Steuertermine im Monat Oktober 2008

bei uns veröffentlicht am01.11.2008

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Rechtsanwalt für Steuerrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Im Monat Oktober 2008 sollten Sie folgende Steuertermine beachten:

Umsatzsteuerzahler (Monatszahler): Anmeldung und Zahlung von Umsatzsteuer – mittels
Barzahlung – bis Freitag, den 10. Oktober 2008 und – mittels Zahlung per Scheck – bis Dienstag, den 7. Oktober 2008.

Lohnsteuerzahler (Monatszahler): Anmeldung und Zahlung von Lohnsteuer – mittels Barzahlung – bis Freitag, den 10. Oktober 2008 und – mittels Zahlung per Scheck – bis Dienstag, den 7. Oktober 2008.

Bitte beachten Sie: Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung auf das Konto des Finanzamts endet am Montag, den 13. Oktober 2008. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Barzahlung und Zahlung per Scheck gilt!

 

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Referenzen

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.

(2) Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie

1.
die vereinbarte Beschaffenheit hat,
2.
sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und
3.
mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.
Zu der Beschaffenheit nach Satz 1 Nummer 1 gehören Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen vereinbart haben.

(3) Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie

1.
sich für die gewöhnliche Verwendung eignet,
2.
eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung
a)
der Art der Sache und
b)
der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden,
3.
der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und
4.
mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.
Zu der üblichen Beschaffenheit nach Satz 1 Nummer 2 gehören Menge, Qualität und sonstige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit. Der Verkäufer ist durch die in Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b genannten öffentlichen Äußerungen nicht gebunden, wenn er sie nicht kannte und auch nicht kennen konnte, wenn die Äußerung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in derselben oder in gleichwertiger Weise berichtigt war oder wenn die Äußerung die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.

(4) Soweit eine Montage durchzuführen ist, entspricht die Sache den Montageanforderungen, wenn die Montage

1.
sachgemäß durchgeführt worden ist oder
2.
zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.

(5) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache als die vertraglich geschuldete Sache liefert.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 17. Juni 2015 - 114 C 239/15 - und der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 15. September 2015 - 114 C 239/15 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes.

2. Das Urteil und der Beschluss werden aufgehoben.

3. Die Sache wird an das Amtsgericht Bonn zurückverwiesen.

4. Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Bonn.

I.

2

1. Die Beschwerdeführerin hatte gegen ihren früheren Ehemann vor dem Amtsgericht Bonn Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld erhoben. Sie warf ihm vor, sie bei der Übergabe der gemeinsamen Töchter zum Zwecke des Umgangs am 24. Dezember 2013 am Oberkörper gepackt und über eine Hecke geschleudert zu haben, wodurch sie zu Fall gekommen sei und an der rechten Hand eine Prellung sowie eine schmerzhafte Handgelenksdistorsion erlitten habe.

3

2. In der Klageschrift gab der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin als Beweismittel für den geschilderten Sachverhalt unter anderem die Töchter der Beschwerdeführerin an. Er nannte sie als Beweis für den Ort der Übergabe namentlich, das heißt mit den Worten "Beweis: Zeugnis N. A…, zu laden über die Antragstellerin, Y. A…, ebenda". Für die Uhrzeit der Übergabe verwies er auf den "Beweis: wie vor". Für den Anlass des tätlichen Angriffs führte er die Beweismittel "wie vor" und "Attest Dr. med. S…" an und für die konkrete Körperverletzungshandlung, also für die Tatsachen "Der Antragsteller kam hierdurch in Rage, packte die Antragstellerin am Oberkörper und schleuderte sie über die am Gehwegrand befindliche Hecke auf das Grundstück der Deutschen Welle", die Beweismittel "wie vor" und "Zeugnis eines im Bestreitensfall noch zu nennenden Passanten, der den Vorfall ebenfalls beobachtete". Für den weiteren Geschehensablauf verwies die Klageschrift dann gleichfalls auf den "Beweis: wie vor" und für die erlittene Verletzung auf die Beweise "Zeugnis N. A…, zu laden über die Antragstellerin, Y. A…, ebenda, Attest Dr. med. D…".

4

3. Mit Urteil vom 17. Juni 2015 wies das Amtsgericht Bonn die Klage ohne mündliche Verhandlung als unbegründet ab (114 C 239/15). Die Beschwerdeführerin habe für die von ihr behauptete Körperverletzung keinen tauglichen Beweis angeboten. In der Klageschrift heiße es hierzu "Zeugnis eines im Bestreitensfall noch zu benennenden Passanten, der den Vorfall ebenfalls beobachtete". Der Beklagte habe den Hergang des Vorfalls bestritten. Die Klägerseite habe hierzu Stellung genommen und kein taugliches Beweisangebot benannt. Der Wert des Verfahrens wurde auf 500 € festgesetzt. Die Berufung wurde nicht zugelassen.

