Umweltzone: Fahrverbote im Einzelfall angreifbar

bei uns veröffentlicht am31.12.2007

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Verweigerung der Umweltplakette / Feinstaubplakette - Rechtsberatung zum Verwaltungsrecht - Streifler und Kollegen Berlin Mitte

Von der Umweltzone betroffene Betriebe und Einzelpersonen können gegen abgelehnte Ausnahmegenehmigungen Rechtsmittel einlegen. Ggf. ist auch ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren anzustrengen. Einzelheiten zur Antragstellung für die Ausnahmegenehmigung finden Sie auf der Seite der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Berlin und dort unter http://www.berlin.de/sen/umwelt/luftqualitaet/de/luftreinhalteplan/download/Umweltzone_Broschuere.pdf.

Bedenken bestehen in verschiedensten Konstellationen im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit eines Fahrverbots. Nach der Entscheidung des Europäischen Parlaments vom 11. Dezember 2007 wurden die bisherigen Fristen zur Einhaltung der Feinstaubgrenzwerte deutlich verlängert bis 2011. Damit ist jedoch ein Entscheidungsspielraum eröffnet, der durch angemessene Übergangsregelungen eine verfassungskonforme Auslegung zuläßt. Bitte beachten Sie die Rechtsmittelfristen.

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Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 408/17
vom
21. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:210318U2STR408.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. März 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube, Schmidt,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 27. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel ist erfolgreich und führt zur Aufhebung des Urteils.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte wurde am 19. Mai 2016 von Polizeibeamten in seinem Pkw angetroffen. Im Fahrzeug fanden die Beamten 5,04 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 4,32 Gramm Kokainhydrochlorid sowie 94,56 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 11,44 Gramm THC, die der Angeklagte zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt hatte. Der Angeklagte trug – wie er es „immer“ tat – griffbereit an seinem Gürtel ein Messer mit einer fest- stehenden Klinge von 7,5 Zentimeter Länge. Die Waffe diente nach seiner Vorstellung dazu, sich und seine Drogengeschäfte zu sichern.
4
Am selben Tag lagerte der Angeklagte an verschiedenen Stellen im Schlaf- und Wohnzimmer seiner Wohnung sowie in dem von ihm genutzten Kellerraum diverse Betäubungsmittel in unterschiedlichen Mengen und Verpackungen , die er zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt hatte. Insgesamt handelte es sich um 13,86 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 11,89 Gramm Kokainhydrochlorid, 1.353 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffanteil von 197,32 Gramm Amphetaminbase, 3.178 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 390,28 Gramm THC, 1.857 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffanteil von 149,48 Gramm THC und 180 Ecstacy-Tabletten. Darüber hinaus befand sich im Wohnzimmer eine Dose mit 52,45 Gramm Amphetamin zum Eigengebrauch. Im Kleiderschrank des Schlafzimmers, in dem der Angeklagte fünf Beutel Amphetamin lagerte, befand sich eine Kunststoffbox mit 19 Messern.
5
2. Das Landgericht ist „mangels anderer konkreter Anhaltspunkte“ zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass die zum Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel jeweils aus denselben Mengen stammten und vom Angeklagten bei demselben Dealer gleichzeitig zum Zweck der sukzessiven Weiterveräußerung erworben worden seien. Es hat daher nur eine Tat des bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln angenommen.

II.

6
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, da die Annahme des Landgerichts, es liege nur eine Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vor, rechtlicher Nachprüfung nicht standhält. Auf die Verfahrensrüge kommt es daher nicht an.
7
1. Die Beweiswürdigung ist originäre Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Allein ihm obliegt es, die Ergebnisse der Hauptverhandlung festzustellen und abschließend zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen müssen nicht zwingend sein. Es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Das Revisionsgericht hat die Beweiswürdigung des Tatrichters selbst dann hinzunehmen, wenn eine anderweitige Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, juris Rn. 9; Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist , mit Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich so weit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (vgl.
BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 – 1 StR 360/16, BeckRS 2017, 104320; Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, NStZ 2013, 420, 421 mwN). Eine Lücke in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn sich das Tatgericht mit tatsächlich vorhandenen Anhaltspunkten für nahe liegende andere Möglichkeiten nicht auseinandergesetzt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 – 1 StR 385/16 mwN). Der vom Landgericht herangezogene Zweifelssatz greift erst nach abgeschlossener Beweiswürdigung ein und besagt nicht, dass das Tatgericht von der dem Angeklagten günstigsten Fallgestaltung auch dann ausgehen muss, wenn hierfür keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. September 2016 – 4 StR 320/16, NStZ-RR 2016, 380, 381 mwN).
8
2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen ist, dass die im Pkw, in der Wohnung und im Keller sichergestellten Drogen jeweils aus derselben Menge stammten und vom Angeklagten im Rahmen nur eines Ankaufsgeschäfts erworben worden, lücken- und damit rechtsfehlerhaft.
9
Entgegen der Auffassung der Strafkammer lagen konkrete Anhaltspunkte vor, die gegen diese Annahme sprachen und der Erörterung bedurft hätten. So hat das Landgericht nicht berücksichtigt, dass es sich um fünf verschiedene Arten Betäubungsmittel handelte, die an unterschiedlichen Orten und in verschiedenen Behältnissen und Mengen aufgefunden wurden. Dabei wiesen die räumlich und nach Verpackung getrennt aufbewahrten Mengen Amphetamin und Haschisch signifikant unterschiedliche Wirkstoffgehalte auf. Auch die Wirkstoffgehalte des aufgefundenen Marihuanas differierten voneinander, wenn auch nur geringfügig. Lediglich das im Fahrzeug aufgefundene Kokain und eine der drei im Kellerraum aufgefundenen Haschischplatten entsprachen im Wirkstoffgehalt dem in der Wohnung sichergestellten Kokain bzw. Haschisch. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei Berücksichtigung dieser Umstände zu der Überzeugung gelangt wäre, dass die Betäubungsmittel aus mindestens zwei unterschiedlichen Erwerbsvorgängen stammen.
10
3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet im Übrigen allein der Umstand, dass der Angeklagte aus mehreren selbständigen Einkäufen stammende Betäubungsmittel zeitgleich bei sich gelagert hat, keine Bewertungseinheit und wäre nicht geeignet, die selbständigen Taten des Handeltreibens zu Tateinheit zu verklammern (vgl. Senat, Beschluss vom 21. August 2012 – 2 StR 277/12, NStZ 2013, 48; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 316 mwN). Da nach den Feststellungen die Grenze zur nicht geringen Menge im Sinne des § 30a Abs. 1 BtMG nicht erst durch eine Zusammenfassung der Betäubungsmittelmengen, sondern bereits bei mehreren der sichergestellten Einzelmengen jeweils um ein Vielfaches überschritten war, hat sich die rechtsfehlerhafte Annahme (nur) einer Tat nur zugunsten und nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt.
11
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
12
a) Sollte sich dem neuen Tatrichter der Sachverhalt zur objektiven Tatseite in seinen wesentlichen Elementen ebenso darstellen, wie er im angefochtenen Urteil festgestellt ist, und er dazu gelangen, dass mehrere selbständige Taten des unerlaubten Handeltreibens vorliegen, wird er für die Frage der Anwendung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auf weitere Fälle im Hinblick auf die zutreffenden Erwägungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts insbesonde- re zu berücksichtigen haben, dass der Angeklagte den Dolch „immer“trug, es sich bei den 19 im Schlafzimmer aufbewahrten Messern des Angeklagten nur zum Teil um Wurfmesser handelten und sich am „Walther-Einhandmesser“ Betäubungsmittelanhaftungen befanden.
13
b) Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Tatbestandsvariante des Besitzes von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) um einen Auffangtatbestand handelt, der nur zur Anwendung kommt, wenn andere Begehungsweisen nicht nachgewiesen werden können (BGH, Beschluss vom 6. September 1988 – 1 StR 466/88, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 3), wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte bezüglich der von ihm zum Eigenkonsum gekauften Betäubungsmittel wegen Erwerbs gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG strafbar gemacht hat.
14
c) Im Rahmen der neu zu treffenden Einziehungsentscheidung wird zu beachten sein, dass nach ständiger Rechtsprechung einzuziehende Gegenstände so genau angegeben werden müssen, dass bei allen Beteiligten und den Vollstreckungsorganen Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht. Bei der Einziehung von Betäubungsmitteln gehört dazu auch die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 1991 – 1 StR 719/91, BGHR BtMG § 33 Beziehungsgegenstand

2).

