ein Gläubiger seinen Anspruch durch Gerichtsurteil titulieren, gibt er bereits dadurch zu erkennen, dass er die Forderung durchsetzen will und sich dazu eines Weges bedient, der ihm dies grundsätzlich für die Dauer von 30 Jahren ermöglicht. Bei dieser Ausgangslage liegt die Annahme, ein anschließendes Ruhen der Angelegenheit könne bedeuten, der Gläubiger wolle den Anspruch endgültig nicht mehr durchsetzen, umso ferner.

Abgesehen davon ist der Schuldner nach etwaiger Erfüllung der Schuld keineswegs schutzlos. Er kann nicht nur eine Quittung beanspruchen (§ 368 BGB), sondern auch den Titel selbst vom Gläubiger heraus verlangen (§ 371 BGB analog).

Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen liegt ein vertrauensbegründendes Verhalten der Gläubigerin nicht vor. Nach den Annahmen des Oberlandesgerichts war die Angelegenheit bei der Gläubigerin außer Kontrolle geraten und deshalb 13 Jahre lang unbeachtet geblieben. Das ist kein Umstand, aus dem ein Schuldner das Vertrauen gründen darf, ein titulierter Rechtsanspruch solle nicht mehr durchgesetzt werden.

Im Übrigen ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass der Schuldner seine Belege mit der Erwägung vernichtete bzw. die vom Steuerberater vorzeitig vernichteten Belege nicht reproduzieren ließ, dass diese wegen Ablauf der steuerlichen Aufbewahrungsfristen nicht mehr benötigt würden. Mithin beruht seine Vertrauensdisposition nicht auf Umständen aus der Sphäre der Gläubigerin.

Damit fehlt es insgesamt an einem für die Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment.

Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil das Oberlandesgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu der behaupteten Erfüllung der Schuld getroffen hat.

Die Sache ist auch nicht teilweise insoweit entscheidungsreif, als die Herausgabe der Titel verlangt wird. Entgegen der Revision wird diese nicht bereits deshalb zu Unrecht verlangt, weil die Titel beim Gläubiger noch zur Vollstreckung gegen einen zweiten Schuldner - den Mitmieter - benötigt würden.

Eine auf § 371 BGB analog gestützte Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines unter § 794 ZPO fallenden Titels ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig, wenn über eine Vollstreckungsabwehrklage rechtskräftig zu Gunsten des Herausgabeklägers entschieden worden ist und die Erfüllung der dem Titel zu Grunde liegenden Forderung zwischen den Parteien unstreitig ist oder vom Titelschuldner zur Überzeugung des Gerichts bewiesen wird. Das gilt entgegen der Revision auch dann, wenn der Titel noch zur Vollstreckung gegen einen weiteren Schuldner berechtigen könnte. Denn soweit mehrere Schuldner als Gesamtschuldner verurteilt sind und einer der Gesamtschuldner die Schuld beglichen hat, bleibt für den Gläubiger nichts mehr zu vollstrecken. Soweit sie hingegen nach Kopfteilen verurteilt sind, sind so viele Ausfertigungen zu erteilen, wie Schuldner vorhanden sind; jede Ausfertigung ist insoweit nur mit der Klausel gegen je einen der Schuldner zu versehen. Der Schuldner könnte daher diejenige Ausfertigung heraus verlangen, die mit der gegen ihn gerichteten Vollstreckungsklausel versehen ist. Zur Vollstreckung gegen den anderen Schuldner müsste sich der Gläubiger eine andere Ausfertigung mit Vollstreckungsklausel nur gegen diesen erteilen lassen.

Schließlich erweist sich die Entscheidung auch nicht bereits insoweit als richtig, wie die Beklagte zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 23. Juni 1994 - 326 O 391/93 - verurteilt worden ist. Zwar ist die diesem Titel zugrunde liegende Schuld unstreitig erfüllt. Es bedarf jedoch noch weiterer Aufklärung, ob sich die in den Händen der Gläubigerin befindliche vollstreckbare Ausfertigung des Titels gegen den Kläger richtet und er deshalb zur Geltendmachung des Titelherausgabeanspruchs aktivlegitimiert ist.

