Unterhaltsleistungen: Neue Regeln zur Opfergrenze bei Selbstständigen

bei uns veröffentlicht am18.07.2012

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Rechtsanwalt

für Familien- und Erbrecht

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Zusammenfassung des Autors
BFH hat die Opfergrenzen-Berechnung der Finanzverwaltung, die für Selbstständige ungünstig war, für ungültig erklärt-BFH, VI ZR 31/11-Rechtsanwalt für Familienrecht
Selbstständige, die unterhaltsberechtige Personen finanziell unterstützen, dürfen pro Jahr bis zu 8.004 EUR als außergewöhnliche Belastung abziehen. Dieser Höchstbetrag mindert sich, wenn die Einkünfte des Selbstständigen zu niedrig sind (Opfergrenze).

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat jetzt die Opfergrenzen-Berechnung der Finanzverwaltung, die für Selbstständige ungünstig war, für ungültig erklärt. Das Finanzamt hat bei der Ermittlung der Opfergrenze bisher nur den Gewinn des Jahres angesetzt, in dem die Zahlungen geleistet wurden. Das war für Selbstständige tendenziell ungünstig, weil deren Einkünfte erheblich schwanken. Der BFH hat dieser Berechnungsweise jetzt auch eine Absage erteilt. Künftig sollen die Finanzämter die Einkünfte eines Dreijahreszeitraums bei der Ermittlung der Opfergrenze heranziehen (BFH, VI ZR 31/11).


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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

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(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 342/12
Verkündet am:
4. Juli 2013
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 839 B, Ca, H; GG Art. 1 Abs. 1; EMRK Art. 3, Art. 5 Abs. 5

a) Zur Amtshaftung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen.

b) Dem Inhaftierten, der menschenunwürdigen Haftbedingungen ausgesetzt ist,
steht kein Entschädigungsanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zu. Art. 5
EMRK bezieht sich grundsätzlich nur auf die Freiheitsentziehung als solche,
nicht auf die Modalitäten des Vollzugs der Haft. Unzumutbare Haftbedingungen
werden ausschließlich von Art. 3 EMRK erfasst. Die Rechtsfolgen eines
Verstoßes gegen Art. 3 EMRK richten sich primär nach nationalem Recht, in
Deutschland nach §§ 839, 249 ff BGB (Abgrenzung zu Senatsurteil vom
29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268).
BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 342/12 - KG Berlin
LG Berlin
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Juli 2013 durch den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dr. Herrmann
, Wöstmann, Hucke und Seiters

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 23. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger begehrt vom beklagten Land eine Entschädigung wegen des nach seiner Ansicht menschenunwürdigen Vollzugs der Strafhaft in der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt T. . Er war dort im Zeitraum vom 14. September 2009 bis zum 2. Februar 2010 in einem Einzelhaftraum mit einer räumlich nicht abgetrennten Toilette und einer Fläche von etwa 5,3 qm untergebracht. Das Landgericht hat den Beklagten - unter Abweisung der weitergehenden Klage - zur Zahlung von 3.460 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Kammergericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe


I.


2
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger gegen den Beklagten weder ein Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG noch ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zu.
3
Zwar habe der Beklagte die vom Kläger zu verbüßende Strafhaft unter Verletzung von Amtspflichten vollzogen. Die Haftbedingungen, über die sich der Senat anlässlich einer Ortsbesichtigung in der inzwischen nicht mehr belegten Teilanstalt I der JVA T. informiert habe, stellten, wie vom Verfassungsgerichtshof Berlin in der eine baugleiche Einzelzelle betreffenden Entscheidung vom 3. November 2009 (StV 2010, 374) festgestellt worden sei, einen Eingriff in das Recht des Klägers auf Achtung seiner Menschenwürde dar. Der Amtshaftungsanspruch scheitere aber im Zeitraum vom 14. September bis 19. November 2009 jedenfalls daran, dass der Beklagte seine gegenüber dem Kläger bestehenden Pflichten nicht schuldhaft verletzt habe. Denn die verantwortlichen Amtsträger des Beklagten hätten bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nicht fahrlässig gehandelt. Es sei seinerzeit auch unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung vertretbar gewesen, davon auszugehen , dass die Haftbedingungen die Schwelle zu einer Verletzung der Menschenwürde noch nicht überschritten hätten. Auch nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs am 5. November 2009 hätten die Amtsträger durch die weitere Unterbringung für eine Übergangsfrist von zwei Wochen ihre Amtspflichten nicht schuldhaft verletzt. Eine solche Übergangsfrist sei dem Beklagten für die Prüfung und Überlegung einzuräumen, wie die Haft- situation vieler Betroffener in der Teilanstalt I der JVA T. hätte geändert werden können. Es habe auf der Hand gelegen, dass der Beklagte die Entscheidung nicht von einem Tag auf den anderen prüfen und umsetzen sowie seine Vollzugspraxis der geänderten Rechtslage hätte anpassen können. Für die restliche Haftzeit des Beklagten bis zum 2. Februar 2010 seien Ansprüche jedenfalls gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Der Beklagte habe keinen Verlegungsantrag gemäß § 108 Abs. 1 StVollzG gestellt. Dies sei schuldhaft gewesen. Ein solcher Verlegungsantrag hätte auch Erfolg gehabt, da der Kläger - wie zur Überzeugung des Senats feststehe - bei einem entsprechenden Antrag an die Anstaltsleitung sofort in einen größeren Haftraum verlegt worden wäre.
4
Art. 5 Abs. 5 EMRK sei nicht einschlägig. Die Garantie des Art. 5 EMRK beziehe sich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitäten der Haft. Die streitgegenständlichen Haftbedingungen führten nicht zur Rechtswidrigkeit des mit der Vollstreckung der Strafhaft einhergehenden Freiheitsentzugs.

II.