15
5. Einen durchgreifenden Rechtsfehler, der sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, enthält das angefochtene Urteil nicht (§ 301 StPO). Soweit die Strafkammer einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG, nicht aber nach § 29a Abs. 2 BtMG angenommen und von einem Strafrahmen von einem Jahr bis fünfzehn Jahren ausgegangen ist, entspricht dies zwar nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 – 3 StR349/02, NJW 2003, 1679, 1680; Beschluss vom 1. April 2009 – 1 StR 79/09, NStZ-RR 2009, 214; Beschluss vom 25. Mai 2010 - 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, 99). Im Hinblick auf die von der Strafkammer angestellten Strafzumessungserwägungen schließt der Senat aber aus, dass diese auf eine niedri- gere Freiheitsstrafe erkannt hätte, wenn sie von einer Strafobergrenze von zehn statt fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen wäre.
Schäfer RiBGH Dr. Eschelbach Zeng befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer Grube Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 236/15
vom
24. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:240718B3STR236.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1.b) und c) sowie zu 2. auf dessen Antrag - am 24. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 24. Juli 2014
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in sechs tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in drei Fällen sowie des versuchten gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einziehung des sichergestellten Betäubungsmittels dahin neu gefasst, dass 518,95 g Heroingemisch eingezogen werden;
c) im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Einziehung des Pkw Audi A 6 mit dem amtlichen Kennzeichen nebst Kfz-Zulassungsbescheinigungen Teil I und II aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen sowie des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in vier Fällen, davon in einem Fall im Versuch" schuldig gesprochen und deshalb eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten gegen ihn verhängt. Daneben hat es sichergestellte Betäubungsmittel, Mobiltelefone und ein Fahrzeug des Angeklagten eingezogen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen sowie die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.

II.

3
1. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch in den Fällen 9. bis 12. (drei Mal gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern und einmal versuchtes gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern) sowie im Fall 13. der Urteilsgründe (Handeltrei- ben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4
2. In den Fällen 3. bis 8. der Urteilsgründe bedarf der Schuldspruch hingegen der Änderung. Hierzu gilt:
5
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte in sechs Fällen von derselben Person jeweils mindestens 100 g Kokain mit einem Reinheitsgehalt von mindestens 30 %, um dieses gewinnbringend weiter zu veräußern. Er fuhr deswegen zwischen Mitte August 2011 und Mitte Mai2012 insgesamt sechs Mal nach vorheriger telefonischer Absprache mit dem Lieferanten in seinem Auto nach Bremen, erwarb dort das Rauschgift "auf Kommission" und bezahlte es jeweils nach gewinnbringendem Weiterverkauf bei Abholung der neuen, zuvor bestellten Betäubungsmittelmenge. Auf welche Weise das Entgelt für die sechste Betäubungsmittelmenge entrichtet wurde, hat die Strafkammer nicht festgestellt.
6
Das Landgericht hat dieses Geschehen ohne weitere Erörterungen als sechs rechtlich selbständige Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge abgeurteilt.
7
b) Diese konkurrenzrechtliche Beurteilung erweist sich als nicht rechtsfehlerfrei.
8
Der Senat hat - nach Anfrage bei den übrigen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG) - dem Großen Senat für Strafsachen die Frage zu Entscheidung vorgelegt, ob das sowohl dem Transport des Kaufgeldes als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten oder die Bezahlung einer zuvor "auf Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiellrechtlichen Sinne verbindet (vgl. im Einzelnen den Vorlagebeschluss vom 15. November 2016 - 3 StR 236/15, juris). Der Große Senat hat mit Beschluss vom 10. Juli 2017 (GSSt 4/17) wie folgt entschieden: "Das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb einer früheren als auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten verbindet als natürliche Handlung die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiellrechtlichen Sinne. Im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung verbindet die Bezahlung einer zuvor 'auf Kommission' erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit."
9
Danach war hier, weil der Angeklagte ab der zweiten Fahrt seinen Lieferanten jeweils aufsuchte, um zuvor erhaltene Betäubungsmittel zu bezahlen und eine neue Menge abzuholen, von einer einheitlichen Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auszugehen. Es liegt insoweit freilich keine Bewertungseinheit vor, sondern eine Tat in sechs rechtlich zusammentreffenden Fällen; die teilidentische Ausführungshandlung begründet jeweils gleichartige Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16, NStZ-RR 2017, 218).
10
3. In den Fällen 3. bis 8. der Urteilsgründe bedingt schon die Änderung des Schuldspruchs die Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen und damit auch des Gesamtstrafenausspruchs. Der Strafausspruch - und in der Folge die Einziehungsentscheidung betreffend den Pkw Audi A 6 - hat aber auch darüber hinausgehend keinen Bestand; die Einziehungsentscheidung betreffend die sichergestellten Betäubungsmittel bedarf der Konkretisierung. Der Generalbundesanwalt hat insoweit in seiner Antragsschrift ausgeführt: "a) Das Landgericht hat die Einziehung des in den Fällen 7 und 8 der Anklage verwendeten und dem Angeklagten A. gehörenden Fahrzeugs Audi A 6 mit dem amtlichen Kennzeichen (UA S. 6) rechtlich zutreffend auf § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB gestützt. Es hat indes nicht bedacht, dass eine Maßnahme nach dieser Vorschrift den Charakter einer Nebenstrafe hat und damit eine Strafzumessungsentscheidung darstellt. Wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unbeträchtlichem Wert entzogen , ist dies als bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (st. Rspr.; Senat, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 3 StR 137/14 und Beschluss vom 2. April 2015 - 3 StR 53/15, jeweils mwN). Eine solche Gesamtbetrachtung hat das Landgericht nicht vorgenommen; zu dem Wert des Pkw hat es keine Feststellungen getroffen. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei Beachtung der oben dargelegten Grundsätze die von dem Angeklagten verwirkte Freiheitsstrafe milder bemessen hätte.
b) Der Wegfall des Strafausspruchs führt auch zur Aufhebung der an sich rechtsfehlerfreien Einziehungsentscheidung über den PKW, denn diese steht mit der Bemessung der Strafe wie beschrieben in einem untrennbaren inneren Zusammenhang (vgl. BGH aaO mwN). Im Übrigen ist der Ausspruch über die Einziehung des Heroingemischs um Angaben zu dessen genauer Beschaffenheit und Menge zu ergänzen; die Bezugnahme auf ein Asservatenverzeichnis oder andere Aktenfundstellen genügt insoweit nicht; der Senat kann den Tenor entsprechend den Feststellungen (UA S. 25 f.) ergänzen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 5. November 2014 - 2 StR 418/14 mwN). Die Bezeichnung der übrigen Gegenstände ist dagegen noch hinreichend bestimmt und die Bezugnahme auf das Asservatenverzeichnis daher insoweit unschädlich.
c) Die den aufgehobenen Aussprüchen jeweils zu Grunde liegenden Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben."
11
Dem schließt sich der Senat an und bemerkt ergänzend, dass neue Feststellungen getroffen werden können, wenn und soweit sie den bisherigen nicht widersprechen. Zum Wert des Pkw Audi A 6 erscheinen weitere Feststellungen zudem geboten.
Becker Gericke Tiemann Berg Hoch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 4/17
vom
10. Juli 2017
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb einer früheren als
auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen
des Lieferanten verbindet als natürliche Handlung die beiden Umsatzgeschäfte
zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinne.
Im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung verbindet die Bezahlung einer
zuvor "auf Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der
Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte
zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit.
BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17 – LG Stade
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100717BGSST4.17.0

Der Große Senat für Strafsachen hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Prof. Dr. Jäger und Dr. Schäfer, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider sowie die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach und Gericke am 10. Juli 2017 beschlossen:
Das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb einer früheren als auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten verbindet als natürliche Handlung die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinne. Im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung verbindet die Bezahlung einer zuvor "auf Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit.

Gründe:


I.