Gesetze

Gesetze

3 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Zivilprozessordnung - ZPO | § 794 Weitere Vollstreckungstitel


(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:1.aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 371 Rückgabe des Schuldscheins


Ist über die Forderung ein Schuldschein ausgestellt worden, so kann der Schuldner neben der Quittung Rückgabe des Schuldscheins verlangen. Behauptet der Gläubiger, zur Rückgabe außerstande zu sein, so kann der Schuldner das öffentlich beglaubigte Ane

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 368 Quittung


Der Gläubiger hat gegen Empfang der Leistung auf Verlangen ein schriftliches Empfangsbekenntnis (Quittung) zu erteilen. Hat der Schuldner ein rechtliches Interesse, dass die Quittung in anderer Form erteilt wird, so kann er die Erteilung in dieser Fo

Urteile

1 Urteile zitieren order werden zitiert von diesem Artikel

1 Urteile werden in dem Artikel zitiert

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Okt. 2013 - XII ZR 59/12

bei uns veröffentlicht am 09.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 59/12 Verkündet am: 9. Oktober 2013 Breskic Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 242 Cc, 371

Artikel zu passenden Rechtsgebieten

Artikel zu Zwangsvollstreckung

Zwangsvollstreckungsrecht: Zur Wirksamkeit von Vorausverfügungen durch den Vollstreckungsschuldner

17.07.2014

Die Wirksamkeit von Vorausverfügungen richtet sich allein nach den Vorschriften der §§ 1124, 1125 BGB, wenn - wie hier - ein Grundpfandgläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt.
Zwangsvollstreckung

Zwangsversteigerungsrecht: Zur Auslegung von Zuschlagsbeschlüssen

26.12.2013

Zuschlagsbeschlüsse nach § 90 ZVG sind - ebenso wie Grundbucheintragungen - zumindest grundsätzlich objektiv "aus sich heraus" auszulegen.
Zwangsvollstreckung

Zwangsvollstreckungsrecht: Zum Sonderkündigungsrecht einer Wohnungseigentumseinheit

05.02.2014

Ein Sonderkündigungsrecht kann dem Ersteher auch bei einem Wohnungseigentum als Teil eines aus mehreren Wohnungseinheiten bestehenden und vermieteten Objekts zustehen.
Zwangsvollstreckung

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 59/12
Verkündet am:
9. Oktober 2013
Breskic
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 242 Cc, 371

a) Der Gläubiger verwirkt einen rechtskräftig ausgeurteilten Zahlungsanspruch
nicht allein dadurch, dass er über einen Zeitraum von 13 Jahren keinen Vollstreckungsversuch
unternimmt.

b) Zur Herausgabe eines Vollstreckungstitels bei mehreren Titelschuldnern.
BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013 - XII ZR 59/12 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2013 durch die
Richter Dr. Klinkhammer, Weber-Monecke, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und
Guhling

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom20. April 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte (im Folgenden: Gläubigerin) erwirkte als gewerbliche Vermieterin in den Jahren 1993 und 1994 insgesamt fünf Vollstreckungstitel (Urteile und Kostenfestsetzungsbeschlüsse) gegen den Kläger (im Folgenden: Schuldner) und seinen Mitmieter. Die Forderungen sind teilweise befriedigt; weitere Zahlungen sind streitig. Der Schuldner hat die vollständige Tilgung aller Schuldtitel behauptet, er verfüge jedoch über keine Unterlagen und Belege aus dem fraglichen Zeitraum mehr, da diese bereits vernichtet seien und auch von der Bank nicht mehr reproduziert werden könnten.
2
Der letzte Vollstreckungsversuch hatte in Form einer Wohnungsdurchsuchung im April 1995 stattgefunden. Danach ruhte die Angelegenheit, bis die Gläubigerin im Jahr 2008 ein Inkassounternehmen mit der Einziehung der Forderung beauftragte.
3
Mit seiner Klage hat der Schuldner die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung und die Herausgabe der Titel verlangt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, weil die titulierten Ansprüche verwirkt seien. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Gläubigerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren vom Senat zugelassene Revision.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

5
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die titulierten Ansprüche seien verwirkt. Die Gläubigerin habe die Forderung über einen langen Zeitraum von 13 Jahren nicht geltend gemacht. Das außerdem erforderliche Umstandsmoment sei darin verwirklicht, dass der Schuldner sich darauf eingerichtet habe und nach den gesamten Umständen auch darauf habe einrichten dürfen, dass die Gläubigerin ihre Rechte aus den Titeln nicht mehr geltend machen werde. Der Schuldner sei nach dem Ablauf von etwa 13 Jahren von 1995 bis zu dem Zeitpunkt, als sich das Inkassobüro im Jahr 2008 bei ihm gemeldet habe, nicht mehr in der Lage, die von ihm behauptete Erfüllung der streitgegenständlichen Forderung zu beweisen. Sämtliche schriftlichen Beweismittel stünden nicht mehr zur Verfügung, nachdem die zehnjährigen Aufbewahrungsfristen abgelaufen seien. Die fehlende Sicherung von Belegen zum Nachweis der Erfüllung stelle eine berechtigte Vertrauensdisposition des Schuldners dar, wenn der letzte Vollstreckungsversuch mehr als zehn Jahre zurückliege. Jedenfalls habe die Gläubigerin den Schuldner innerhalb der zehn Jahre darauf hinweisen müssen, dass ihrer Auffassung nach die titulierten Ansprüche noch nicht vollständig erfüllt seien und er daher weiter mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen müsse.