5
Die zulässige Revision ist unbegründet.
6
1. Der im Bereich des Justizvollzugs tätige Hoheitsträger verletzt Amtspflichten im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn er die rechtmäßig verhängte Strafhaft unter Bedingungen vollzieht, die einen Eingriff in das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG - oder auch, wie hier, nach Art. 6 der Verfassung von Berlin - darstellen (vgl. nur BVerfG, EuGRZ 2008, 83; NJW-RR 2011, 1043 Rn. 29; Senat, Urteil vom 1. Oktober 2009 - III ZR 18/09, BGHZ 182, 301 Rn. 11). Ob der Vollzug der Strafhaft als menschenunwürdig anzusehen ist, lässt sich dabei nicht abstraktgenerell klären; vielmehr bedarf es jeweils einer Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls (vgl. nur Senat, Beschluss vom 21. Dezember2005 - III ZR 33/05, NJW 2006, 1289; Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09, NJW-RR 2010, 1465 Rn. 7; VerfGH Berlin, StV 2010, 374 f). Als erhebliche Umstände kommen insbesondere die Anzahl der in einem Haftraum untergebrachten Gefangenen, die Größe der zur Verfügung stehenden Haftraumfläche, die Ausgestaltung der sanitären Anlagen im Haftraum, die Gesamtdauer der Unterbringung sowie die täglichen Einschlusszeiten in Betracht (vgl. nur BVerfG, NJW-RR 2011, 1043 Rn. 30; VerfGH Berlin aaO S. 375). Die diesbezügliche tatrichterliche Würdigung unterliegt dabei nur einer beschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (vgl. nur Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2005 aaO).
7
Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht im Wege der gebotenen Gesamtschau davon ausgegangen, dass die Haftbedingungen das Recht des Klägers auf Achtung seiner Menschenwürde verletzt hätten. Dies nimmt die Revision als ihr günstig hin; der Beklagte erhebt insoweit keine Gegenrügen.
8
Soweit der Kläger in seiner Revisionsbegründung unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Schriftsatz vom 9. Februar 2012 rügt, die Instanzgerichte hätten bei der Bewertung der Haftbedingungen zu Unrecht nicht zusätzlich noch seinen Vortrag, die Zelle sei nicht ausreichend beheizt gewesen, wodurch seine Menschenwürde ebenfalls verletzt worden sei, berücksichtigt und insoweit - statt Beweis zu erheben - diese Darstellung als nicht ausreichend substantiiert zurückgewiesen, hat der Senat das Vorliegen eines Verfahrensfehlers geprüft. Er hält die Verfahrensrüge aber nicht für durchgreifend. Von einer näheren Begründung wird nach § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
9
2. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht zu der Auffassung gelangt, dass es bis zum Bekanntwerden der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Berlin an einem Verschulden der zuständigen Amtsträger des Beklagten gefehlt habe.
10
a) Bei der Verschuldensprüfung ist auf die Anforderungen abzustellen, deren Beachtung von einem Amtsträger generell erwartet werden kann. Jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes hat die Sach- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und sich danach aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsmeinung zu bilden. Wenn die nach solcher Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als vertretbar angesehen werden kann, lässt sich aus der späteren Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht herleiten (vgl. nur Senat, Urteile vom 8. Oktober 1992 - III ZR 220/90, BGHZ 119, 365, 369 f; vom 17. März 1994 - III ZR 27/93, NJW 1994, 3158, 3159; vom 3. Februar 2000 - III ZR 296/98, BGHZ 143, 362, 371 und vom 9. Dezember 2004 - III ZR 263/04, BGHZ 161, 305, 309). Eine infolge unrichtiger Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung fehlerhafte Amtsausübung ist zwar unter anderem dann schuldhaft, wenn die Auslegung und Anwendung gegen den klaren, bestimmten und völlig eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verstößt oder zu einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung in Widerspruch steht. Anders ist es aber, wenn die Rechtsfrage nicht einfach zu beurteilen ist beziehungsweise die Auslegung einer Vorschrift - bezogen auf den zur Entscheidung stehenden Einzelfall - zweifelhaft sein kann und insoweit die Sache weder durch die Rechtsprechung geklärt noch im Schrifttum abschließend behandelt ist (vgl. nur Senat, Urteile vom 5. Februar 1968 - III ZR 162/66, VersR 1968, 788, 790; vom 10. April 1986 - III ZR 209/84, NVwZ 1987, 168, 169; vom 17. März 1994 aaO und vom 9. Dezember 2004 aaO S. 309 f; Beschluss vom 19. Dezember 1991 - III ZR 9/91, NJW-RR 1992, 919; siehe zum Ganzen auch Staudinger/Wöstmann, BGB, Neubearbeitung 2013, § 839 Rn. 204 ff).
11
b) Von diesem Maßstab ist das Berufungsgericht, was die Revision nicht in Abrede stellt, ausgegangen. Ob im konkreten Fall das Verhalten der Amtsträger des Beklagten als schuldhaft zu beurteilen ist, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung, die in der Revisionsinstanz nur beschränkt dahin überprüfbar ist, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den etwaigen Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. nur BGH, Urteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, NJW-RR 2005, 558; vom 12. Juli 2005 - VI ZR 83/04, BGHZ 163, 351, 353; vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08, BGHZ 179, 238 Rn. 24 mwN). Entsprechende Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf.
12
aa) Das Berufungsgericht hat zu Recht maßgeblich darauf abgestellt, dass die bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ergangenen oberund höchstrichterlichen Entscheidungen nahezu ausschließlich Haftsituationen betrafen, in denen zwei oder mehr Gefangene in einer Zelle untergebracht waren ; soweit ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG angenommen wurde, war nicht bereits die Zellengröße für sich, sondern vor allem der Umstand maßgeblich, dass in der Zelle kein abgetrennter Toilettenbereich existierte (vgl. die Nachweise bei BVerfG, Beschluss vom 13. November 2007 - 2 BvR 2201/05, juris Rn. 17; EuGRZ 2008, 83, 84; NJW-RR 2011, 1043 Rn. 31). Bei der Zuweisung eines Haftraums an einen einzelnen Gefangenen verletzt die fehlende Abtrennung der Toilette vom übrigen Raum aber nicht den Anspruch des Häftlings auf Achtung seiner Menschenwürde (vgl. BVerfG, EuGRZ 2008, 83, 84). Lediglich vereinzelt waren auch mit zwei oder mehr Häftlingen belegte Zellen mit separater Toilette oder Einzelzellen Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen (vgl. etwa OLG Celle, StV 2003, 567, 568: Doppelbelegung in einem Raum von 9,82 qm mit separater Nasszelle von 1,42 qm kein Verstoß gegen die Menschenwürde ; OLG Karlsruhe, ZfStrVo 2005, 113: Doppelbelegung in einem Raum von 9,13 qm mit abgetrennter Nasszelle von 1,3 qm kein Verstoß gegen die Menschenwürde; BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2005 - 5 ARs (Vollz) 54/05, BGHSt 50, 234, 240: Doppelbelegung in einem Raum von 12,59 qm (einschließlich separatem Sanitärbereich) kein Verstoß gegen die Menschenwürde ; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2005, 155, 156: Unterbringung von drei Häftlingen in einem Raum von 11,54 qm (einschließlich abgetrennter Toilette) als Verstoß gegen die Menschenwürde; OLG Hamm, StV 2009, 262, 264: Unterbringung von 4 Häftlingen in einem Raum von 17,74 qm bzw. 2 Häftlingen in einem Raum von 9,06 qm - jeweils einschließlich separater Toilette - als Verstoß gegen die Menschenwürde; das OLG Hamm ging insoweit von einem "Grenzwert" von 5 qm pro Häftling aus; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, 29: Einzelunterbringung in einem Raum von 6,11 qm kein Verstoß gegen die Menschenwürde ). Aus keiner der genannten Entscheidungen mussten die zuständigen Strafvollzugsbehörden den Schluss ziehen, die konkrete Haftsituation des Klägers verstoße gegen die Menschenwürde.
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bb) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR), auf dessen Rechtsprechung das Berufungsgericht ebenfalls Bezug genommen hat, geht, was die Frage der Überbelegung einer Vollzugsanstalt und insoweit der Verletzung von Art. 3 EMRK ("Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden." ) anbetrifft, von einem Regelwert von 4 qm je Inhaftiertem aus (vgl. etwa Urteil vom 12. Juli 2007, Beschwerde-Nr. 20877/04, EuGRZ 2008, 21 Rn. 57 f mwN) und bezieht bei Werten darunter die weiteren Haftbedingungen in seine Würdigung mit ein (siehe die Nachweise bei Sinner in Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 3 Rn. 13; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 3 Rn. 31; Esser in Löwe/Rosenberg, StPO und GVG, Bd. 11 (EMRK/IPBPR), 26. Aufl., Art. 3 Rn. 88). Zwar hindert die Einhaltung der in der EMRK niedergelegten und für die Konventionsstaaten verbindlichen Standards keine tatrichterliche Würdigung , dass bestimmte Haftbedingungen gegen das Grundgesetz verstoßen (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09, NJW-RR 2010, 1465 Rn. 7). Dies ändert aber nichts daran, dass im Rahmen der tatrichterlichen Prüfung des Verschuldens eines Amtsträgers die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK - zumal wie hier nur als einer von mehreren Aspekten - nicht unbeachtet bleiben kann.
14
cc) Die Auffassung, dass die Haftbedingungen in den Einzelzellen der Teilanstalt I der JVA T. nicht gegen die Menschenwürde verstoßen, entsprach im Übrigen der - bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs - Rechtsprechung der Berliner Strafvollstreckungsgerichte (vgl. etwa KG, NStZRR 2008, 222, 223 f). Zwar gilt insoweit - weil es sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, um grundlegende Einschätzungen einer obersten Landesbehörde handelte - die so genannte Kollegialgerichts-Richtlinie nicht (vgl. hierzu auch Staudinger/Wöstmann aaO Rn. 211 ff, 215; BVerwGE 124, 99, 106 mwN). Dies hindert aber nicht, diese Rechtsprechung als einen Aspekt bei der tatrichterlichen Verschuldensprüfung mit zu berücksichtigen.
15
dd) Letztlich ist auch zu beachten, dass es sich bei der Beurteilung der Menschenrechtswidrigkeit von Haftbedingungen immer um eine Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls handelt, wie gerade auch die von der Revision maßgeblich herangezogene Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs (aaO S. 375) zeigt, in der ein Verstoß gegen die Menschenwürde nicht mit der Größe der Zelle allein, sondern unter wertender Heranziehung aller Haftbedingungen begründet worden ist.
16
Insgesamt ist deshalb die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts , die Bewertung des Beklagten, eine Haftsituation wie die des Klägers verstoße noch nicht gegen die Menschenwürde, sei bis zu dieser - für die Berliner Behörden maßgebenden - Entscheidung vertretbar gewesen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger versucht insoweit nur in untauglicher Weise seine eigene Bewertung an die Stelle der des Berufungsgerichts zu setzen.
17
ee) Soweit das Berufungsgericht dem beklagten Land zwischen dem 5. und 19. November 2009 eine Übergangsfrist von zwei Wochen zur Umsetzung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofs Berlin eingeräumt hat, wendet sich die Revision hiergegen unmittelbar nicht; revisionsrechtlich erhebliche Fehler sind auch nicht ersichtlich (siehe hierzu auch Senat, Urteil vom 5. Februar 1968 - III ZR 162/66, VersR 1968, 788, 791; Staudinger/Wöstmann aaO Rn. 205).
18
3. Ebenfalls frei von Rechtsfehlern ist die Würdigung des Berufungsgerichts , dass für den Zeitraum ab 19. November 2009 ein Ersatzanspruch des Klägers nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist.
19
Nach dieser Bestimmung tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Verletzte fahrlässig oder vorsätzlich unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Rechtsmittel sind dabei alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinne, die der Betroffene gegen das schädigende Verhalten des Amtsträgers ergreifen konnte. Sie müssen darauf abzielen und geeignet sein, das schädigende Verhalten des Amtsträgers zu beseitigen oder zu berichtigen und dadurch die Entstehung eines Schadens zu verhindern oder abzumildern (vgl. nur Senat, Urteile vom 20. Februar 2003 - III ZR 224/01, NJW 2003, 1308, 1312, insoweit in BGHZ 154, 54 nicht abgedruckt, und vom 8. Januar 2004 - III ZR 39/03, NJW-RR 2004, 706, 707; siehe auch Staudinger/Wöstmann aaO Rn. 337 f mwN). Hierzu gehört auch ein Verlegungsantrag an den Anstaltsleiter im Rahmen des § 108 Abs. 1 StVollzG.
20