1
Die Vorlage betrifft die konkurrenzrechtliche Bewertung unterschiedlicher Modalitäten der Abwicklung von aufeinanderfolgenden Betäubungsmittelumsätzen , insbesondere dann, wenn die Bezahlung einer zunächst "auf Kommission" erworbenen Betäubungsmittelmenge im Zeitpunkt der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge noch nicht (vollständig) erledigt ist.
2
1. In einem beim 3. Strafsenat anhängigen Verfahren hat das Landgericht den Angeklagten unter anderem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen.
3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte in sechs Fällen von derselben Person jeweils mindestens 100 g Kokain mit einem Reinheitsgehalt von mindestens 30 %, um dieses gewinnbringend weiter zu veräußern und sich eine nicht unerhebliche Einnahmequelle von einiger Dauer zu verschaffen. Er fuhr deswegen zwischen Mitte August 2011 und Mitte Mai 2012 insgesamt sechs Mal nach vorheriger telefonischer Absprache mit dem Lieferanten in seinem Auto nach Bremen, erwarb dort das Rauschgift "auf Kommission" und bezahlte es jeweils nach gewinnbringendem Weiterverkauf bei Abholung der neuen, zuvor bestellten Betäubungsmittelmenge. Auf welche Weise das Entgelt für die sechste Betäubungsmittelmenge entrichtet wurde, hat die Strafkammer nicht festgestellt.
4
b) Das Landgericht hat dieses Geschehen ohne weitere Erörterungen als sechs rechtlich selbstständige Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge abgeurteilt. Nur insoweit ist die Verurteilung des Angeklagten , gegen die er sich insgesamt mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts wendet, Gegenstand des Vorlageverfahrens. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das angefochtene Urteil im Strafausspruch wegen unterlassener Berücksichtigung eines eingezogenen Kraftfahrzeugs bei der Strafzumessung aufzuheben (§ 349 Abs. 4 StPO) und die weiter gehende Revision des Angeklagten zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
5
2. Der 3. Strafsenat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten in diesen sechs Verurteilungsfällen zu verwerfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Er ist ebenso wie das Landgericht der Ansicht, dass sechs in Tatmehrheit zueinander stehende Verbrechen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gegeben seien. Sie würden weder durch das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten noch durch die Bezahlung der zuvor "auf Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge tateinheitlich miteinander verknüpft.
6
3. Der 3. Strafsenat sieht sich jedoch nach dem Ergebnis des gemäß § 132 Abs. 3 GVG durchgeführten Anfrageverfahrens daran gehindert, in diesem Sinne zu entscheiden.
7
a) Der 2. und der 4. Strafsenat haben mit Beschlüssen vom 31. Mai 2016 (2 ARs 403/15, NStZ-RR 2016, 313) und 1. September 2016 (4 ARs 21/15, NStZ-RR 2016, 373) mitgeteilt, dass sie an ihrer entgegenstehenden Rechtsprechung festhalten. Dabei hat der 2. Strafsenat seine Rechtsprechung – in der Sache dem 4. Strafsenat folgend – dahin präzisiert, dass in dem Aufsuchen des Lieferanten, das der Bezahlung der bereits früher erworbenen und der Abholung der weiteren Rauschgiftmenge diene, ein den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllendes Handlungselement liege, welches die Teilidentität der Ausführungshandlungen begründe. Es sei deshalb in sol- chen Fällen von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB auszugehen. Der 2. und der 4. Strafsenat sind der Auffassung, der eindeutige Wortlaut der Vorschrift lasse die Annahme von Tatmehrheit nicht zu. Dem Gewicht oder dem Unrechtsgehalt der jeweiligen Tathandlung komme bei der rechtlichen Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses keine Bedeutung zu.
8
b) Der 5. Strafsenat hat mit Beschluss vom 2. März 2016 (5 ARs 60/15) entschieden, dass seine Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats nicht entgegenstehe und er an eventuell früherer, abweichender Rechtsprechung aus den Gründen des Anfragebeschlusses nicht festhalte. Der 1. Strafsenat hat von einer Stellungnahme zu dem Anfragebeschluss abgesehen.

II.


9
1. Mit Beschluss vom 15. November 2016 (3 StR 236/15) hat der 3. Strafsenat die Sache gemäß § 132 Abs. 2 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt: Verbindet das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten oder die Bezahlung einer zuvor auf "Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiellrechtlichen Sinn?
10
2. Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen: Weder das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten noch die Bezahlung einer zuvor auf "Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge verbindet die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinn.

III.


11
Die Voraussetzungen einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG sind gegeben, da der 3. Strafsenat mit seiner beabsichtigten Entscheidung von Rechtsprechung des 2. und des 4. Strafsenats abweichen würde.

IV.