II.

6
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Rechtsgedanke der Verwirkung, der auch im Miet- und Pachtrecht gilt, ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens. Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Die Annahme einer Verwirkung setzt somit neben dem Zeitablauf das Vorliegen besonderer, ein solches Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus. Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (Senatsurteile vom 17. November 2010 - XII ZR 124/09 - NJW 2011, 445 und vom 27. Januar 2010 - XII ZR 22/07 - NZM 2010, 240 Rn. 32 mwN).
8
2. Ob der Ablauf von 13 Jahren, während derer die Titel nicht vollstreckt wurden, eine ausreichend lange Zeitspanne darstellt, bei der eine Anspruchsverwirkung grundsätzlich in Betracht kommt, kann im Ergebnis ebenso dahinstehen wie die Frage, ob der Schuldner eine Vertrauensdisposition getroffen hat, indem er die Belege, die nach seinem Vorbringen bereits im Jahr 1997 durch seinen Steuerberater vernichtet worden waren, nicht von der Bank reproduzieren ließ, bevor sie dort gelöscht wurden.
9
Denn jedenfalls kann dem Oberlandesgericht nicht in der Annahme gefolgt werden, der Schuldner habe sich nach den gesamten Umständen darauf einrichten dürfen, dass die Gläubigerin ihre Rechte aus den Titeln nicht mehr geltend machen werde.
10
a) Bei dem Rechtsgedanken der Verwirkung kommt es in erster Linie auf das Verhalten des Berechtigten an. Mit der Verwirkung soll die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen werden. Dabei ist das Verhalten des Berechtigten nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Maßgebend ist insoweit, ob bei objektiver Beurteilung der Verpflichtete dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, ob er sich also darauf einrichten durfte, dass er mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen brauche (BGHZ 25, 47, 52 = NJW 1957, 1358; RGZ 155, 152).
11
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen daher zu dem reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtferti- gen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGHZ 105, 290, 298 = NJW 1989, 836; BGH Urteile vom 18. Januar 2001 - VII ZR 416/99 - NJW 2001, 1649; vom 14. November 2002 - VII ZR 23/02 - NJW 2003, 824 und vom 30. Oktober 2009 - V ZR 42/09 - NJW 2010, 1074). Der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden (BGH Urteile BGHZ 43, 289, 292 = NJW 1965, 1532; vom 20. Dezember 1968 - V ZR 97/65 - WM 1969, 182; vom 29. Februar 1984 - VIII ZR 310/82 - NJW 1984, 1684 vom 27. März 2001 - VI ZR 12/00 - NZV 2001, 464, 466 und vom 14. November 2002 - VII ZR 23/02 - NJW 2003, 824 juris Rn. 9).
12
Hinzu kommt, dass es sich hier um titulierte Ansprüche handelt. Lässt ein Gläubiger seinen Anspruch durch Gerichtsurteil titulieren, gibt er bereits dadurch zu erkennen, dass er die Forderung durchsetzen will und sich dazu eines Weges bedient, der ihm dies grundsätzlich für die Dauer von 30 Jahren ermöglicht. Bei dieser Ausgangslage liegt die Annahme, ein anschließendes Ruhen der Angelegenheit könne bedeuten, der Gläubiger wolle den Anspruch endgültig nicht mehr durchsetzen, umso ferner.
13
Abgesehen davon ist der Schuldner nach etwaiger Erfüllung der Schuld keineswegs schutzlos. Er kann nicht nur eine Quittung beanspruchen (§ 368 BGB), sondern auch den Titel selbst vom Gläubiger heraus verlangen (§ 371 BGB analog).
14
b) Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen liegt ein vertrauensbegründendes Verhalten der Gläubigerin nicht vor. Nach den Annahmen des Oberlandesgerichts war die Angelegenheit bei der Gläubigerin außer Kontrolle geraten und deshalb 13 Jahre lang unbeachtet geblieben. Das ist kein Umstand, aus dem ein Schuldner das Vertrauen gründen darf, ein titulierter Rechtsanspruch solle nicht mehr durchgesetzt werden.
15
Im Übrigen ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass der Schuldner seine Belege mit der Erwägung vernichtete bzw. die vom Steuerberater vorzeitig vernichteten Belege nicht reproduzieren ließ, dass diese wegen Ablauf der steuerlichen Aufbewahrungsfristen nicht mehr benötigt würden. Mithin beruht seine Vertrauensdisposition nicht auf Umständen aus der Sphäre der Gläubigerin.
16