Am Verschulden fehlt es dann, wenn die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels so gering oder so zweifelhaft ist, dass dem Verletzten dessen Gebrauch nicht zugemutet werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 20. Februar 2003 aaO S. 1313; Beschluss vom 29. Januar 2009 - III ZR 182/08, juris Rn. 2; Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09, NJW-RR 2010, 1465 Rn. 16; siehe auch Staudinger /Wöstmann aaO Rn. 347 mwN). Ob dies der Fall ist, obliegt der Bewertung des Tatrichters, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt darauf überprüfbar ist, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- oder Erfahrungssätze gewürdigt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Januar 2009 aaO Rn. 3, 5; Urteil vom 11. März 2010 aaO).
21
Auch unter Berücksichtigung der Revisionsbegründung lässt die Sachverhaltsbewertung des Berufungsgerichts keine nach diesem Prüfungsmaßstab bedeutsamen Rechtsfehler erkennen.
22
Das Berufungsgericht hat sich mit dem von der Revision angesprochenen Vortrag des Klägers zu der Auskunft des "zuständigen Stationsbeamten" befasst - die in der Revisionsbegründung in Bezug genommene diesbezügliche Passage im Schriftsatz vom 29. Juli 2011 bezieht sich auf Angaben vor der Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs -, jedoch die Auffassung vertreten und näher begründet, dass es dem Kläger in dem hier fraglichen Zeitraum nach der Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs ungeachtet dessen zumutbar gewesen sei, einen Verlegungsantrag bei der Anstaltsleitung zu stellen. Die Annahme, dass eine erfolglose Beschwerde über die Zelle beim Stationsbeamten einen für solche Entscheidungen zuständigen Verlegungsantrag an die Anstaltsleitung nicht erübrigt, liegt im Übrigen auf der Linie der Senatsrechtsprechung , wonach sich der Geschädigte regelmäßig nicht mit einem schwächeren und ineffektiveren "Rechtsmittel" begnügen darf (vgl. bereits Urteil vom 21. März 1963 - III ZR 8/62, WM 1963, 841, 842; siehe auchStaudinger/ Wöstmann aaO Rn. 344 a.E. mwN und Senat, Urteil vom 11. März 2010 aaO Rn. 16). Dass das Landgericht, auf dessen Entscheidung der Kläger insoweit verweist, bei seiner tatrichterlichen Würdigung dies anders gesehen hat, besagt für das Vorliegen eines Rechtsfehlers nichts; gleiches gilt für die in der Revisionsbegründung in Bezug genommenen Beschlüsse des Senats vom 29. Januar und 12. März 2009 (beide III ZR 182/08, juris), in denen der Senat eine auf menschenrechtswidrige Haftbedingungen in einer Justizvollzugsanstalt in S. bezogene tatrichterliche Würdigung des dortigen Berufungsgerichts zu gerichtlichen Rechtschutzmöglichkeiten nach §§ 109, 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG revisionsrechtlich nicht beanstandet hat.
23
Ergänzend verweist der Senat darauf, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt anwaltlich vertreten war. In seinen von den Instanzgerichten beigezogenen Gefangenenpersonalakten befindet sich eine anwaltliche Vollmacht vom 10. November 2009 in Sachen "Ausweisungsverfahren, Aufenthaltsrecht, Strafvollstreckung , Strafvollzug". Soweit das Berufungsgericht dem Kläger, falls ihm die Möglichkeit eines Verlegungsantrags an die Anstaltsleitung unbekannt gewesen sei (dies wird mit der Revisionsbegründung allerdings nicht einmal vorgetragen ), trotzdem Fahrlässigkeit angelastet hat, da insoweit eine Erkundigungspflicht durch Nachfrage bei fachkundigen Mitarbeitern der Anstalt (Sozialarbeiter , Betreuungspersonal) bestanden habe und der Kläger notfalls auch die Hilfe eines Rechtsanwalts hätte in Anspruch nehmen müssen, wobei er dann auch auf die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs hingewiesen worden wäre, ist dem nichts hinzuzufügen.
24
Die tatrichterliche und ausführlich begründete Annahme des Berufungsgerichts , der Kläger wäre im Fall eines Antrags nach § 108 StVollzG sofort in einen größeren Haftraum verlegt worden, wird mit der Revision schon nicht substantiiert in Frage gestellt. Der bloße Hinweis auf die gegenteilige Wertung des Landgerichts ist schon deshalb unbehelflich, weil das Berufungsgericht maßgeblich auf den Inhalt der Berufungsbegründung des Beklagten und die dort aufgeführten Beispielsfälle abgestellt hat, in denen Abhilfe geschaffen wurde. Dass es in diesem Zusammenhang unerheblich ist, ob die Anstaltsleitung seinerzeit in der Lage gewesen wäre, alle in der Teilanstalt I der JVA T. unter vergleichbaren Bedingungen Inhaftierten anderweitig unterzubringen, entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil vom 11. März 2010 aaO Rn. 14).
25
Hat ein Verletzter es aber auch nur fahrlässig versäumt, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, führt dies - anders als bei § 254 BGB - ohne Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge zum vollständigen Haftungsausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB. Der Einwand des Klägers, angesichts des seiner Meinung nach "vorsätzlichen" Verhaltens des Beklagten verstoße der Einwand des Mitverschuldens gegen § 242 BGB, geht vor diesem Hintergrund ins Leere, abgesehen davon, dass nach Auffassung des Senats von einem treuwidrigen Verhalten auch keine Rede sein kann.
26
4. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK verneint.
27
Nach Art. 5 Abs. 5 EMRK hat jede Person einen Anspruch auf Schadensersatz , die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme und Freiheitsentziehung betroffen ist. In den vorstehenden Absätzen werden die Voraussetzungen näher beschrieben, unter denen die Freiheit entzogen werden darf.
28
a) Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Hand (vgl. nur Senat, Urteil vom 10. Januar 1966 - III ZR 70/64, BGHZ 45, 46, 49 ff), der vom Verschulden der handelnden Amtsträger unabhängig ist (vgl. nur Senat, Urteil vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 65 ff) und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst (vgl. nur Senat, Urteil vom 29. April 1993 - III ZR 3/92, BGHZ 122, 268, 279 ff). Dabei ist bei innerstaatlicher Rechtswidrigkeit der Inhaftierung der Freiheitsentzug auch dann (mittelbar) konventionswidrig, wenn die Anforderungen der Konvention an die Voraussetzungen, unter denen (Untersuchungs-)Haft angeordnet werden kann, geringer sind als die der deutschen Strafprozessordnung (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 1971 - III ZR 181/69, BGHZ 57, 33, 38; Urteil vom 29. April 1993 aaO S. 270).
29
b) Ob bei Haftbedingungen, die gegen die Menschenwürde verstoßen, ein Schadensersatzanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK gegeben ist, ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung umstritten (bejahend etwa OLG Celle, NJW 2003, 2463 f, NJW-RR 2004, 380, 381; KG, OLGR 2005, 813; OLG Nürnberg , Beschluss vom 21. Januar 2011 - 4 U 92/10, nv. Abdruck S. 4; wohl auch OLG Naumburg, NJW 2005, 514, 515; LG Duisburg, Beschluss vom 11. Mai 2009 - 1 O 343/08, juris Rn. 5; verneinend etwa OLG Naumburg, Beschluss vom 30. Januar 2006 - 2 W 25/05, juris Rn. 10; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juni 2008 - 11 W 78/07, juris Rn. 26).
30
Die Frage ist zu verneinen. Die Garantie des Art. 5 EMRK bezieht sich grundsätzlich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitäten des Vollzugs der Haft; daher ergeben sich aus ihr keine Rechte von in Haft befindlichen Personen in Bezug auf ihre Behandlung in der Haft (vgl. Senat, Urteil vom 29. April 1993 aaO S. 270). Dementsprechend wird in der Rechtsprechung des EGMR (vgl. nur Urteile vom 15. Juli 2002, Beschwerde-Nr. 47095/99, NVwZ 2005, 303 f, vom 12. Juli 2007 aaO und vom 21. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 30696/09, EuGRZ 2011, 243 ff; vgl. auch die Nachweise im Senatsurteil vom 4. November 2004 - III ZR 361/03, BGHZ 161, 33, 37) im Zusammenhang mit der Frage menschenrechtswidriger Haftbedingungen nicht auf Art. 5, sondern auf Art. 3 EMRK abgestellt (siehe auch Esser in Löwe/Rosenberg , aaO Art. 3 Rn. 78 ff, 86 ff, Art. 5 Rn. 3; Frowein/Peukert, EMRK, 3. Aufl., Art. 3 Rn. 12, Art. 5 Rn. 9; Karpenstein/Mayer, aaO Art. 3 Rn. 12, Art. 5 Rn. 12; Meyer-Ladewig, aaO Art. 3 Rn. 29, 31). Art. 3 EMRK enthält aber - anders als Art. 5 EMRK im Absatz 5 - keine unmittelbare Schadensersatzregelung. Vielmehr richten sich die Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes zunächst nach nationalem Recht, in Deutschland also nach § 839, §§ 249 ff BGB. Erst und nur dann, wenn das innerstaatliche Recht lediglich eine unvollkommene Wieder- gutmachung für die Folgen einer Konventionsverletzung gewährt - was für Deutschland schon deshalb ausscheidet, weil die Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung von Strafgefangenen nach Maßgabe des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG höher sind als die Anforderungen nach Art. 3 EMRK im Lichte der Rechtsprechung des EGMR -, kommt eine gerechte Entschädigung nach Maßgabe des Art. 41 EMRK in Betracht, für deren Ausspruch ausschließlich der EGMR im Verfahren einer Individualbeschwerde zuständig ist.
31
Zu Unrecht beruft sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf das Senatsurteil vom 29. April 1993 (aaO S. 270). Diesem lag ein Fall zugrunde, in dem die im Vollzug - einschließlich der Unterbringung in einem Anstalts- oder in einem externen Krankenhaus - zur Verfügung stehenden ärztlichen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausreichten, um von der Haft ausgehende schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahren für den Häftling abzuwenden. Insoweit ging es um die persönliche Vollzugstauglichkeit als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Haft. Solange die vorhandenen Möglichkeiten genügten, blieb die Haft rechtmäßig; soweit dies nicht (mehr) der Fall war und der Geschädigte bei rechtmäßigem Verhalten der zuständigen Amtsträger vom weiteren Haftvollzug hätte verschont werden müssen, war die Rechtmäßigkeit der Haft selbst betroffen. In einem solchen Ausnahmefall stellen die Umstände des Vollzugs auch die Rechtmäßigkeit der Haft im Sinne von Art. 5 EMRK in Frage. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
32
Zwar muss - wie der Senat in seinem Urteil vom 11. März 2010 (III ZR 124/09, NJW-RR 2010, 1465 Rn. 15) entschieden hat - dann, wenn die Haftbedingungen in einer Zelle menschenunwürdig sind und die Vollzugsanstalt auch unter Berücksichtigung aller ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (einschließlich der Verlegung in eine andere Haftanstalt, gegebenenfalls auch in einem anderen Bundesland; vgl. zur Verlegung auch BVerfG, Beschluss vom 13. November 2007 - 2 BvR 2201/05, juris Rn. 13; EuGRZ 2008, 83) die Haftsituation nicht ändern kann, notfalls die Strafvollstreckung unterbrochen werden. Die Aufrechterhaltung eines gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßenden Zustands ist verboten. Eine Abwägung der unantastbaren Menschenwürde mit anderen - selbst verfassungsrechtlichen - Belangen ist nicht möglich (vgl. BVerfG, NJW 2006, 1580, 1581 Rn. 18). Die Vollzugsanstalt hat deshalb in letzter Konsequenz den Strafvollzug zu unterbrechen, wenn und solange eine weitere Unterbringung nur unter menschenunwürdigen Bedingungen in Betracht kommt (vgl. auch BVerfG, NJW-RR 2011, 1043 Rn. 49). Auch in einem solchen Fall - für dessen Vorliegen hier allerdings nichts ersichtlich ist - wird jedoch der Anwendungsbereich des Art. 5 EMRK nicht berührt. Denn nach der Systematik der Konvention und der Rechtsprechung des EGMR werden unzumutbare Haftbedingungen ausschließlich von Art. 3 EMRK erfasst.
33
Da mithin bereits dem Grunde nach kein Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK gegeben ist, kann dahinstehen, ob § 839 Abs. 3 BGB oder § 254BGB - der ebenfalls gebieten kann, einen belastenden hoheitlichen Akt durch geeignete Rechtsbehelfe abzuwehren (vgl. nur Senat, Urteil vom 26. Januar 1984 - III ZR 216/82, BGHZ 90, 17, 31 ff) - auf einen Anspruch aus Art. 5 EMRK anwendbar sind (bejahend etwa OLG Naumburg, NJW 2005, 514, 515; Beschluss vom 30. Januar 2006, aaO Rn. 11; OLG München, NJW 2007, 1986, 1987; LG Duisburg aaO; Renzikowski in Pabel/Schmahl, Internationaler Kommentar zur EMRK, Art. 5 Rn. 330; offen gelassen im Senatsurteil vom 29. April 1993 aaO S. 278 f; verneinend für unterlassene Rechtsbehelfe nach § 2 Abs. 2 des öster- reichischen Amtshaftungsgesetzes: OGH, Urteil vom 15. November 1989 - 1 Ob 43/89, S. 4).
Schlick Herrmann Wöstmann
Hucke Seiters
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 15.02.2012 - 86 O 90/11 -
KG Berlin, Entscheidung vom 23.10.2012 - 9 U 34/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 124/09 Verkündet am:
11. März 2010
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage der Kausalität zwischen der Nichteinlegung eines Rechtsmittels und
dem Schadenseintritt bei menschenunwürdigen Haftbedingungen in einer Justizvollzugsanstalt.
BGH, Urteil vom 11. März 2010 - III ZR 124/09 - OLG Hamm
LG Detmold
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. März 2010 durch den Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dörr,
Wöstmann, Hucke und Seiters