12
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich. Aus der Anwendung der Konkurrenzregel des § 52 Abs. 1 StGB auf den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ergibt sich danach Folgendes:
13
Aufeinanderfolgende, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehende Umsatzgeschäfte eines Betäubungsmittelhändlers werden im Sinne des § 52 StGB zu einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verbunden , wenn sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um die vorangegange- ne Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine weitere, zuvor bestellte Lieferung abzuholen, wenn also das Aufsuchen des Lieferanten zugleich beiden Umsatzgeschäften dient. Kommt es hingegen ohne eine vergleichbare teilidentische Ausführungshandlung zur Entgegennahme weiterer Betäubungsmittel lediglich aus Anlass der Bezahlung zuvor gelieferter Betäubungsmittel, handelt es sich um einen Fall der natürlichen Handlungseinheit.
14
Im Einzelnen:
15
1. Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt materiell-rechtlich Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt:
16
a) Den Begriff "dieselbe Handlung" in § 52 Abs. 1 StGB definiert das Gesetz nicht ausdrücklich. Nach allgemeiner Auffassung wird der Handlungsbegriff in den §§ 52 Abs. 1 ff. StGB vorausgesetzt (MüKo-StGB/von HeintschelHeinegg , 3. Aufl., Vorbemerkung zu § 52 Rn. 8). Da die sachlich-rechtlichen Regelungen des § 52 StGB in erster Linie als Voraussetzung für ein funktionierendes Rechtsfolgensystem dienen, ist der Handlungsbegriff im Sinne der Konkurrenzlehre unabhängig vom jeweils erfüllten Tatbestand allgemein zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1997 – 2 StR 520/96, BGHSt 43, 252, 256; von Heintschel-Heinegg aaO, Rn. 12). Er knüpft an den Vollzug eines Verhaltens im natürlichen Sinne und damit letztlich an eine Körperbewegung an (SSW-StGB/Eschelbach, 3. Aufl., § 52 Rn. 31, 57). Die für die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB erforderliche Verknüpfung der Tatbestände hat der Bundesgerichtshof dabei allein in der Überlagerung der objektiven Ausführungshandlungen gesehen (BGH, Beschluss vom 11. November 1976 – 4 StR 266/76, BGHSt 27, 66, 67; vgl. dazu auch RG, Urteil vom 28. April 1899 – Rep. 1158/99, RGSt 32, 137, 138 f.). Einen darüber hinausgehenden "inneren Zusammenhang" hat der Bundesgerichtshof dagegen nicht gefordert (BGH aaO). Abzugrenzen ist eine derartige Überschneidung jedoch von einem Zusammenfallen zweier Tatbestände, bei dem der Täter den einen Tatbestand nur gelegentlich der anderen Tat verwirklicht (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. April 2004 – 1 StR 466/03, NStZ 2004, 694; Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 210/10, juris Rn. 16). An diesen bereits in der früheren Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof auch in der Folgezeit festgehalten (vgl. die Darstellung bei LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 9 ff., § 52 Rn. 6 ff; jeweils mwN). Eine Einschränkung der Annahme von Tateinheit ergibt sich auch nicht aus dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs formulierten Erfordernis der Identität in einem für beide Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1976 – 4 StR 266/76, BGHSt 27, 66, 67 unter Bezugnahme auf Geerds, Zur Lehre von den Konkurrenzen im Strafrecht, 1961, S. 277). Das Kriterium der Notwendigkeit bezieht sich insoweit lediglich auf die Tatbestandsverwirklichung in ihrer konkreten Form, mithin auf den konkreten Tatplan des Täters (BGH aaO).
17
b) Eine mehrfache Gesetzesverletzung durch eine Tat ist zunächst bei einer Handlung im natürlichen Sinne gegeben, also dann, wenn sich ein Willensentschluss in einem Ausführungsakt erschöpft (sog. natürliche Handlung; vgl. LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 9, § 52 Rn. 6; jeweils mwN). Darüber hinaus kann von einer Tat im Rechtssinne auszugehen sein, wenn mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer Handlungseinheit zusammengefasst werden. Das ist der Fall, wenn zwischen mehreren menschlichen, strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen ein solcher unmittelbarer Zusammenhang besteht, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrach- tungsweise (objektiv) auch für einen Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellt und die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (sog. natürliche Handlungseinheit ; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. März 1953 – 2 StR 801/52, BGHSt 4, 219, 220, vom 21. September 2000 – 4 StR 284/00, BGHSt 46, 146, 153, und vom 29. März 2012 – 3 StR 422/11, NStZ 2012, 525). Eine weitere Fallgruppe stellt die sog. tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinne dar, die sich dadurch auszeichnet, dass mehrere natürliche Handlungen unter – unterschiedlichen – rechtlichen Aspekten zu einer Handlungseinheit zusammengefasst werden, wie dies etwa in Fällen der mehraktigen oder zusammengesetzten Delikte oder bei Dauerdelikten der Fall sein kann (LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 20 ff.). Wiederum darüber hinausgehend können auch der Sinn und Zweck der jeweils verletzten gesetzlichen Tatbestände, die im Wege der Auslegung zu ermitteln sind, zur Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit führen, die – anders als die natürliche Handlungseinheit – vorwiegend normativ bestimmt wird. Solche Handlungseinheiten werden etwa bei Delikten mit pauschalierenden Handlungsbeschreibungen wie z.B. den Organisationsdelikten der §§ 129 ff. StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 – 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 311 ff.) sowie in Fällen wiederholter oder fortlaufender Tatbestandsverwirklichungen (sog. tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinne; vgl. dazu LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 23 ff., 36 mwN) angenommen.
18
Der Sache nach stellt auch die sog. Bewertungseinheit eine tatbestandliche Zusammenfassung einer Mehrzahl natürlicher Handlungen zu einer Tat im Rechtssinne dar (vgl. LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 39 ff. mwN [Unterfall der tatbestandlichen Handlungseinheit i.w.S:]; anders MüKo-StGB/von Heintschel-Heinegg aaO, § 52 Rn. 39 mwN [Rechtsfigur sui generis]). Haupt- anwendungsfall der Bewertungseinheit ist das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (LK/Rissing-van Saan aaO, Rn. 39).
19
2. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256 mwN). Eine auf den gewinnorientierten Umsatz von Betäubungsmitteln ausgerichtete Tätigkeit ist auch darin zu sehen, dass sich der Täter zu einer Örtlichkeit begibt, an welcher er von seinem Lieferanten eine zuvor bestellte, zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte Betäubungsmittellieferung vereinbarungsgemäß übernehmen soll (BGH, Urteil vom 20. August 1991 – 1 StR 273/91, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28). Das Aufsuchen des Lieferanten zur Abholung einer bereits zuvor verabredeten Lieferung zur Weiterveräußerung vorgesehener Betäubungsmittel verwirklicht daher den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
20
Dem – weit auszulegenden (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 262) – Begriff des Handeltreibens mit Betäu- bungsmitteln unterfallen aber nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Weitergabe von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen. Tatbestandlich erfasst werden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge, ohne dass danach differenziert wird, ob der Handelnde auf Seiten des Abnehmers oder des Lieferanten tätig geworden ist (BGH, Beschluss vom 5. August 2014 – 3 StR 340/14, NStZ-RR 2015, 16; Urteile vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465; vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 162; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2002 – 2 StR 294/02, juris; vom 23. Mai 2007 – 2 StR 569/06, NStZ 2008, 42, 43; vom 27. Juni 2008 – 3 StR 212/08, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 7). So hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass auch die bloße Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer an den Lieferanten den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllt (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juli 1995 – 1 StR 189/95, StV 1995, 641; vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465; Beschlüsse vom 5. November 1991 – 1 StR 361/91, StV 1992, 161; vom 17. Mai 1996 – 5 StR 119/96, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 50).
21
3. Gemessen daran gilt in Bezug auf die Vorlegungsfrage das Folgende:
22
a) ln der Fallkonstellation des Ausgangsverfahrens liegt Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB vor.
23
aa) Bei aufeinanderfolgenden, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehenden Umsatzgeschäften liegt eine jedenfalls teilweise, Tateinheit begründende Überschneidung der objektiven Ausführungshandlungen darin, dass sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um einerseits die vorangegangene Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine neue, zuvor bestellte Lieferung abzuholen, also das Aufsuchen des Lieferanten als verbindendes Element gleichermaßen beiden Umsatzgeschäften dient. Damit sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer teilidentischen Ausführungshandlung und damit für die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB erfüllt.
24
