Verkehrsrecht: Wer geblendet ist, ist nicht gleichzeitig auch entschuldigt

bei uns veröffentlicht am02.08.2017

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für Familien- und Erbrecht

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Zusammenfassung des Autors
Wer von einem anderen Fahrzeug geblendet wird, muss seine Fahrweise entsprechend anpassen.
Das musste sich ein Autofahrer vor dem Amtsgericht Dortmund sagen lassen, der einen Verkehrsunfall verursacht hatte. Er hatte sich damit verteidigt, dass er durch das Abblendlicht eines am Fahrbahnrand parkenden Fahrzeugs geblendet worden sei.

Damit hatte er beim Amtsgericht keinen Erfolg. Der Richter wies ihn darauf hin, dass er durch die Blendung nicht entschuldigt sei. Das mit Abblendlicht am Fahrbahnrand parkende Fahrzeug sei bereits weit vorher erkennbar gewesen. Der Unfall hätte ohne Weiteres vermieden werden können. Die Blendung habe keine Auswirkungen auf einen Fahrlässigkeitsvorwurf. Ein Fahrzeugführer müsse seine Fahrweise an derartige Umstände anpassen und notfalls gar anhalten. Keinesfalls dürfe der Fahrzeugführer ohne jede Sicht ins Blaue hineinfahren in der Hoffnung, es werde „hinter dem Licht“ schon nichts passieren.

Das Amtsgericht Dortmund hat in seinem Urteil vom 28.02.2017 (729 OWi 250 Js 147/17-49/17) folgendes entschieden:

Die Blendung des Betroffenen durch ein bereits weit vorher erkennbar mit Abblendlicht an dem Fahrbahnrand parkendes Fahrzeug entschuldigt den Betroffenen bei einem Unfall, der ohne Blendung ohne weiteres hätte vermieden werden können, nicht und nimmt auch nicht den ihm zu machenden Fahrlässigkeitsvorwurf. Vielmehr muss ein Fahrzeugführer seine Fahrweise derartigen Umständen anpassen und notfalls gar anhalten. Keinesfalls darf er ohne jede Sicht ins Blaue hinein fahren in der Hoffnung, es werde „hinter dem Licht“ schon nichts passieren.

Tenor:

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer durch Außerachtlassen der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt zu einer

Geldbuße von 35,00 € verurteilt.

Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene.

Gründe: 

Der Betroffene ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 1 und 3 Jahren. Von Beruf ist er Lackierer im Kraftfahrzeuggewerbe. Seinen Angaben nach bedarf es keiner Ratenzahlung für den Fall einer Geldbußenverhängung in Höhe des Bußgeldbescheides.

Am 21.11.2016 um 17.01 Uhr fuhr der Betroffene mit seinem PKW VW-Touran die Schützenstraße in Dortmund entlang. Er war zu dieser Zeit Fahrzeugführer. Unmittelbar vor der Einmündung der Fliederstraße stand auf der rechten Straßenseite auf dem Fahrbahnrand der S mit seinem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX. Er stand dabei mit der Front leicht schräg gestellt in Richtung des ankommenden Betroffenen. Der S hatte das Abblendlicht seines Fahrzeugs eingeschaltet und blendete den Betroffenen. Der Betroffene konnte die Lichter des ihn blendenden Fahrzeugs bereits etwa 50 m vor dessen Erreichen wahrnehmen. Trotz der Blendung fuhr der Betroffene mit ungeminderter Geschwindigkeit weiter und fuhr so auf das an der Einmündung Fliederstraße stehende Fahrzeug der K, einen Kia Picanto mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX auf. Das Fahrzeug der Zeugin wurde im Bereich des Hecks an der Stoßstange beschädigt. Ebenso wurde eine Rückleuchte des Fahrzeugs beschädigt.

Der Betroffene hat die Tat vollends zugestanden. Er hat nachvollziehbar erklärt, dass er gefahren sei, die Scheinwerfer des Zeugen S von weitem wahrgenommen habe und später unmittelbar vor dem Unfall hiervon geblendet worden sei. Das Fahrzeug, auf das er aufgefahren sei, habe er so nicht sehen können. Er war jedoch der Ansicht, dass allein durch die Blendung an dem Unfall der Zeuge S schuld gewesen sei. Auf Vorhalt des Gerichtes, dass er gegebenenfalls aufgefordert sei, anzuhalten, wenn man gar nicht mehr sehen könne, was auf der Straße vor einem geschehe, erklärte der Betroffene, dass dies von ihm nicht gefordert werden könne. Der Betroffene schilderte dann, dass er mit einer von ihm geschätzten Geschwindigkeit von etwa 30 km/h auf das Fahrzeug der Zeugen K aufgefahren sei. Er habe die Beschädigungen an dem Fahrzeug der Zeugin K gesehen. Er habe Beschädigungen im Bereich der Stoßstange und im Bereich eines Rückstrahlers gesehen.

Die Schilderung des Betroffenen erschien glaubhaft und erübrigte weitere Zeugenvernehmungen. Das Gericht hat ergänzend die polizeiliche Skizze Bl. 2 d.A. unten in Augenschein genommen. Aus dieser Skizze ergibt sich die Situation unmittelbar beim Vorbeifahren an dem Fahrzeug des Zeugen S. Wegen der Einzelheiten der Positionen der Fahrzeuge zu dieser Zeit wird auf die Skizze Bl. 2 d.A. am unteren Blattrand Bezug genommen gemäß § 267 Abs. I Satz 3 StPO.

Der Betroffene war damit wegen Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer durch Außenachtlassen der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt nach §§ 1 Abs. II, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen. Die Blendung des Betroffenen durch ein bereits weit vorher erkennbar an dem Fahrbahnrand parkendes Fahrzeug entschuldigt den Betroffenen bei einem Unfall, der ohne Blendung ohne weiteres hätte vermieden werden können, nicht und nimmt auch nicht den ihm zu machenden Fahrlässigkeitsvorwurf. Vielmehr muss ein Fahrzeugführer seine Fahrweise derartigen Umständen anpassen und notfalls gar anhalten. Keinesfalls darf er ohne jede Sicht ins Blaue hinein fahren in der Hoffnung, es werde „hinter dem Licht“ schon nichts passieren. Mangels besonderer Umstände erschien die Regelgeldbuße von 35,00 € zur Ahndung angemessen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 StPO, 46 OWiG

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Strafprozeßordnung - StPO | § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten


(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im

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(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.