für Recht erkannt:
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. März 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger, der in der Zeit von Juni bis Oktober 2003 sowie von Juni 2006 bis März 2007 in der JVA D. inhaftiert war, verlangt Zahlung einer Entschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen. Das Landgericht hat ihm wegen der Unterbringung im Jahre 2003 unter Berücksichtigung einer hilfsweise vom beklagten Land zur Aufrechnung gestellten Forderung aus einem Strafbefehl über 136,80 € insgesamt 863,20 € zugesprochen und die weitergehende Klage abgewiesen. Beide Parteien haben Rechtsmittel eingelegt. Das Oberlandesgericht hat in Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Kla- ge bezüglich der Inhaftierung im Jahre 2003 wegen Verjährung abgewiesen und im Übrigen wegen der Unterbringung von Juni 2006 bis März 2007 eine Entschädigung von 2.300 € zuerkannt. Hiergegen wendet sich das beklagte Land mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe


2
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Oberlandesgericht.

I.


3
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Unterbringung des Klägers in den Hafträumen B-216 (Grundfläche 17,74 m² bei einer Belegung mit vier Personen) sowie B-259 (Grundfläche 9,06 m² bei einer Belegung mit zwei Personen) sei menschenunwürdig gewesen. Jedem Insassen habe nur eine Grundfläche von rechnerisch lediglich 4,435 m² bzw. 4,53 m² zur Verfügung gestanden. Damit werde die Mindestgröße von Hafträumen, die in der Literatur als Untergrenze ernsthaft erwogen werde, deutlich unterschritten, wobei erschwerend hinzu komme, dass die Nutzfläche durch die Möblierung des Haftraums mit einer der Kopfzahl der untergebrachten Gefangenen entsprechenden Anzahl von Betten, Spinden, Stühlen und Tischen noch zusätzlich eingeschränkt werde, ebenso wie auch durch die im Haftraum installierte Toilettenkabine. Bei einer Grundfläche von weniger als 5 m² sei der dem Einzelnen unter Berücksichtigung des für die Möblierung notwendigen Flächenbedarfs verbleibende Bewegungsfreiraum so begrenzt, dass eine sinnvolle Freizeitbeschäfti- gung kaum noch möglich sei und der auch bei Strafhaft fortbestehende Anspruch des Gefangenen auf Wahrung eines Mindestmaßes an persönlicher Eigenständigkeit und Intimität in einer Weise beschnitten werde, die mit den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung unvereinbar sei.
4
dem Der Kläger zustehende Entschädigungsanspruch sei nicht nach § 839 Abs. 3 BGB ganz oder teilweise ausgeschlossen. Bereits nach dem eigenen Vortrag des beklagten Landes lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Kläger im Falle der Ergreifung ihm zur Verfügung stehender Rechtsmittel die Fortdauer seiner menschenunwürdigen Unterbringung vorzeitig hätte beenden können. Dass einem schlichten Verlegungsantrag an die Anstaltsleitung entsprochen worden wäre, erscheine vor dem Hintergrund der im maßgeblichen Zeitraum stark angespannten Belegungssituation in der JVA D. ausgeschlossen. Auch für die Annahme, dass einem allein auf die als unzureichend bemängelte Zellengröße gestützten Eilantrag die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts D. stattgegeben hätte, fehle es an der erforderlichen Tatsachengrundlage. Zwar könne davon ausgegangen werden, dass diese bei einem Rechtsmittel des Klägers die ihr aus einem anderen Rechtsbeschwerdeverfahren zu einer Haftunterbringung in der JVA - bekannte Rechtsprechung des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 20. Januar 2005, 1 Vollz (Ws) 147/04 OLG) berücksichtigt hätte. Ob die dortigen Ausführungen zur Zellengröße letztlich aber ausgereicht hätten, dem Kläger bereits vor dem Landgericht zum Erfolg zu verhelfen, sei fraglich. Näher liegender erscheine dem Senat ein Erfolg erst im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Dass eine solche Gerichtsentscheidung anschließend jedoch zeitnah umgesetzt worden wäre, lasse sich ungeachtet der gegenteiligen Behauptung des beklagten Landes nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen. Die allein auf die Person des Klägers zugeschnittene Dar- stellung des Landes lasse zu Unrecht offen, wie viele Gefangene im maßgeblichen Zeitraum in der JVA D. vergleichbaren und damit ebenfalls menschenunwürdigen Haftbedingungen ausgesetzt gewesen seien und deshalb wie der Kläger eine Verlegung in angemessene Zellen beanspruchten oder denen nunmehr aus Anlass einer ebenfalls geltend gemachten Entschädigung entgegengehalten werde, eine solche Verlegung nicht beansprucht zu haben. Zu berücksichtigen sei dabei, dass die Versäumung bestehender Rechtsmittel schon dann nicht als ursächlich für die Fortdauer der Haftsituation angesehen werden könne, wenn auch nur bei einem der betroffenen Gefangenen mangels ausreichender Kapazitäten der Anstalt eine zeitnahe Beendigung der menschenunwürdigen Unterbringung unmöglich gewesen sei. Denn in diesem Fall könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger derjenige gewesen wäre, dessen Lage die Anstalt nicht zu seinem Vorteil hätte verändern können.

II.