bb) Entgegen der Auffassung des vorlegenden Senats ergeben sich – unterBerücksichtigung des Zwecks der §§ 52 ff. StGB, das verwirklichte Unrecht und die Schuld im Einzelfall sachgerecht zu erfassen – auch aus den Besonderheiten des weiten Tatbegriffs beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei dieser Fallgestaltung keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme von Tateinheit.
25
(1) Wie ausgeführt sind die Voraussetzungen von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB unabhängig von den im jeweiligen Einzelfall verwirklichten Tatbeständen zu bestimmen. Maßgebend ist insoweit allein, ob sich zwei oder mehrere Straftatbestände in ihren Ausführungshandlungen notwendig jedenfalls teilweise überschneiden. Ein darüber hinausgehendes sachlich-rechtliches Kriterium für eine einschränkende Auslegung der Voraussetzungen von Tateinheit ist § 52 Abs. 1 StGB nicht zu entnehmen (vgl. MüKo-StGB/von Heintschel-Heinegg aaO, Vor §§ 52 ff. Rn. 8).
26
(2) Die Auffassung, wonach eine teilidentische Ausführungshandlung im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG nur dann zu einer tateinheitlichen Verbindung zweier an sich unabhängiger, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehender Handelsgeschäfte führt, wenn sie für jedes dieser Geschäfte einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und Schuldgehalt aufweist und dadurch deren Unwert und die jeweilige Schuld des Täters zumindest mitprägt, was bei dem untergeordneten Teilakt der Fahrt zum Zwecke der Bezahlung eines bereits abgewickelten Betäubungsmittelgeschäfts nicht der Fall sei, findet im Gesetz keine Stütze. Sie beruht vielmehr allein auf einer einschränkenden, auf die jeweilige konkrete Fallgestaltung bezogenen Auslegung des Begriffs des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Damit steht sie zugleich im Widerspruch zu der vom Bundesgerichtshof in ständiger Recht- sprechung vorgenommenen weiten Auslegung des Begriffs des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, die ihren Ausdruck schon im Beschluss des Großen Senats vom 26. Oktober 2005 (GSSt 1/05, BGHSt 50, 252) gefunden hat und von der abzuweichen der Große Senat auch weiterhin keinen Anlass sieht.
27
(3) Auch als generelles Abgrenzungskriterium zwischen Tateinheit und Tatmehrheit ist die Ansicht, wonach eine teilidentische Ausführungshandlung beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nur dann zu einer tateinheitlichen Verbindung zweier Handelsgeschäfte führen kann, wenn sie für jedes dieser Geschäfte einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und Schuldgehalt aufweist , nicht tragfähig. Mag auch das eigentliche Umsatzgeschäft in Gestalt der Übergabe einer bestellten Betäubungsmittelmenge bereits abgewickelt sein, sind gleichwohl Fallgestaltungen denkbar, in denen die Fahrt des Täters zum Zwecke der Bezahlung des gelieferten Rauschgifts beim Lieferanten nicht lediglich als untergeordneter Teilakt zu bewerten ist. Denkbar ist dies etwa beim Transport hoher Geldsummen oder in Fällen, in denen der Täter die mit sich geführten Geldbeträge auf dem Transport gegen Dritte etwa mit (Waffen-)Gewalt "verteidigt" und dadurch das Handeltreiben gegebenenfalls zu einem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 StGB wird.
28
b) Kommt es im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung ohne eine für beide Umsatzgeschäfte teilidentische Ausführungshandlung zur Entgegennahme weiterer Betäubungsmittel aus Anlass der Bezahlung zuvor bereits "auf Kommission" gelieferter Betäubungsmittel, verbindet dies beide Handelsgeschäfte zu einer Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit.
29
aa) Beide strafrechtlichen Betätigungen sind jeweils für sich genommen Bestandteile zweier unterschiedlicher Umsatzgeschäfte im Sinne des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln; die Annahme einer (einzigen) Bewertungseinheit kommt danach regelmäßig nicht in Betracht. Jedoch stehen beide Betätigungsakte – ohne tatbestandliche Überschneidung in zumindest einem Teil der Ausführungshandlung, sondern aufeinander folgend – in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang. In objektiver Hinsicht erscheinen sie daher vor dem Hintergrund der zwischen den Beteiligten bestehenden Lieferbeziehung als ein einheitliches, zusammengehöriges Tun. In einer solchen Konstellation ist nicht lediglich von einem nur gelegentlichen Zusammentreffen zweier Tatbestände auszugehen.
30
bb) Auch das für die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit weiterhin erforderliche subjektive Element des einheitlichen Willens, von dem die einzelnen Betätigungsakte getragen sein müssen, ist in den Fällen der Bezahlung einer früheren und der Entgegennahme der Betäubungsmittel einer weiteren Lieferung regelmäßig gegeben. Zwar erfüllen beide Betätigungen als gesonderte Handlungen das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nur für die jeweilige Lieferung. Gemeinsame Grundlage ist aber auch hier regelmäßig der über die einzelnen Umsatzgeschäfte hinausreichende Wille von Lieferant und Abnehmer, im Rahmen einer über ein Einzelgeschäft hinausreichenden Lieferbeziehung nicht nur ein Umsatzgeschäft zu tätigen und insgesamt aus mehreren Rauschgiftgeschäften größtmöglichen Gewinn zu erzielen.
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(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 294/12
vom
6. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Betrugs u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 6. Dezember 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 16. Dezember 2011 dahingehend geändert, dass der Angeklagte des bandenmäßigen gewerbsmäßigen Betrugs schuldig ist und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt wird. Die weitergehende Revision des Angeklagten W. wird verworfen. 2. Die Revisionen der Angeklagten P. , R. S. , A. S. und D. werden verworfen. 3. Der Antrag des Angeklagten D. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils wird als unzulässig verworfen. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten D. gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils wird als unzulässig verworfen. 4. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: - den Angeklagten W. wegen Betrugs "im besonders schweren Fall" und bandenmäßigen gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten - den Angeklagten P. wegen Betrugs "im besonders schweren Fall" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten - den Angeklagten R. S. wegen bandenmäßigen gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren - den Angeklagten A. S. wegen bandenmäßigen gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten - den Angeklagten D. wegen leichtfertiger Geldwäsche zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen.
2
Die Revision des Angeklagten W. hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen sind die Rechtsmittel offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Die konkurrenzrechtliche Einordnung des Tatgeschehens bei dem Angeklagten W. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, denn die Bewertung als zwei tatmehrheitlich begangene Betrugstaten wird durch die Urteilsgründe nicht belegt. Nach den Feststellungen lag den Zahlungen der geschädigten Anleger durchgängig das von dem Angeklagten W. entwickelte betrügerische Konzept zugrunde, den Interessenten eine sichere, hoch- rentierliche Geldanlage zu versprechen, bei der die eingezahlten Beträge nur als Kapitalnachweis dienten und während der gesamten Investitionszeit nicht angetastet werden durften, während die Gelder tatsächlich zu der Finanzierung des Lebensunterhalts der Angeklagten, der Zahlung von Provisionen an die Anlagevermittler und zum gelegentlichen Ausgleich von Rendite- und Rückzahlungsforderungen der Altinvestoren bestimmt waren. Allein der Umstand, dass die Anlagegelder im Fallkomplex 1 auf einem Rechtsanwaltsanderkonto des Angeklagten P. gesammelt wurden, während sie im Fallkomplex 2 auf ein Treuhandkonto der R. - - AG mit Sitz in der Schweiz eingezahlt wurden, führt zu keiner eine Tatmehrheit (§ 53 StGB) begründenden Zäsur in dem ansonsten einheitlichen Geschehen, zumal die Anlagegelder dem Angeklagten W. weiterhin in vollem Umfang zur Verfügung standen.
4
Da weitergehende Feststellungen zum Konkurrenzverhältnis nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, da der Angeklagte W. sich gegen den Vorwurf nur einer (bandenmäßigen und gewerbsmäßigen) Betrugstat nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
5
2. Die Änderung des Schuldspruchs hat den Fortfall der vom Landgericht festgesetzten Einzelstrafen zur Folge. Der Senat kann jedoch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen lassen. Er schließt aus, dass das Landgericht allein aufgrund der geänderten Konkurrenzverhältnisse eine niedrigere Strafe verhängt hätte, weil eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses bei - wie hier - unverändertem Schuldumfang kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR344/03, BGHSt 49, 177, 184; Beschluss vom 9. März 2005 - 2 StR 544/02, NStZ-RR 2005, 199, 200).
6
3. Der Antrag des Angeklagten D. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung ist unzulässig, da er aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht glaubhaft gemacht hat, ohne eigenes Verschulden an der Einlegung der Kostenbeschwerde innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 Satz 1 StPO gehindert gewesen zu sein.
7
Die sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 Satz 1 StPO eingelegt und damit unzulässig.
8
4. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten W. von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen auch nur teilweise zu entlasten, § 473 Abs. 3 StPO.
Becker Schmitt Berger Eschelbach Ott