Damit fehlt es insgesamt an einem für die Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment.
17
3. a) Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil das Oberlandesgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu der behaupteten Erfüllung der Schuld getroffen hat.
18
b) Die Sache ist auch nicht teilweise insoweit entscheidungsreif, als die Herausgabe der Titel verlangt wird. Entgegen der Revision wird diese nicht bereits deshalb zu Unrecht verlangt, weil die Titel beim Gläubiger noch zur Vollstreckung gegen einen zweiten Schuldner - den Mitmieter - benötigt würden.
19
Eine auf § 371 BGB analog gestützte Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines unter § 794 ZPO fallenden Titels ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig, wenn über eine Vollstreckungsabwehrklage rechtskräftig zu Gunsten des Herausgabeklägers entschieden worden ist und die Erfüllung der dem Titel zu Grunde liegenden Forderung zwischen den Parteien unstreitig ist oder vom Titelschuldner zur Überzeugung des Gerichts bewiesen wird (BGH Urteil vom 5. März 2009 - IX ZR 141/07 - NJW 2009, 1671 Rn. 16 mwN). Das gilt entgegen der Revision auch dann, wenn der Titel noch zur Vollstreckung gegen einen weiteren Schuldner berechtigen könnte. Denn soweit mehrere Schuldner als Gesamtschuldner verurteilt sind und einer der Gesamtschuldner die Schuld beglichen hat, bleibt für den Gläubiger nichts mehr zu vollstrecken. Soweit sie hingegen nach Kopfteilen verurteilt sind, sind so viele Ausfertigungen zu erteilen, wie Schuldner vorhanden sind; jede Ausfertigung ist insoweit nur mit der Klausel gegen je einen der Schuldner zu versehen (Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 724 Rn. 12; Seiler in Thomas/Putzo ZPO 33. Aufl. § 724 Rn. 11; Saenger ZPO 4. Aufl. § 724 Rn. 10; Prütting/Gehrlein/Kroppenberg ZPO 4. Aufl. § 724 Rn. 8). Der Schuldner könnte daher diejenige Ausfertigung heraus verlangen, die mit der gegen ihn gerichteten Vollstreckungsklausel versehen ist. Zur Vollstreckung gegen den anderen Schuldner müsste sich der Gläubiger eine andere Ausfertigung mit Vollstreckungsklausel nur gegen diesen erteilen lassen.
20
c) Schließlich erweist sich die Entscheidung auch nicht bereits insoweit als richtig, wie die Beklagte zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 23. Juni 1994 - 326 O 391/93 - verurteilt worden ist. Zwar ist die diesem Titel zugrunde liegende Schuld unstreitig erfüllt. Es bedarf jedoch noch weiterer Aufklärung, ob sich die in den Händen der Gläubigerin befindliche vollstreckbare Ausfertigung des Titels gegen den Kläger richtet und er deshalb zur Geltendmachung des Titelherausgabeanspruchs aktivlegitimiert ist. Klinkhammer Weber-Monecke Schilling Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 10.11.2011 - 311 O 96/10 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 20.04.2012 - 4 U 159/11 -

Der Gläubiger hat gegen Empfang der Leistung auf Verlangen ein schriftliches Empfangsbekenntnis (Quittung) zu erteilen. Hat der Schuldner ein rechtliches Interesse, dass die Quittung in anderer Form erteilt wird, so kann er die Erteilung in dieser Form verlangen.

Ist über die Forderung ein Schuldschein ausgestellt worden, so kann der Schuldner neben der Quittung Rückgabe des Schuldscheins verlangen. Behauptet der Gläubiger, zur Rückgabe außerstande zu sein, so kann der Schuldner das öffentlich beglaubigte Anerkenntnis verlangen, dass die Schuld erloschen sei.

(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:

1.
aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind;
2.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen;
2a.
(weggefallen)
2b.
(weggefallen)
3.
aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet;
3a.
(weggefallen)
4.
aus Vollstreckungsbescheiden;
4a.
aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind;
4b.
aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c;
5.
aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat;
6.
aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006;
7.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind;
8.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind;
9.
aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.

(2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.