5
Dies hält der Nachprüfung nur teilweise stand.
6
1. Die Rüge des beklagten Landes, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft eine menschenunwürdige und grundsätzlich entschädigungspflichtige Haftsituation festgestellt, ist allerdings unbegründet.
7
a) Die Frage, wann die räumlichen Verhältnisse in einer Strafanstalt derart beengt sind, dass die Unterbringung eines Gefangenen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt, lässt sich nicht abstrakt-generell klären, sondern muss der tatrichterlichen Beurteilung überlassen bleiben (vgl. Senat, BGHZ 161, 33, 35; Beschlüsse vom 21. Dezember 2005 - III ZR 33/05 - NJW 2006, 1289 Rn. 2, und 28. September 2006 - III ZB 89/05 - NJW 2006, 3572 Rn. 10). Deshalb kommt die vom beklagten Land geforderte "Klärung des verfassungsmäßigen Raummindestsolls" nicht in Betracht. In der Sache selbst hält die Annahme des Berufungsgerichts, die Haft sei menschenunwürdig gewesen, der eingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Soweit das beklagte Land in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 12. Juli 2007 in Sachen Testa gegen Kroatien (EuGRZ 2008, 21, 23 Rn. 56 ff) hinweist, kann dahinstehen, ob unter Berücksichtigung des dieser Entscheidung zugrunde liegenden Maßstabs keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK vorgelegen hat. Denn die etwaige Einhaltung des dort niedergelegten und für die Konventionsstaaten verbindlichen Mindeststandards hindert nicht eine tatrichterliche Würdigung, dass bestimmte Haftbedingungen gegen das Grundgesetz verstoßen.
8
b) Auch die weitere Frage, wo im Rahmen der Bandbreite der in Betracht kommenden Fälle menschenunwürdiger Unterbringung die so genannte Erheblichkeitsschwelle liegt, bei deren Überschreiten eine Geldentschädigung zu gewähren ist, lässt sich nicht abstrakt-generell klären, sondern ist der tatrichterlichen , revisionsrechtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilung überlassen (Senat, BGHZ 161, 33, 38; Beschluss vom 21. Dezember 2005, aaO). Rechtsfehler dieser Bewertung zeigt das beklagte Land nicht auf. Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, dass zwischen der Feststellung einer Verletzung der Menschenwürde und der Zuerkennung einer Geldentschädigung kein zwingendes Junktim besteht (Senat, BGHZ 161, 33, 36). Genau so wenig hat das Berufungsgericht den Vortrag des beklagten Landes zu seinen Bemühungen zur Schaffung neuer Haftplätze und zur Steuerung der Belegungssituation ignoriert. Soweit es diesem Vorbringen im Rahmen der Bewertung des Organisationsver- schuldens des Landes keine die Erheblichkeitsschwelle tangierende Bedeutung beigemessen hat, bewegt sich dies im Rahmen des dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraums. Die Revision setzt bei ihrer abweichenden Würdigung letztlich nur in unzulässiger Weise ihre eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts, ohne Verfahrens- oder materielle Rechtsfehler aufzeigen zu können.
9
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann sich das beklagte Land jedoch auf § 839 Abs. 3 BGB berufen. Danach tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Die Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit der Schädiger (vgl. nur Senat, Urteil vom 16. Januar 1986 - III ZR 77/84 - NJW 1986, 1924, 1925; BGHZ 156, 294, 299; siehe auch Staudinger/Wurm, BGB, Neubearbeitung 2007, § 839 Rn. 350).
10
Die a) Revision rügt in diesem Zusammenhang zunächst zutreffend, dass sich das Berufungsgericht mit dem unter Beweis gestellten Vortrag in der Berufungserwiderung nur unzureichend auseinandergesetzt hat. Das beklagte Land hat dort unter anderem auch ausgeführt, dass die JVA D. im Falle der Einleitung eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens durch den Kläger nach §§ 109, 114 StVollzG binnen kürzester Zeit - zumindest innerhalb eines Zeitraums von weniger als zwei Wochen - Maßnahmen ergriffen hätte, mit denen es sofort zu einer Beendigung der gerügten menschenunwürdigen Unterbringung gekommen wäre. Die JVA hätte im Falle eines Antrags nach §§ 109, 114 StVollzG nicht den Ausgang des Verfahrens vor der Strafvollstreckungskammer abgewartet, sondern entsprechende Maßnahmen - die das beklagte Land dann im weiteren Schriftsatz erläutert hat - eingeleitet und den Kläger zeitnah in eine Einzelzelle verlegt. Das Berufungsgericht geht in seiner Urteils- begründung auf diese Behauptung nicht unmittelbar ein, sondern behandelt nur die Fragen, ob ein schlichter Verlegungsantrag des Klägers an die Anstaltsleitung im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens Erfolg gehabt bzw. ob einem gerichtlichen Antrag des Klägers bereits die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts oder erst der Strafsenat des Oberlandesgerichts stattgegeben hätte.
11
b) Für die in letzterem Zusammenhang notwendigen Feststellungen über den hypothetischen Geschehensablauf bei Einlegung eines Rechtsmittels gilt nach der Rechtsprechung des Senats folgendes: Die Prüfung der Kausalität erfordert bei § 839 Abs. 3 BGB im Ansatz ähnliche Überlegungen wie bei § 839 Abs. 1 BGB. Allerdings kann der Grundsatz, wonach dann, wenn es bei der Feststellung der Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung für den eingetretenen Schaden darauf ankommt, wie die Entscheidung eines Gerichts ausgefallen wäre, darauf abzustellen ist, wie nach Ansicht des über den Schadensersatzanspruch erkennenden Gerichts richtigerweise hätte entschieden werden müssen, im Rahmen des Absatzes 3 nicht uneingeschränkt Anwendung finden (vgl. Senat, Urteil vom 16. Januar 1986, aaO S. 1925). Vielmehr ist hier auch die Rechtspraxis hinsichtlich der in Rede stehenden Frage zu dem Zeitpunkt in Betracht zu ziehen, in dem das Rechtsmittel hätte eingelegt werden müssen (vgl. Senat, BGHZ 156, 294, 300; Staudinger/Wurm, aaO, Rn. 351).
12
Dementsprechend ist es im Ausgangspunkt richtig, wenn das Berufungsgericht bei seiner Würdigung die Rechtsprechung des für die JVA - als Rechtsbeschwerdegericht zuständigen 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm in den Blick genommen hat. Weiterhin begegnet auch die Annahme keinen rechtlichen Bedenken, dass bei Zugrundelegung des in der zitierten Entscheidung vom 20. Januar 2005 angelegten Maßstabs davon auszuge- hen sei, der Strafsenat hätte die Haftsituation des Klägers beanstandet. Zwar betraf das dortige Verfahren, in dem eine menschenunwürdige Unterbringung in der JVA D. festgestellt wurde, eine Zelle, die sich bezüglich der - vom Strafsenat in seinem Beschluss gerügten - sanitären Ausstattung von den Räumlichkeiten unterschied, in denen sich der Kläger vormals befunden hat. Der Strafsenat hat jedoch unabhängig davon ausgeführt (Rn. 21, zitiert nach juris), dass die Zelle mit einer Größe von 8,8 m² bei einer Belegung mit zwei Gefangenen bereits den sich aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 EMRK ergebenden Mindestanforderungen an die Bodenfläche eines Haftraums nicht gerecht werde. Warum allerdings bei dieser Sachlage die erstinstanzlich zur Entscheidung berufene Strafvollstreckungskammer des Landgerichts D. bei ihrer rechtlichen Bewertung zu anderen Ergebnissen als der für sie zuständige Rechtsbeschwerdesenat hätte kommen sollen, dessen Rechtsprechung ihr bekannt sein musste, ist nicht ersichtlich und vom Berufungsgericht auch nicht nachvollziehbar dargelegt worden.
13
c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird letztlich auch nicht von der Überlegung getragen, es lasse sich nicht feststellen, dass eine gerichtliche Entscheidung zugunsten des Klägers an dessen tatsächlicher Situation etwas geändert hätte.
14
aa) Unerheblich ist zunächst, ob die Anstaltsleitung in der Lage gewesen wäre, alle zum streitgegenständlichen Zeitraum (Juni 2006 bis März 2007) unter vergleichbaren Bedingungen in der JVA D. inhaftierten Gefangenen angemessen unterzubringen. Genauso wenig entscheidend ist, ob eine solche Möglichkeit bezüglich aller Insassen bestand, die damals - wie nach seiner Darstellung der Kläger - eine Verlegung beantragt hatten und deshalb auf der sogenannten Warteliste standen. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass die Anstaltsleitung jedenfalls diejenigen, zu deren Gunsten eine Gerichtsentscheidung ergangen wäre, vorrangig berücksichtigt hätte. Des Weiteren ist die vom Berufungsgericht - erkennbar vor dem Hintergrund anhängiger Parallelverfahren - angestellte Überlegung, die Versäumung bestehender Rechtsmittel könne schon dann nicht als ursächlich für die Fortdauer der menschenunwürdigen Unterbringung angesehen werden, wenn nur bei einem der betroffenen Gefangenen mangels ausreichender Kapazitäten eine zeitnahe Beendigung seiner Haftsituation unmöglich gewesen wäre, (allzu) theoretischer Natur. Aus dem Umstand, dass zahlreiche Strafgefangene einer bestimmten Justizvollzugsanstalt - aus welchen Gründen auch immer - jetzt mehr oder weniger zeitgleich eine Haftentschädigung verlangen, kann bei lebensnaher Betrachtung nicht ohne weiteres geschlossen werden, alle Kläger hätten (bei gehöriger Überlegung ) vormals mehr oder weniger zeitgleich gerichtliche Anträge auf Änderung ihrer Haftbedingungen gestellt. Die tatsächlichen Gegebenheiten (allenfalls in einer verschwindend geringen Zahl von Fällen wurden von Häftlingen in Nordrhein-Westfalen Gerichtsentscheidungen herbeigeführt; in der - vom Kläger nicht bestrittenen - Auflistung des beklagten Landes im Schriftsatz vom 20. Oktober 2008 ist bezüglich der JVA D. lediglich ein Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts D. vom 27. Mai 2008 aufgeführt ) lassen eher das Gegenteil vermuten. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang auch das Argument des Landes, ein Teil der Gefangenen wäre trotz der vorhandenen Platznot in den Gemeinschaftszellen bereit gewesen, sich zur "Vermeidung von Eintönigkeit, Langeweile oder Einsamkeit" mit anderen Häftlingen gemeinschaftlich unterbringen zu lassen, so dass Raum für die Umsetzung entsprechender Gerichtsentscheidungen bestanden hätte, nicht von der Hand zu weisen.
15
Entscheidend bb) kommt folgendes hinzu: In einem Rechtsstaat ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Behörden gerichtliche Entscheidungen beachten. Insoweit hat das beklagte Land - vom Kläger nicht bestritten - mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2008 auch vorgetragen, es habe in der Vergangenheit die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammern in Nordrhein-Westfalen , durch die eine menschenunwürdige Unterbringung eines Gefangenen festgestellt wurde, sofort umgesetzt. Aber selbst wenn unterstellt wird, dass sich die Haftanstalt - aus welchen Gründen auch immer - nicht in der Lage gesehen hätte, den Kläger umgehend in eine Einzelzelle zu verlegen, stünde dies dem Einwand des beklagten Landes aus § 839 Abs. 3 BGB nicht entgegen. Denn die Betrachtung der möglichen Umsetzung einer gerichtlichen Haftentscheidung kann nicht auf die Frage nach einer angemessenen Alternativunterbringung beschränkt werden; dies wäre ein verkürzter Blickwinkel. Sind die Haftbedingungen menschenunwürdig und kann eine Vollzugsanstalt auch unter Berücksichtigung aller ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (einschließlich der Verlegung in eine andere Haftanstalt, gegebenenfalls auch in einem anderen Bundesland ) einer Gerichtsentscheidung, die dies feststellt, nicht nachkommen, muss notfalls die Strafvollstreckung unterbrochen werden. Die Aufrechterhaltung eines gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßenden Zustands ist verboten. Eine Abwägung der unantastbaren Menschenwürde mit anderen - selbst verfassungsrechtlichen - Belangen ist nicht möglich (vgl. BVerfG, NJW 2006, 1580, 1581 Rn. 18). Die Vollzugsanstalt hat deshalb in letzter Konsequenz den Strafvollzug zu unterbrechen, wenn und solange eine weitere Unterbringung nur unter menschenunwürdigen Bedingungen in Betracht käme. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger hätte auch im Falle eines Erfolgs seines Rechtsmittels an der Haftsituation nichts ändern können, als rechtsfehlerhaft.
16
d) Die in der Revisionserwiderung erhobene Gegenrüge des Klägers, ihm sei der Gebrauch eines solchen Rechtsmittels unzumutbar gewesen, da ihm immer wieder gesagt worden sei, dass es aufgrund der Überbelegung keinen Zweck habe zu versuchen, an der Warteliste vorbei früher eine Einzelzelle zu bekommen, und er angesichts der Unfähigkeit der Anstaltsleitung, trotz Art. 1 Abs. 1 GG menschenwürdige Haftbedingungen zu schaffen, nicht an den Erfolg eines Rechtsmittels habe glauben können, greift demgegenüber nicht durch. Zwar fehlt es am Verschulden im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB, wenn die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels so gering oder zweifelhaft ist, dass dem Verletzten dessen Gebrauch nicht zugemutet werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 20. Februar 2003 - III ZR 224/01 - NJW 2003, 1308, 1313, insoweit in BGHZ 154, 54 nicht abgedruckt; Beschluss vom 29. Januar 2009 - III ZR 182/08 - juris Rn. 2 f). Dies zu beurteilen obliegt aber grundsätzlich dem Tatrichter nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls. Die diesbezügliche Bewertung des Berufungsgerichts weist keine Rechtsfehler auf.
17
e) Soweit ein Rechtsmittel bzw. dessen Umsetzung erst von einem bestimmten Zeitpunkt an weitere Schäden verhindert hätte, führt dies im Übrigen nur dazu, dass bei schuldhafter Unterlassung der Einlegung des Rechtsmittels der Anspruch für die weiteren Schäden entfällt. Er bleibt jedoch für etwaige bereits vorher entstandene Schäden bestehen, d.h. hier hat eine zeitliche Differenzierung zu erfolgen (vgl. nur Senat, Urteile vom 16. Januar 1986, aaO, S. 1924 und 5. Februar 1987 - III ZR 16/86 - BGHR BGB § 839 Abs. 3 - Kausalität

1).