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR440/14
vom
14. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1. unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
zu 2. Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 14. Januar 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten H. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 6. Mai 2014, auch soweit es den Mitangeklagten M. betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass aa) der Angeklagte H. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen verurteilt ist; zwei Einzelstrafen von jeweils drei Jahren und sechs Monaten kommen in Wegfall, bb) der Angeklagte M. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in zwei Fällen verurteilt ist; zwei Einzelstrafen von jeweils drei Jahren kommen in Wegfall,
b) im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, dass gegen die Angeklagten H. und M. Verfall von Wertersatz in Höhe von 25.000 € als Gesamtschuldner und gegen den Angeklagten M. in Höhe von weiteren 25.000 € angeordnet wird.
2. Auf die Revision des Angeklagten N. wird das vorgenannte Urteil dahin geändert, dass dieser Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird; der Freispruch im Übrigen bleibt bestehen.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
4. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten N. hat es wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Das Landgericht hat ferner gegen den nicht revidierenden Mitangeklagten M. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen sowie wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in zwei Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten erkannt und gegen die Angeklagten H. und M. den Verfall von Wertersatz in Höhe von 50.000 € angeordnet. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten H. und N. mit ihren auf dieVerletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben – auch bezüglich des nicht revidierenden Mitangeklagten M. (§ 357 StPO) – in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung der Angeklagten H. und M. wegen drei tatmehrheitlich begangener Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter II.3. der Urteilsgründe kann keinen Bestand haben.
3
a) Zwar vermag der Besitz verschiedener von vornherein zu unterschiedlichem Handel bestimmter Betäubungsmittel, die niemals zu einem Depot verbunden worden sind, nicht bereits auf Grund zeitlicher Überschneidung eine Bewertungseinheit zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1996 – 5 StR 505/96, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 9). Das Landgericht hat aber bei der Bewertung der Konkurrenzverhältnisse nicht bedacht, dass nach den Feststellungen der Angeklagte M. , der beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln arbeitsteilig mit dem Angeklagten H. zusammenwirkte, am 26. September 2013 24 Druckverschlusstüten mit bereits vorbereiteten Portionen aus den (drei) vorherigen Einkaufsmengen an sich nahm, um sie zu Abnehmern zu bringen. Wegen der damit gegebenen Identität der tatbestandlichen Ausführungshandlungen beim Verkauf der Betäubungsmittel bestand somit zwischen den ersten drei Taten aus Juni, Juli und August 2013 richtigerweise Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2014 – 3 StR 413/14 Rn. 2; Beschluss vom 18. Februar 2010 – 4 StR 633/09, StraFo 2010, 348; Beschluss vom 25. März 1998 – 1 StR 80/98).
4
b) Dies führt zum Wegfall der Verurteilung in zwei der unter II.3. der Urteilsgründe festgestellten Fälle nebst den insoweit verhängten Einzelstrafen bei den Angeklagten H. und M. . Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da nicht ersichtlich ist, dass sich die Angeklagten wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
5
c) Trotz des Wegfalls der zwei Einzelstrafen für zwei der unter II.3. der Urteilsgründe geschilderten Taten haben die Gesamtfreiheitsstrafen Bestand. Denn die andere rechtliche Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses der Taten unter II.3. beeinflusst den materiellen Unrechts- und Schuldgehalt der Taten insgesamt nicht. Es ist daher auszuschließen, dass das Landgericht angesichts der verbleibenden Einzelstrafen niedrigere Gesamtfreiheitsstrafen bei den Angeklagten H. und M. verhängt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 1998 – 1 StR 80/98 mwN).
6
2. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 50.000 € bei den Angeklagten H. und M. hält rechtlicher Nachprüfung nicht uneingeschränkt stand.
7
Die Strafkammer hat insoweit festgestellt, dass der Mitangeklagte M. im Wesentlichen dafür zuständig war, die erworbenen Betäubungsmittel abzuholen , sie zu strecken und zu portionieren und sie an eine Vielzahl von Abnehmern zu verkaufen. Der Angeklagte H. erteilte ihm dabei Weisungen. Den erwirtschafteten Gewinn teilten beide. Danach hatten beide Mittäter die wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über die vom Angeklagten M. an den Angeklagten H. weitergegebenen Beträge; beide haften insoweit als Gesamtschuldner (BGH, Beschluss vom 25. September 2013 – 4 StR 351/13; Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 171/13 jeweils mwN). Der Senat hat die Entscheidungsformel entsprechend geändert.
8
3. Hinsichtlich des Angeklagten N. hält die Annahme von drei tatmehrheitlichen Fällen der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter II.3. der Urteilsgründe der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Wegen der Akzessorietät der Beihilfe ist trotz mehrfacher Beihilfehandlungen des Angeklagten N. nur eine Tat der Beihilfe im Rechtssinne zu der einheitlichen Tat der Angeklagten H. und M. gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2014 – 4 StR 377/14 Rn. 7 mwN; Beschluss vom 2. September 2008 – 5 StR 356/08, NStZ-RR 2008, 386).
9
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die vom Landgericht für angemessen erachtete Gesamtstrafe hat als Strafe für das einheitliche Delikt Bestand. Der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer bei Annahme von Tateinheit das Unrecht der Tat oder die Schuld des Angeklagten geringer bewertet hätte.
10
4. Der geringfügige Erfolg der Rechtsmittel gibt keinen Anlass, die Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und ihren Auslagen gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise zu entlasten.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 156/08
vom
30. Oktober 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja nur II. 5. der Gründe
Veröffentlichung: ja
Die Zulassungsbescheinigung Teil I (früher: Fahrzeugschein) ist auch hinsichtlich
der Identität des zum Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeugs eine öffentliche
Urkunde im Sinne des § 271 StGB.
BGH, Beschl. vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 156/08 - LG Wuppertal
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) mit dessen Zustimmung, zu 2.
auf dessen Antrag - am 30. Oktober 2008 gemäß § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,
Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 19. Dezember 2007 wird, soweit es ihn betrifft,
a) die Strafverfolgung auf die unter b) aa) genannten Vorwürfe beschränkt;
b) das vorgenannte Urteil aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Anstiftung zur Urkundenfälschung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten Hehlerei sowie zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung gegen Entgelt schuldig ist, bb) im gesamten Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten Hehlerei und Beihilfe zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung gegen Entgelt sowie wegen Hehlerei in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Beihilfe zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Nach den Feststellungen förderte der Angeklagte die grenzüberschreitende "Verschiebung" von zwei in Italien mit falschen italienischen Fahrzeugpapieren ausgestatteten Kraftfahrzeugen ("Fahrzeugdoubletten") durch Unterstützungshandlungen bei deren Zulassung in Deutschland (II. 1. und 4. der Urteilsgründe ).
3
a) Im Fall II. 1. der Urteilsgründe war ein PKW BMW 530 D, der - zumindest nach der Vorstellung des Angeklagten sowie des Mitangeklagten N. - durch Dritte in Italien gestohlen worden war, nach Einschlagen einer falschen, einem anderen Kraftfahrzeug zugehörigen Fahrzeug-Identifizierungsnummer und Fälschung der italienischen Fahrzeugpapiere als sog. "Fahrzeugdoublette" in Italien zugelassen und sodann nach Deutschland verbracht worden. Bei dem sich anschließenden Versuch, dieses Fahrzeug zum Zwecke des Weiterverkaufs durch den hierzu von einer italienischen Tätergruppe beauftragten Mitangeklagten N. in Deutschland zuzulassen, begleitete der Angeklagte diesen am 20. Februar 2007 zunächst bei einer Fahrt von Düsseldorf zum Kraftfahrtbundesamt nach Flensburg, um dort eine für die Zulassung erforderliche Bescheinigung abzuholen.
4
Darüber hinaus verschaffte er dem Mitangeklagten N. - wie auf der gemeinsamen Fahrt nach Flensburg vereinbart - drei falsche italienische Personalausweise zur weiteren Verwendung sowohl bei der Zulassung des PKW BMW 530 D als auch bei künftigen Taten zum Zwecke der gewinnbringenden Weiterveräußerung von anderweit rechtswidrig erlangten Kraftfahrzeugen, um für N. das Risiko einer Ergreifung zu verringern. Zur Beschaffung der Ausweispapiere gab der Angeklagte bei einem ihm bekannten Fälscher die Herstellung von drei - auf unterschiedliche Aliaspersonalien lautenden - Personalausweisen in Auftrag. Die von dem Fälscher zu einem Preis von 900 Euro auftragsgemäß hergestellten Ausweispapiere reichte er umgehend an den Mitangeklagten N. weiter, wofür er von diesem insgesamt 1.500 Euro verlangte.
5
Nachdem N. den PKW BMW 530 D am 21. Februar 2007 bei einer TÜV-Prüfstelle zur Erteilung der Betriebserlaubnis und zur Abgasuntersuchung vorgeführt hatte, scheiterte der Versuch, das Fahrzeug am 22. Februar 2007 unter Vorlage eines der gefälschten Personalausweise beim Straßenverkehrsamt in Düsseldorf zuzulassen; die Mitarbeiterin der Zulassungsstelle war misstrauisch geworden und hatte die Polizei informiert.
6
b) Ende März/Anfang April 2007 verwendete N. eine Kopie eines der drei ihm vom Angeklagten überlassenen falschen Personalausweise, als er einen PKW Mercedes E-Klasse bei einer Düsseldorfer Autovermietung in betrü- gerischer Absicht anmietete. Anschließend wurde das Fahrzeug nach Italien verbracht und dort mit falscher - weil für ein anderes Fahrzeug ausgegebener - Fahrzeug-Identifizierungsnummer, falschen italienischen Fahrzeugpapieren und falschen italienischen KfZ-Kennzeichen versehen als sogenannte "Fahrzeugdoublette" zum Verkehr zugelassen. Nach Rückführung des Fahrzeuges nach Deutschland sowie nach dessen Vorführung bei einer TÜV-Prüfstelle zur Erteilung einer Betriebserlaubnis und zur Abgasuntersuchung versuchte der Mitangeklagte N. am 5. April 2007 erfolglos, es beim Straßenverkehrsamt Solingen zuzulassen. Hierbei legte er wiederum einen der drei gefälschten italienischen Personalausweise vor, die er vom Angeklagten erhalten hatte. Zur Zulassung des Fahrzeuges kam es erneut nicht (Fall II. 4. der Urteilsgründe).
7
2. Das Landgericht hat die Beschaffung und Übergabe der unechten Personalausweise durch den Angeklagten an den Mitangeklagten N. hinsichtlich des PKW BMW 530 D als mittäterschaftliche Urkundenfälschung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten Hehlerei sowie zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung gegen Entgelt bewertet. Bezüglich des PKW Mercedes E-Klasse hat es den Tatbeitrag des Angeklagten rechtlich als - zu den Taten betreffend den PKW BMW in Tatmehrheit stehend - täterschaftliche Hehlerei in Tateinheit mit mittäterschaftlicher Urkundenfälschung und Beihilfe zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung eingestuft.

II.


8
Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist der Angeklagte - nach Ausscheidung des Tatvorwurfs der Beihilfe zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung gegen Entgelt im Fall II. 1. der Urteilsgründe (Komplex PKW BMW 530 D) gemäß § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO - der Anstiftung zur Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 1. Alt., § 26 StGB) in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten Hehlerei (§ 259 Abs. 1, §§ 22, 27 Abs. 1 StGB) sowie zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung gegen Entgelt (§ 271 Abs. 1 und 3, §§ 22, 27 Abs. 1 StGB) schuldig. Im Einzelnen :
9
1. Dadurch, dass der Angeklagte unter Übergabe dreier Passfotos an den Fälscher die Herstellung von falschen Ausweispapieren für den Mitangeklagten N. in Auftrag gab, hat er sich nicht der mittäterschaftlichen Urkundenfälschung , sondern der Anstiftung zur Urkundenfälschung schuldig gemacht. Durch die Verdingung des Fälschers, gegen Bezahlung drei falsche Ausweispapiere herzustellen, bestimmte der Angeklagte diesen zu dessen Tat nach § 267 Abs. 1 1. Alt. StGB, über die nicht er, sondern allein der Fälscher Tatherrschaft hatte (vgl. BGH StV 2008, 188, 189). Gegen die Annahme eigener Tatherrschaft des Angeklagten spricht insbesondere, dass er auf die exakte Tatzeit, den Tatort sowie die Art und Weise der Erstellung der Personalausweise , d. h. unter Verwendung von Blankovordrucken oder durch Verfälschung gestohlener Ausweise, keinen Einfluss hatte.
10
2. Indem der Angeklagte die in Auftrag gegebenen, aus Blankovordrucken neu erstellten italienischen Personalausweise an sich nahm und an den Mitangeklagten N. zur weiteren Verwendung übergab, leistete er diesem Beihilfe zu dem sich anschließenden zweifachen Gebrauch der unechten Urkunden zur Täuschung im Rechtsverkehr (§ 267 Abs. 1 3. Alt., § 27 Abs. 1 StGB). Denn durch Vorlage der falschen Personalausweise bei den Zulassungsstellen in Düsseldorf und Solingen wollte N. - um sich dem Risiko einer Strafverfolgung zu entziehen - über seine Identität täuschen (vgl. BGHSt 33, 159, 160 f.). Dabei hat der Angeklagte ihn durch Beschaffung und Übergabe der falschen Ausweise unterstützt.
11
Diese Beihilfe zur zweifachen Urkundenfälschung (in der Alternative des Gebrauchens) geht indes in der Anstiftung zur Urkundenfälschung (in der Alternative des Herstellens) auf, da beide Teilnahmehandlungen eine deliktische Einheit darstellen, in der die schwerwiegendere Anstiftung der Beihilfe vorgeht (so auch Gribbohm in LK 11. Aufl. § 267 Rdn. 291 aE). Diese für die täterschaftlich begangenen Alternativen des Herstellens und Gebrauchens einer unechten Urkunde anerkannte tatbestandliche Handlungseinheit, in denen der Gebrauch der Urkunde dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht (vgl. BGHSt 5, 291, 293; BGH GA 1955, 245, 246; Erb in MünchKomm-StGB § 267 Rdn. 217; Gribbohm aaO Rdn. 288; Cramer /Heine in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 267 Rdn. 79, 79 b; aA Hoyer in SK-StGB § 267 Rdn. 114), gilt auch für die Teilnahme an den verschiedenen Tatvarianten der Urkundenfälschung (vgl. Erb aaO Rdn. 219; Cramer/Heine aaO Rdn. 80; Gribbohm aaO Rdn. 291 aE), und zwar selbst dann, wenn sich Anstiftung und Beihilfe jeweils auf Taten unterschiedlicher Haupttäter beziehen. Auch hier verbindet der Gesamtvorsatz des doppelten Teilnehmers, zur Fälschung der Urkunde gerade deshalb anzustiften, um einem anderen deren (mehrfachen) Gebrauch zu ermöglichen, dessen Teilnahmehandlungen zu einer einheitlichen Tat.
12
Die ebenfalls verwirklichten Tatbestände des Sich-Verschaffens (§ 276 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. StGB) und des Überlassens (§ 276 Abs. 1 Nr. 2 3. Alt. StGB) von falschen - auch ausländischen (BGH NJW 2000, 3148; BGHR StGB § 276 Konkurrenzen 1) - Ausweispapieren, die insgesamt nur einen einheitlichen Verstoß gegen § 276 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen (Erb aaO § 276 Rdn. 5; Gribbohm aaO § 276 Rdn. 22), treten, da sie typische Vorbereitungshandlungen zu dem - in der Anstiftung als deliktische Einheit aufgegangenen - nachfolgenden Urkundengebrauch darstellen, als mitbestrafte Vortaten zurück (BGHR StGB § 276 Konkurrenzen 1; Gribbohm aaO Rdn. 27; Erb aaO; Cramer/Heine aaO § 276 Rdn. 11; Hoyer aaO § 276 Rdn. 6).
13
3. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht in Bezug auf den PKW BMW 530 D (Fall II. 1. der Urteilsgründe) die Überlassung der unechten Personalausweise an den Mitangeklagten N. auch als Beihilfehandlung zu dessen versuchter Hehlerei in Form der Absatzhilfe an diesem Fahrzeug bewertet (§ 259 Abs. 1, §§ 22, 27 Abs. 1 StGB). Die Haupttat des N. hat es zu Recht nur als Versuch einer Hehlerei angesehen. Zwar kommt es bei der Hehlerei in Form der Absatzhilfe (für die italienischen Hintermänner, die als Zwischenhehler - vgl. BGH NStZ 1999, 351, 352 m. w. N. - ihrerseits über das Fahrzeug zu eigenen Zwecken verfügen konnten) auf einen Absatzerfolg des Hehlgutes nicht an (BGHSt 22, 206, 207; 26, 358; 27, 45). Das Landgericht konnte jedoch nicht ausschließen, dass die italienische Tätergruppe den PKW BMW 530 D im Einverständnis mit dessen Eigentümer erlangt hatte, weil dieser in betrügerischer Weise einen Versicherungsschaden geltend machen wollte. Damit hätte es an der rechtswidrigen Vortat im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB gefehlt.
14
4. Nicht zutreffend hat das Landgericht dagegen in Fall II. 4. der Urteilsgründe die Überlassung der unechten Ausweispapiere Ende Februar 2007 als täterschaftliche Hehlerei des Angeklagten in Form der Absatzhilfe bewertet. Der Mitangeklagte N. hat den PKW Mercedes erst Ende März/Anfang April 2007 betrügerisch erlangt. Bei diesem zeitlichen Ablauf kommt eine Hehlerei des Angeklagten durch die vorhergehende Überlassung der Personalausweise nicht in Betracht, weil der Hehlereitatbestand in sämtlichen Handlungsalternativen eine abgeschlossene Vortat voraussetzt. Tatbeiträge, die bereits erbracht werden, bevor das Hehlgut durch eine rechtswidrige Vortat erlangt ist, sich aber erst bei der Verwertung desselben auswirken, können allenfalls als Teilnahme an der Vortat oder als Beihilfe an einer etwaigen Hehlerei eines Dritten angesehen werden (vgl. BGHSt 13, 403, 405; BGH NStZ 1994, 486). Hier trifft keine der beiden Möglichkeiten zu. Insbesondere machte sich der Angeklagte bei der Überlassung der Ausweispapiere an den Mitangeklagten N. keine Gedanken über deren Verwendung bereits bei der rechtswidrigen Erlangung von Kraftfahrzeugen. Billigend in Kauf nahm er nur, dass N. die Ausweispapiere bei der gewinnbringenden Verwertung von zuvor gestohlenen Kraftfahrzeugen verwendete , so dass es für eine Teilnahme an der betrügerischen Erlangung des PKW Mercedes am Teilnahmevorsatz fehlt.
15
5. Näherer Erörterung bedarf die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung. Da der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Ahndung dieses Delikts gemäß § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommen hat, soweit dem Angeklagten die Unterstützung der versuchten Zulassung des PKW BMW 530 D am 22. Februar 2007 vorgeworfen worden ist, steht allein noch die vom Angeklagten durch Überlassung der falschen Ausweise geleistete Hilfe zu dem Versuch der Zulassung des PKW Mercedes E-Klasse am 5. April 2007 (Fall II. 4. der Urteilsgründe) in Rede; zu diesem Zeitpunkt richtete sich das Zulassungsverfahren nach der zum 1. März 2007 in Kraft getretenen Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr vom 25. April 2006 (Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV; BGBl I 988).
16
a) Das Landgericht hat die Bemühungen des Mitangeklagten N. , den PKW Mercedes am 5. April 2007 beim Straßenverkehrsamt Solingen zum deutschen Straßenverkehr zuzulassen, als Versuch einer mittelbaren Falschbeurkundung bewertet. Bei der Subsumtion des erfolglosen Zulassungsversuchs unter den Tatbestand der § 271 Abs. 1 und Abs. 4, § 22 StGB hat es, da die Fahrzeug-Identifizierungsnummer in den Fahrzeugpapieren selbst nicht dem öffentlichen Glauben unterliege (vgl. BGHSt 20, 186), entscheidend darauf abgestellt , ob der Mitangeklagte N. dazu angesetzt habe, falsch beglaubigen zu lassen, dass das in dem Kraftfahrzeugschein nach seinen der Verwaltungsbehörde erkennbaren Merkmalen beschriebene Fahrzeug das ist, das zum öffentlichen Verkehr zugelassen werden sollte. Insoweit sei die FahrzeugIdentifizierungsnummer ein wesentliches, das jeweilige Fahrzeug kennzeichnendes Merkmal (vgl. BGHR StGB § 271 Abs. 1 Beweiskraft 1). Indem N. dem Straßenverkehrsamt Solingen einen gefälschten italienischen "Kraftfahrzeugbrief" vorgelegt habe, dessen Fahrzeug-Identifizierungsnummer ein anderes Kraftfahrzeug betraf als das, das zugelassen werden sollte, habe er den Versuch einer mittelbaren Falschbeurkundung begangen. Hierzu habe der Angeklagte durch Überlassung der Ausweispapiere Beihilfe geleistet.