18
3. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass einem etwaigen Anspruch des Klägers auf Haftentschädigung nicht (teilweise) die Hilfsaufrechnung des beklagten Landes entgegensteht. Die Frage, ob es der Justizverwaltung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) verwehrt ist, gegenüber dem Anspruch eines Gefangenen auf Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen mit einer Gegenforderung auf Erstattung offener Kosten eines Strafverfahrens aufzurechnen, hat der Senat zwischenzeitlich durch Urteil vom 1. Oktober 2009 (III ZR 18/09 - VersR 2009, 1664) im Sinne des Berufungsgerichts entschieden.
Schlick Dörr Wöstmann
Hucke Seiters
Vorinstanzen:
LG Detmold, Entscheidung vom 08.05.2008 - 9 O 294/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 18.03.2009 - 11 U 88/08 -

Tenor

Auf die Berufung des Klägers vom 16. Februar 2007 gegen das am 6. Februar 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck wird das angefochtene Urteil unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 3.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Februar 2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/4 und das beklagte Land zu 3/4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils für den Vollstreckungsgläubiger vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Land eine Entschädigung wegen menschenunwürdiger Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt (im Folgenden: JVA).

2

Der Kläger wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, die er zum Teil in der JVA Lübeck verbüßte. Nach der Rückverlegung aus dem offenen Vollzug war der Kläger in der Zeit vom 20.01.2005 bis zum 24.03.2005 und in der Zeit vom 30.03.2005 bis zum 08.06.2005 jeweils zusammen mit einem anderen Gefangenen in einem Haftraum untergebracht, der nur knapp 7,50 qm groß war, über 21,97 cbm Rauminhalt verfügte und mit einem Etagenbett, 2 Stühlen, 2 Tischen, einem Wandregal sowie einem Schrank ausgestattet war. Die Toilette und die Waschgelegenheit waren räumlich nicht abgetrennt. Es bestand lediglich eine mobile Schamwand. Eine separate Entlüftungsmöglichkeit für den Sanitärbereich war nicht vorhanden. In der Zelle wurden auch die Mahlzeiten eingenommen. Der Kläger ist Nichtraucher. Der Mitgefangene in der Zeit vom 20.01.2005 bis zum 24.03.2005 war Raucher. Der Kläger hatte nur jeden 2. Tag von 16.00 Uhr bis 17.00 Uhr und von 17.30 Uhr bis 19.00 Uhr Aufschluss. Die übrige Zeit musste er im Haftraum verbringen.

3

Der Kläger hatte am 01.02.2005 die Zuweisung eines Einzelhaftraums begehrt. Diesem Antrag wurde zunächst nicht entsprochen. Es standen nicht für alle Häftlinge, die allein untergebracht werden wollten, Einzelhafträume zur Verfügung. Der Name des Klägers wurde in einer Liste notiert, in der sämtliche Häftlinge aufgeführt waren, die in einen Einzelhaftraum verlegt werden wollten (Bl. 13 d. A.).

4

Der Kläger war und ist der Meinung, seine Unterbringung mit einem anderen Gefangenen in dem nur knapp 7,5 qm großen Haftraum sei menschenunwürdig gewesen. Der Kläger forderte das beklagte Land mit Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 03.02.2006 vergeblich auf, bis zum 21.02.2006 eine Entschädigung in Höhe von 4.000,00 Euro an ihn zu zahlen. Er wiederholte die Zahlungsaufforderung mit Telefax seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 27.02.2006.

5

Der Kläger hat im ersten Rechtzug beantragt,

6

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn – den Kläger – 4.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.02.2006 zu zahlen.

7

Das beklagte Land hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe gemäß        § 839 Abs. 3 BGB keine Entschädigung zu, weil er es versäumt habe, die beanstandete Unterbringung durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Das beklagte Land hat vorgetragen, der Kläger wäre auf Kosten anderer Häftlinge allein in einem Einzelhaftraum untergebracht worden, wenn er ein Rechtsmittel gegen die gemeinschaftliche Unterbringung eingelegt und das Gericht seine alleinige Unterbringung in einem Einzelhaftraum angeordnet hätte.

10

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Entschädigungsanspruch des Klägers sei gemäß § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, weil der Kläger seine Rückverlegung aus dem offenen Vollzug selbst verschuldet habe.

11

Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten (Bl. 150, 158 d. A.) Berufung trägt der Kläger ergänzend vor:

12

Er habe sich sofort nach seiner Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug (20.01.2005) und auch noch nach der Stellung seines Verlegungsantrags (01.02.2005) wiederholt mündlich gegenüber verschiedenen JVA-Bediensteten über die Art und Weise seiner Unterbringung beschwert und dabei stets zum Ausdruck gebracht, dass er seine Unterbringung als empfindliches Übel empfinde und dass er unter Schlafstörungen und Kopfschmerzen leide.

13

Der Kläger beantragt,

14

unter Aufhebung des angegriffenen Urteils des Landgerichts Lübeck das beklagte Land zu verurteilen, an ihn – den Kläger – 4.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.02.2006 zu zahlen.

15

Das beklagte Land beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Es macht weiterhin geltend, der Kläger wäre im Falle einer erfolgreichen Rechtsmitteleinlegung allein in einem Einzelhaftraum untergebracht worden. Dazu trägt das beklagte Land ergänzend vor:  

18

Die Verlegung der Häftlinge auf Einzelhafträume sei – unstreitig – nach einer stationsintern geführten Warteliste für Einzelhafträume durchgeführt worden. Ausnahmen von der Reihenfolge auf dieser Liste habe es gegeben, wenn zwingende medizinische Gründe für eine Einzelunterbringung durch den Anstaltsarzt festgestellt worden seien oder wenn ein Gefangener aus Sicherheitsgründen aus einem anderen Anstaltsbereich oder einer anderen Anstalt auf der Station habe untergebracht werden müssen. In solchen, immer wieder einmal auftretenden Fällen, die allerdings aufgrund des Zeitablaufs nicht namentlich benannt werden könnten, sei es unter Umgehung der Warteliste immer möglich gewesen, solchen Gefangenen kurzfristig einen Einzelhaftraumplatz zuzuweisen.

19

Wenn der Kläger seinerzeit eine förmliche Beschwerde eingelegt oder vorläufigen Rechtsschutz beantragt, also gerichtlich das Recht erkämpft hätte, einen Einzelhaftraum zugewiesen zu bekommen, wäre der Ausnahmekatalog zur Umgehung der Warteliste um den Punkt "richterliche Anordnung" erweitert worden. Der Kläger wäre in diesem Falle zu Lasten der übrigen Gefangenen auf Platz 1 der Warteliste gesetzt worden und hätte dann kurzfristig den frei werdenden Einzelhaftraumplatz zugewiesen bekommen. Welcher konkrete Haftplatz dies dann genau gewesen wäre, könne heute mangels Datenerfassung der Liste mit den Warteplätzen, die natürlich ständig mit der Gefangenbewegung in der Anstalt aktualisiert werden müsse, nicht mehr gesagt werden. Jedenfalls wäre eine kurzfristige Verlegung möglich gewesen.

20

In Ausnahmefällen, z.B. auf ärztliche Anordnung, sei eine Zuweisung eines Einzelhaftraums bisher immer möglich gewesen. Sie wäre auch in der fraglichen Zeit möglich gewesen, auch wenn damals alle Einzelhafträume der Zugangsabteilung, auf der der Kläger damals untergebracht gewesen sei, belegt gewesen seien. So hätte z.B. ein in einem Einzelhaftraum untergebrachter Gefangener, mit weit fortgeschrittener Vollzugsplanung unter vorzeitiger Zuweisung von Arbeit oder unter vorzeitiger Feststellung eines nur geringen internen Gefährdungsgrades in einen anderen, nach innen offenen Bereich der Anstalt verlegt werden können. Eine solche Verlegung werde von den Gefangenen oftmals gerne wahrgenommen, auch wenn damit eine Unterbringung in Gemeinschaft verbunden sei. Auf einer intern geöffneten Abteilung seien die Hafträume während des Tages weitgehend geöffnet und die Gefangenen könnten sich innerhalb dieser Abteilung frei bewegen. Dieser Vorteil hebe in den Augen vieler Gefangener den Nachteil der gemeinschaftlichen Haftraumunterbringung weitgehend auf.

21

Darüber hinaus bestehe grundsätzlich im Einzelfall die Möglichkeit, einen Gefangenen in eine andere JVA des Landes oder in eine Anstalt nach Hamburg oder Mecklenburg-Vorpommern gegen Zahlung der Haftkosten zu verlegen. Ob auf diese Weise seinerzeit ein Einzelhaftraum für den Kläger hätte beschafft werden können, könne heute nicht gesagt werden.

22

Der Senat hat den Kläger persönlich angehört und Beweis durch Vernehmung der Zeugen M und B erhoben. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Sitzungen vom 09.10.2007 (Bl. 193 f d. A.) und 27.05.2008 (Bl. 234 – 239 d. A.) und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 144 – 148 d. A.) sowie die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

23

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache zum überwiegenden Teil Erfolg. Der Kläger hat gemäß § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG gegen das beklagte Land einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung wegen menschenunwürdiger Unterbringung (zu einem solchen Anspruch vgl. grundsätzlich BGH NJW 2006, 306; 2005, 58; OLG Karlsruhe NJW-RR 2005, 1267).

24

Eine menschenunwürdige Unterbringung ist im vorliegenden Fall allerdings  nicht schon allein deshalb zu bejahen, weil der Kläger überhaupt in einem Gemeinschaftshaftraum untergebracht wurde. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG sind Strafgefangene während der Ruhezeit zwar grundsätzlich allein unterzubringen. Eine Verletzung dieser Vorschrift kann jedoch ohne Hinzutreten erschwerender, den Gefangenen benachteiligender Umstände noch nicht als Verstoß gegen die Menschenwürde angesehen werden (BGH NJW 2006, 3572).

25

Im Übrigen waren hier nach dem Vortrag des beklagten Landes (Bl. 34 f, 87 d. A.) die Voraussetzungen des § 201 Nr. 3 StVollzG gegeben (zur Anwendbarkeit des § 201 Nr. 3 StVollzG in Fällen der vorliegenden Art vgl. BGH NJW 2006, 306). Danach dürfen Gefangene in einer JVA, mit deren Errichtung vor dem 01.01.1977 begonnen wurde, während der Ruhezeiten gemeinsam untergebracht werden, solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern.