17
b) Diese rechtliche Würdigung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Überlassung der auf Falschpersonalien lautenden Ausweispapiere zur Verwendung bei der Zulassung eines italienischen "Doublettenfahrzeugs" in Deutschland stellt eine Beihilfe des Angeklagten zur versuchten mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1, §§ 22, 27 StGB) des Mitangeklagten N. dar. Bei der im Rahmen des Zulassungsverfahrens auszustellenden Zulassungsbescheinigung Teil I handelt es sich um eine Urkunde i. S. d. § 271 StGB, deren öffentlicher Glaube sich auch auf die Identität des zum Straßenverkehr zugelassenen Kraftfahrzeuges erstreckt.
18
Wegen der zum 1. März 2007 eingetretenen Änderung der rechtlichen Grundlagen des Zulassungsverfahrens bedarf es dabei keiner Entscheidung, ob die vom Landgericht in Bezug genommenen, auf der früheren Rechtslage zum Zulassungsverfahren nach §§ 23, 24 StVZO aF basierenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zur Frage, ob der Fahrzeugschein auch hinsichtlich der Identität des zugelassenen Fahrzeugs eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 271 StGB darstellt (BGHSt 20, 186, 188 einerseits sowie BGHR StGB § 271 Beweiskraft 1 andererseits), miteinander vereinbar sind (verneinend Puppe JZ 1997, 490, 496 f.). Vielmehr gilt:
19
aa) Die Zulassungsbescheinigung Teil I, die nach der zum 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen 38. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 24. September 2004 (BGBl I 2374) den Fahrzeugschein ersetzt hat, ist wie dieser eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 271 StGB, soweit sie den Zulassungsvorgang dokumentiert und ein wesentliches Legitimationspapier bei Verkehrskontrollen darstellt (Dauer in Hentschel, Straßenverkehrsrecht 39. Aufl. § 11 FZV Rdn. 2 und 5). Allerdings kann nicht jede in einer öffentlichen Urkunde enthaltene Angabe, die ein Außenstehender durch Täuschung des gutgläubigen Amtsträgers bewirkt, Gegenstand einer Straftat nach § 271 StGB sein. Strafbewehrt beurkundet im Sinne des § 271 StGB sind vielmehr nur diejenigen Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube, d. h. die "volle Beweiswirkung für und gegen jedermann" , erstreckt. Welche Angaben dies im Einzelnen sind, ist, wenn es an einer ausdrücklichen Vorschrift fehlt, den gesetzlichen Bestimmungen zu entnehmen, die für die Errichtung und den Zweck der Urkunde maßgeblich sind. Wesentliche Kriterien zur Bestimmung der Reichweite des öffentlichen Glaubens sind dabei - neben dem Beurkundungsinhalt als solchem - das Verfahren und die Umstände des Beurkundungsvorgangs sowie die Möglichkeit des die Bescheinigung ausstellenden Amtsträgers, die Richtigkeit des zu Beurkundenden zu überprüfen (BGHSt - GS - 22, 201, 203 f.; BGHSt 42, 131 f.; BGH NJW 1996, 470). Die den öffentlichen Glauben legitimierende erhöhte Beweiswirkung kann auf den eigenen Wahrnehmungsmöglichkeiten des die Urkunde ausstellenden Amtsträgers beruhen (BGH NJW 1996, 470), sie kann sich für den Urkunden- aussteller aber auch aus den im Verfahren vorzulegenden Bescheinigungen anderer öffentlicher Stellen mit erhöhter Richtigkeitsgewähr ergeben.
20
bb) Nach diesen Maßstäben umfasst der öffentliche Glaube der Zulassungsbescheinigung Teil I auch die Identität des zugelassenen Fahrzeugs. Der seit 1. März 2007 in Kraft befindliche § 6 Abs. 8 FZV schreibt in Umsetzung der EG-Richtlinie 1999/37/EG des Rates vom 29. April 1999 über Zulassungsdokumente für Fahrzeuge (ABl. EG Nr. L 138 S. 57) - erstmals - die Identifizierung des Fahrzeuges durch die Zulassungsbehörde im Rahmen der Zulassung vor. Wie die Identifizierung durchzuführen ist, entscheidet die Zulassungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. Entsprechend der amtlichen Begründung (VkBl 2006, 604) kann sie von der Identität des Fahrzeuges mit dem in der Zulassungsbescheinigung Teil II bezeichneten grundsätzlich ausgehen, wenn es sich um ein Neufahrzeug handelt, für das die Zulassungsbescheinigung Teil II durch den Hersteller zugeordnet oder wenn - wie hier - das Fahrzeug bereits einer Haupt- oder Sonderuntersuchung unterzogen wurde (Dauer aaO § 6 FZV Rdn. 10). Denn sowohl bei der Hauptuntersuchung (Anlage VIII a Nr. 4.10 zur StVZO, Verordnung vom 20. Mai 1998, BGBl I 1064, 1069; neu gefasst durch Verordnung vom 3. März 2006, BGBl I 485, 492) als auch bei der Abgasuntersuchung (Nr. 2.1 der Richtlinie für die Untersuchung der Abgase von Kraftfahrzeugen nach Nummer 4.8.2 Anlage VIII a StVZO - "AU-Richtlinie", VkBl 2006, 304) muss eine Identifizierung des Fahrzeuges durchgeführt werden. Nach Nr. 4.10 der Anlage VIII a zur StVZO ist dabei der Zustand der FahrzeugIdentifizierungsnummer und dessen Übereinstimmung mit den Fahrzeugdokumenten zu überprüfen, während nach der AU-Richtlinie bei der Fahrzeugidentifizierung als Identifizierungsangaben das amtliche Kennzeichen, die Emissionsschlüsselnummer /Emissionsklasse, der Fahrzeughersteller, Typ und Ausführung i. V. m. der Schlüsselnummer, die Kraftstoffart, der Stand des Wegstreckenzählers sowie die Fahrzeug-Identifizierungsnummer mit dem Fahrzeugdokument abzugleichen sind.
21
cc) Nach den Feststellungen hatte der Mitangeklagte N. den PKW Mercedes unmittelbar vor dessen am 5. April 2007 beantragter Zulassung bei einer TÜV-Prüfstelle zur Erteilung einer Betriebserlaubnis und zur Abgasuntersuchung vorgeführt. Nachdem damit die Identität des PKW am Tag vor dessen Zulassung im Rahmen der Abgasuntersuchung überprüft worden war und das Ergebnis dieser Überprüfung in der AU-Bescheinigung dem zuständigen - gemäß § 6 Abs. 8 FZV zur Identifizierung des Fahrzeuges verpflichteten - Amtsträger vorlag, konnte und wollte (vgl. BGH NJW 1996, 470) dieser zu öffentlichem Glauben beurkunden, dass die von dem Antragsteller angegebenen, in die Zulassungsbescheinigung Teil I aufzunehmenden Identifizierungsmerkmale, insbesondere die Fahrzeug-Identifizierungsnummer, sich auf das Kraftfahrzeug bezogen, das am Vortag einer Abgasuntersuchung unterzogen worden war und das nunmehr zum Straßenverkehr zugelassen werden sollte. Da die mitgeteilte Fahrzeug-Identifizierungsnummer jedoch ursprünglich einem anderen Fahrzeug zugeteilt worden war, zu dem das zugelassene Fahrzeug nur eine "Doublette" darstellte, wäre im Falle der erstrebten Zulassung in der Zulassungsbescheinigung Teil I mit öffentlicher Beweiswirkung ein dahingehend unrichtiger Sachverhalt dokumentiert worden, dass das zugelassene Fahrzeug mit dem in der Zulassungsbescheinigung unter anderem anhand der FahrzeugIdentifizierungsnummer beschriebenen identisch sei.
22
c) Da der Angeklagte die strafschärfende Bereicherungsabsicht des Mitangeklagten N. , dem die Zulassungen von Kraftfahrzeugen als Mittel zur Erlangung von Vermögensvorteilen dienen sollten (vgl. BGHSt 34, 299, 303), auch hinsichtlich der Zulassung etwaiger weiterer Fahrzeuge kannte, hat er als Gehilfe auch hinsichtlich des PKW Mercedes den Qualifikationstatbestand des § 271 Abs. 3 StGB erfüllt (Cramer/Heine aaO § 271 Rdn. 45; Gribbohm aaO § 271 Rdn. 109; Puppe in NK-StGB § 271 Rdn. 66; aA Hoyer in SK-StGB § 271 Rdn. 36: besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB). Einer dahingehenden Verschärfung des Schuldspruchs steht, auch wenn das Landgericht in dem Fall des PKW Mercedes nicht vom Qualifikationstatbestand der Entgeltlichkeit ausgegangen ist, das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) nicht entgegen (st. Rspr.; BGHSt 14, 5, 7; BGH NStZ 2006, 34, 35; StV 2008, 233, 234 sowie die Nachweise bei Kuckein in KK 6. Aufl. § 358 Rdn. 18).

III.


23
1. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Taten führen. Er ändert deshalb den Schuldspruch (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvor wurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

24
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Die Feststellungen zum Strafausspruch sind rechtsfehlerfrei getroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende weitere Feststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen , sind zulässig.
Becker Miebach Pfister
Sost-Scheible Schäfer