26

Die Unterbringung des Klägers war in der fraglichen Zeit jedoch wegen der besonderen Verhältnisse in dem konkret betroffenen Haftraum menschenunwürdig. Der Kläger war gemeinsam mit einem anderen Häftling in einem Haftraum untergebracht, der nur knapp 7,5 qm groß war und über 21,97 cbm Rauminhalt verfügte (zur Menschenunwürdigkeit vergleichbarer Räume auch BVerfG NJW 2002, 2699; LG Braunschweig NStZ 1984, 286). Der unter Berücksichtigung der Möblierung noch verbleibende freie Raum ließ eine ungestörte Bewegungsfreiheit zweier Personen nicht mehr zu. Die Mitgefangenen mussten sich zwangsläufig "ins Gehege" kommen. Der erzwungene hautnahe Kontakt mit einem Mitgefangenen kann zu einer erheblichen psychischen Belastung führen. Hinzu kam, dass die Toilette von der übrigen Zelle nicht räumlich abgetrennt war. Die mobile Schamwand bot nur einen Sichtschutz. Gegenseitige geruchliche und akustische Belästigungen blieben bestehen. Dem Bedürfnis eines Menschen, sich bei Verrichtung seiner körperlichen Bedürfnisse abzusondern, wurde nicht Rechnung getragen. Der zeitlich sehr begrenzte Aufschluss war nicht geeignet, diese Nachteile auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Der Kläger hat während seiner Anhörung auch glaubhaft angegeben, dass ihn die Situation belastet habe. Er könne nicht auf Dauer auf so engem Raum mit einem Mann zusammenleben.

27

Das beklagte Land hat die Menschenwürde des Klägers auch schuldhaft verletzt. Die Verantwortlichen hätten erkennen könne, dass die Umstände der Unterbringung des Klägers menschenunwürdig waren. Sie hätten eine menschenunwürdige Unterbringung auch vermeiden können. Der JVA Lübeck standen zwar keine ausreichenden Haftplätze zur Verfügung, um jeden Gefangenen, der dies wünschte, in einem Einzelhaftraum unterbringen zu können. Das allein vermag das beklagte Land aber nicht zu entlasten. Es ist zumindest der Vorwurf eines Organisationsverschuldens gerechtfertigt (zum Organisationsverschulden in solchen Fällen vgl. auch BGH NJW 2005, 58; OLG Karlsruhe NJW-RR 2005, 1267), weil offenkundig seit Jahren bekannt ist, dass keine ausreichenden Haftplätze zur Verfügung stehen und dieser Umstand dem beklagten Land hätte Veranlassung geben müssen, weitere Haftplätze zu schaffen, um seine Verpflichtung zur menschenwürdigen Unterbringung Gefangener erfüllen zu können.

28

Eine Haftung des beklagten Landes ist auch nicht nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.

29

§ 839 Abs. 3 BGB dürfte zwar grundsätzlich auch auf Entschädigungsansprüche wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen anwendbar sein (so auch OLG Naumburg OLGR 2006, 973; NStZ 2005, 295; OLG Celle NJW-RR 2004, 380; KG Berlin OLGR 2005, 813).

30

Voraussetzung für einen Haftungsausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB wäre aber, dass der Kläger es schuldhaft unterlassen hätte, seinen Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Daran fehlt es.

31

Der Kläger hätte gegen die vorübergehende Ablehnung seines Antrags vom 01.02.2005 auf Unterbringung in einem Einzelhaftraum zwar gemäß 109 Abs. 3 StVollzG in Verbindung mit dem Gefangenenbeschwerdegesetz des Landes Schleswig-Holstein vom 09.09.1977 (GVOBl. 1977, S. 333) Beschwerde einlegen und anschließend gemäß  § 109 Abs. 1 und 2 StVollzG einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen können, und das hat er versäumt.

32

Es lässt sich aber nicht feststellen, dass der Kläger die Beschwerde und den Antrag auf gerichtliche Entscheidung schuldhaft unterlassen hat. Es ist unstreitig, dass die JVA Lübeck in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht über ausreichende Einzelhafträume verfügte. Deshalb hatte die JVA dem Kläger auf seinen Verlegungsantrag vom 01.02.2005 lediglich in Aussicht gestellt, dass er in einem Einzelhaftraum untergebracht werden würde, wenn sich die Belegungssituation ändern und seine Unterbringung in einem Einzelhaftraum zulassen sollte. Unter diesen Umständen durfte der Kläger grundsätzlich davon ausgehen, dass er mit einem Rechtsmittel nicht mehr erreichen würde als bereits zugesagt, weil seine Unterbringung in einem Einzelhaftraum nach der Erklärung der JVA vorerst nicht möglich war. Auf die Richtigkeit dieser Erklärung durfte der Kläger grundsätzlich vertrauen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger konkreten Anlass zu der Annahme gehabt hätte, die Erklärung der JVA sei falsch – im Gegenteil. Der Eindruck einer fehlenden Abhilfemöglichkeit der JVA musste sich eher noch verstärken, als seine nach dem 01.02.2005 weiter mündlich vorgetragenen Beschwerden gegen die gemeinschaftliche Unterbringung nicht zu seiner Verlegung in einen Einzelhaftraum führten. Nach der Aussage des Zeugen M beschwerte sich der Kläger nach dem 01.02.2005 zumindest gegenüber einer JVA-Bediensteten – der Zeugin B – mündlich über die gemeinschaftliche Unterbringung. Der Senat hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln. Sie steht im Einklang mit der Bekundung der Zeugin B, sämtliche Häftlinge in den 10 – 20 doppelt belegten Einzelhafträumen hätte sich gegen die Doppelbelegung gewandt und immer wieder gefragt, ob sie nicht eine Einzelzelle bekommen könnten.

33

Bei dieser Sachlage kann es nicht als schuldhaft angesehen werden, dass der Kläger von der Einlegung eines förmlichen Rechtsmittels Abstand genommen hat.  

34

Im Übrigen ist es dem beklagten Land gemäß § 242 BGB auch versagt, sich darauf zu berufen, dass der Kläger seinen Schaden durch ein förmliches Rechtsmittel hätte abwenden können. Es stellt ein unzulässiges widersprüchliches Verhalten des beklagten Landes dar, zunächst gegenüber dem Kläger zu erklären, es stehe kein Einzelhaftraum für ihn zur Verfügung, und jetzt im Prozess geltend zu machen, im Falle einer förmlichen Beschwerde des Klägers hätte er in einen Einzelhaftraum verlegt werden können.

35

Der Entschädigungsanspruch des Klägers ist auch nicht nach § 254 BGB wegen eines Mitverschuldens des Klägers beschränkt oder gar ausgeschlossen.

36

Eine Anwendung des § 254 BGB setzt voraus, dass die vom Schädiger verletzte Pflicht den Zweck hatte, Schäden wie den eingetretenen zu verhindern (Palandt/Heinrichs, 66. Auflage, § 254 Rn. 13). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Das Verbot, Straftaten zu begehen, und die Wohlverhaltenspflicht im offenen Strafvollzug dienen nicht dem Zweck, menschenunwürdige Haftbedingungen zu verhindern.

37

Bei der Festlegung der Höhe der Entschädigung hat der Senat berücksichtigt, dass es sich bei der Entschädigung wegen Verletzung der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im eigentlichen Sinne nicht um ein Schmerzensgeld nach § 847 BGB a. F. (§ 253 Abs. 2 BGB n. F.) handelt, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht (BGH NJW 2005, 58). Die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund (BGH NJW 2005, 58).

38

Eine Verletzung der Menschenwürde fordert nicht in jedem Falle eine Wiedergutmachung durch Geldentschädigung (BGH NJW 2005, 58). Ein Anspruch auf Geldentschädigung steht unter dem weiteren Erfordernis, dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (OLG Karlsruhe NJW-RR 2005, 1267). Dies hängt - insoweit nicht anders als beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht, auch wenn die Erheblichkeitsschwelle bei Verletzungen der Menschenwürde generell niedriger anzusetzen ist - insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (OLG Karlsruhe NJW-RR 2005, 1267). Auch im Anwendungsbereich der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ist anerkannt, dass eine - eine Wiedergutmachung durch Geldersatz nach Art. 41 EMRK fordernde - unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK nur und erst vorliegt, wenn sie ein Mindestmaß an Schwere erreicht OLG Karlsruhe NJW-RR 2005, 1267). Ob eine solche dieses Mindestmaß überschreitende schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wie beispielsweise der Dauer der Behandlung, ihren physischen oder psychischen Folgen, Alter oder Gesundheitszustand des Opfers, somit insbesondere auch von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, hier also von der konkreten Ausgestaltung der Zelle, der Dauer der Unterbringung, der Intensität der Beeinträchtigung, die durch Freizeitprogramme oder Arbeitstätigkeit tagsüber gemildert, sowie durch zusätzliche Beeinträchtigungen (z. B. Nichtraucher in der Zelle eines Rauchers) verstärkt werden kann (OLG Karlsruhe NJW-RR 2005, 1267).

39

Nach den gesamten Umständen des vorliegenden Falles hält der Senat hier eine Entschädigung in Höhe von 3.000,00 Euro für erforderlich und angemessen. Der Eingriff in die Menschenwürde und das Persönlichkeitsrecht des Klägers wiegt schwer. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die objektiven Umstände der Unterbringung – wie die sehr geringe Zellengröße, der erzwungene enge Kontakt mit verschiedenen Mithäftlingen, die ungenügende Wahrung der Intimsphäre durch die nur mit einer mobilen Wand abgetrennten Toilette und die wochenlange Unterbringung des nicht rauchenden Klägers mit einem Raucher – den Kläger in der fraglichen Zeit stark belasteten. Der Senat ist aufgrund der Anhörung des Klägers und des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger die damalige Situation tatsächlich als stark belastend empfand. Dafür spricht nicht zuletzt, dass sich der Kläger mehrfach gegenüber seinem zeitweiligen Mithäftling – dem Zeugen M – und zumindest einer JVA-Bediensteten – der Zeugin B – über die gemeinschaftliche Unterbringung beklagte. Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der glaubhaften Aussage des Zeugen M. Unerheblich ist, ob sich der Kläger auch noch gegenüber anderen JVA-Bediensteten beschwerte. Einer Vernehmung der weiteren zu diesem Thema von den Parteien benannten Zeugen bedarf es daher nicht.

40

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der Kläger sehr stark darunter litt, dass der Zeuge M in dem gemeinsamen Haftraum rauchte. Nach den eigenen Angaben des Klägers führte dies bei ihm zu Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Das ist glaubhaft. Es ist allgemein bekannt, dass solche Folgen bei Nichtrauchern eintreten können, wenn sie sich auf engstem Raum gemeinsam mit aktiven Rauchern aufhalten müssen. Der Zeuge M hat auch bestätigt, dass der Kläger seinerzeit über Kopfschmerzen und Schlafstörungen geklagt habe.

41

Der Senat hat ferner berücksichtigt, dass der Kläger einen ganz erheblichen Zeitraum (ca. 4 1/2 Monate) menschenunwürdig – ca. 2 Monate mit einem Raucher – untergebracht war und dass die Belastungen durch die Unterbringung nur in ganz geringem Maße durch Aufschluss gemildert wurden. Andererseits war aber auch zu berücksichtigen, dass die belastende Unterbringung erkennbar nicht als gezielter Angriff auf die Menschenwürde des Klägers zu verstehen war, sondern als eine auch andere Häftlinge treffende Folge der Überbelegung der JVA. Das schließt einen schwerwiegenden Eingriff zwar nicht aus, beeinflusst aber das Maß der erforderlichen Genugtuung.

42

Nach Abwägung aller Umstände hält der Senat zur Wiedergutmachung der rechtswidrigen Beeinträchtigung des Klägers eine Geldentschädigung in Höhe von 3.000,00 Euro für erforderlich und angemessen.

43

Der Zinsanspruch folgt im zugesprochenen Umfang aus den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB.

44

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.

45

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die den Haftungsausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB betreffenden Fragen grundsätzliche Bedeutung haben.


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 89/05
vom
28. September 2006
in dem Prozesskostenhilfeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur amtspflichtwidrigen Verletzung der Menschenwürde und des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts bei der gemeinsamen Unterbringung von Strafgefangenen
in einem Haftraum.
BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - III ZB 89/05 - OLG Naumburg
LG Halle
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. September 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 5.250 €

Gründe:


I.


1
Der Antragsteller verbüßt seit dem 2. Juli 2001 Strafhaft. Vom 17. Dezember 2002 bis zum 29. Januar 2003 und vom 5. März 2003 bis zum 6. Mai 2003 war er zusammen mit einem anderen Gefangenen in einem Haftraum untergebracht. Das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Halle stellte durch Beschlüsse vom 3. September 2003 (30 StVK 1085/02 und 30 StVK 244/03) fest, dass die zu den vorgenannten Zeiten erfolgte gemeinschaftliche Unterbringung des Antragstellers mit einem anderen Gefangenen rechtswidrig war.

2
Der Antragsteller macht geltend, durch die gemeinschaftliche Unterbringung seien sein Persönlichkeitsrecht und seine Menschenwürde verletzt worden. Er begehrt von dem die Strafanstalt unterhaltenden Land ein "Schmerzensgeld" und hat beantragt, ihm für die beabsichtigte Klage auf Zahlung von 50 € je Tag der rechtswidrigen Unterbringung in einem gemeinschaftlichen Haftraum Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
3
Landgericht und Beschwerdegericht haben die Prozesskostenhilfe verweigert. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Prozesskostenhilfegesuch weiter.

II.


4
1. Die auch sonst in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Rechtsbeschwerde ist statthaft. Denn das Beschwerdegericht hat sie zugelassen (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO). Das war zwar nicht zulässig. Denn in dem Verfahren der Prozesskostenhilfe kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) sowie dem der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2003 - III ZB 7/03 - NJW-RR 2003, 1438). Solche stehen hier indes - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht inmitten; der Senat ist aber an die - rechtsfehlerhafte - Zulassung gebunden (vgl. Senatsbeschluss aaO).

5
2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht hat dem Antragsteller zu Recht die Prozesskostenhilfe verweigert, weil sein Rechtsverfolgungsbegehren keine Erfolgsaussicht hat (§ 114 Satz 1 ZPO).
6
Dem a) Antragsteller steht eine Entschädigung in Geld wegen amtspflichtwidriger Verletzung seiner Menschenwürde und seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 839 BGB i.V.m. Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 34 GG; vgl. Senatsurteil BGHZ 161, 33, 35 f) durch Bedienstete des Antragsgegners nicht zu. Denn eine solche Verletzung ist mit dem Beschwerdegericht zu verneinen; die Frage, ob der Verstoß gegen Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG eine Entschädigung in Geld gebietende Erheblichkeit erreichte (vgl. Senatsurteil aaO S. 36 ff; s. dazu ferner BVerfG, Beschluss vom 27. Dezember 2005 - 1 BvR 1359/05 - juris Rn. 14 ff), stellt sich im Streitfall nicht.
7
Aufgrund aa) der Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer vom 3. September 2003 steht zwar mit Bindungswirkung auch für den Amtshaftungsprozess (vgl. Senatsurteil aaO S. 34) fest, dass der Antragsteller vom 17. Dezember 2002 bis zum 29. Januar 2003 und vom 5. März 2003 bis zum 6. Mai 2003 rechtswidrig, nämlich unter Verstoß gegen seinen Anspruch auf Einzelunterbringung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG, mit einem anderen Gefangenen in einem Haftraum untergebracht war.
8
Strafvollstreckungskammer Der sind bei der Rechtswidrigkeitsfeststellung allerdings Rechtsfehler unterlaufen. Sie hat die Übergangsbestimmung des § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG, die abweichend von § 18 StVollzG bei bestehenden Anstalten die gemeinsame Unterbringung von Gefangenen unter gewissen Voraussetzungen erlaubt, nicht angewandt; der Gebäudekomplex, in dem der Antragsteller untergebracht gewesen sei, könne wegen grundlegender Umgestaltung nach 1990 nicht mehr als Altbau im Sinne des § 201 Nr. 3 StVollzG eingestuft werden. Diese Auffassung geht indes fehl, wie der Bundesgerichtshof (BGHSt 50, 234, 241 ff) inzwischen - gerade bezüglich der Justizvollzugsanstalt , in der der Antragsteller untergebracht war - entschieden hat: Bei einem nach Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes umgebauten Einzelbauwerk einer aus mehreren Bauwerken bestehenden - wie der hier vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes erbauten - Justizvollzugsanstalt ist im Rahmen des § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG auf den Gesamtzustand der Justizvollzugsanstalt abzustellen mit der Folge, dass eine gemeinsame Unterbringung von Gefangenen nicht ohne weiteres rechtswidrig ist.
9
Der rechtliche Fehler ändert zwar nichts an der Bindungswirkung der Rechtswidrigkeitsfeststellung durch die Strafvollstreckungskammer. Die - von der Strafvollstreckungskammer verkannte - Anwendbarkeit des § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG kann aber bei der Prüfung zu berücksichtigen sein, wie schwer der (festgestellte) Verstoß gegen § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG wiegt und ob den Bediensteten des Landes ein Verschulden vorzuwerfen ist.
10
bb) Ungeachtet dessen steht mit der bindend ausgesprochenen Feststellung eines Verstoßes gegen den Anspruch auf Einzelunterbringung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG noch nicht zugleich fest, dass die gemeinsame Unterbringung auch das Gebot, Strafgefangene menschenwürdig zu behandeln (Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 GG; s. ferner BVerfG aaO Rn. 15), verletzte. Die bloße gemeinsame Unterbringung entgegen § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG kann ohne Hinzutreten erschwerender, den Gefangenen benachteiligender Umstände nicht als Verstoß gegen die Menschenwürde angesehen werden (vgl. BGHSt aaO S. 239 f). Das Beschwerdegericht hat demnach zutreffend auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt und nach den konkreten Unterbringungsverhältnissen einen Verstoß gegen Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG verneint. Diese tatrichterliche Würdigung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren hinzunehmen. Hier kommt im Übrigen hinzu, dass der mit der Doppelbelegung verbundene Eingriff in die Privatsphäre des Antragstellers durch die Gestaltung des Vollzugs gemildert wurde (vgl. BGHSt aaO S. 240): Der Antragsteller befand sich in einer teil-gelockerten Station mit einem offenen Bereich von 13.00 bis 16.00 Uhr. Er wurde in der Küche eingesetzt, so dass er nicht die gesamte Zeit in der Zelle verbringen musste. Darüber hinaus hatte ihm die Anstalt ermöglicht, bei der Auswahl des mit ihm untergebrachten Strafgefangenen mitzuwirken.
11
cc) Es ist weiter von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht gesundheitliche Beeinträchtigungen als Folge der gemeinsamen Unterbringung nicht festzustellen vermocht hat. Die Rechtsbeschwerde zeigt diese Würdigung in Frage stellenden substantiierten Parteivortrag nicht auf. Soweit der Antragsteller geltend gemacht hat, aufgrund der (rechtswidrigen ) Unterbringungsbedingungen gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten zu haben (Platzangst, Schweißausbrüche usw.), hat er noch nicht einmal behauptet , derartige Beschwerden gegenüber der Anstaltsleitung geäußert zu haben. Erst recht ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller im fraglichen Zeitraum ärztlichen Rat gesucht haben oder gar ärztlich behandelt worden sein könnte. Bei dieser Sachlage bestünde im ordentlichen Klageverfahren keine hinreichende Grundlage für die - von dem Antragsteller beantragte - Einholung eines Sachverständigengutachtens, noch weniger Anlass dafür, ihn als Partei zu vernehmen (§§ 447, 448 ZPO).
12
b) Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat schließlich nicht deshalb Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO, weil die Entscheidung von der Beant- wortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhinge, die in das ordentliche Klageverfahren gehören. Aus der Tatsache, dass das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde - ohne Begründung - zugelassen hat, ergibt sich das nicht. Es geht im Streitfall um tatrichterliche Bewertungen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2005 - III ZR 33/05 - NJW 2006, 1289 f). Das Beschwerdegericht hat auf die "Umstände(n) dieses konkreten Einzelfalles" abgehoben. Grundsatzfragen stehen nach dem vorgenannten Senatsurteil und dem zitierten Beschluss des 5. Strafsenats nicht offen.
Schlick Streck Dörr
Galke Herrmann
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 28.04.2005 - 4 O 143/04 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 14.07.2005 - 4 W 15/05 -

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.