5

4. Mit Schriftsatz vom 11. August 2015 erhob der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin eine Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO, mit der er insbesondere geltend machte, dass der anspruchsbegründende Sachverhalt in der Klagebegründung unter Benennung der Töchter der Beschwerdeführerin als Zeugen unter Beweis gestellt worden sei. Teilweise sei der Beweisantritt mit der üblichen und zulässigen Verwendung von "Beweis: wie vor" getätigt worden.

6

5. Mit Beschluss vom 15. September 2015 wies das Amtsgericht Bonn die Gehörsrüge als unbegründet zurück (114 C 239/15). Die maßgebliche behauptete Körperverletzung sei in der Klageschrift nicht unter ein taugliches Beweisangebot gestellt worden; die nachfolgenden Beweisangebote hätten sich ausdrücklich nur auf die Verletzungen, nicht aber auf den Hergang der Auseinandersetzung bezogen. Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 25. September 2015 zugestellt.

7

6. Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2015, im Original mit Anlagen eingegangen am 26. Oktober 2015, hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben.

II.

8

1. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG.

9

a) Ihre Töchter seien erkennbar als Zeuginnen für den Tathergang benannt worden, und zwar bereits als erster Beweisantritt in der Klagebegründung. Zum weiteren Sachverhalt seien dann teilweise unter Benennung weiterer Beweismittel durch die Bezugnahmen "Beweis: wie vor" die zuvor benannten Zeuginnen wiederum als Beweismittel angeboten worden. Dies sei für den gesamten Tathergang so geschehen. Eine solche Bezugnahme sei zulässig.

10

b) Das Amtsgericht Bonn habe in seinem Urteil den Vortrag der Klageschrift zum Beweis des Tathergangs unter Nichtbeachtung der Bezugnahme "wie vor" auf das "Zeugnis eines im Bestreitensfall noch zu nennenden Passanten, der den Vorfall ebenfalls beobachtete", reduziert. Die Unterschlagung der Bezugnahme überrasche umso mehr, als durch die Verwendung des Wortes "ebenfalls" zum Ausdruck gebracht worden sei, dass es neben den beiden bereits als Zeuginnen benannten Töchtern der Beschwerdeführerin einen weiteren Zeugen gebe. Die Außerachtlassung stelle eine Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dar. Auch im Rahmen der Gehörsrüge habe sich das Amtsgericht Bonn nicht mit der beachtlichen Bezugnahme auf das Beweismittel "wie vor" auseinandergesetzt, sondern offensichtlich nur nachfolgende Beweisangebote für die Verletzung der Beschwerdeführerin beachtet. Aufgrund der Urteilsbegründung und der Begründung der Gehörsrügeentscheidung sei davon auszugehen, dass das Amtsgericht Bonn die Bezugnahme überhaupt nicht erkannt habe.

11

2. Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen und der Beklagte des Ausgangsverfahrens haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Akten des Ausgangsverfahrens sind beigezogen worden.

III.

12

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere genügt sie trotz ihrer Knappheit im Hinblick auf die Rüge einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die Nichtbeachtung der Bezugnahme auf das Beweismittel "wie vor" den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz, § 92 BVerfGG.

13

a) Diese Regelungen erfordern eine hinreichend deutliche und damit substantiierte und schlüssige Darlegung der behaupteten Verletzung eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts innerhalb der Frist gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 6, 132 <134>; 8, 1 <9>; 11, 192 <198>; 89, 155 <171>; 108, 370 <386 f.>; stRspr). Wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, so bedarf es daher in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit den konkreten Entscheidungen und deren konkreter Begründung dahingehend (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 101, 331 <345>; 105, 252 <264>), dass und weshalb bei dem substantiiert und schlüssig darzustellenden Sachverhalt (vgl. BVerfGE 9, 109 <114 f.>; 81, 208 <214>; 84, 366 <369>; 99, 84 <87>; 113, 29 <44>) ein Verstoß der angegriffenen Entscheidungen gegen das mit der Beschwerde geltend gemachte verfassungsbeschwerdefähige Recht möglich erscheint (vgl. BVerfGE 28, 17 <19 f.>; 65, 227 <232 f.>; 67, 90 <94>; 89, 155 <171>; BVerfGK 9, 174 <184 f.>). Dabei muss grundsätzlich auch die verfassungsrechtliche Rechtslage dargestellt werden. Hat das Bundesverfassungsgericht zu den von der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen bereits Maßstäbe entwickelt, muss die Verfassungsbeschwerde auch an diese anknüpfen, sich mit ihnen auseinandersetzen und auf dieser Grundlage darlegen, dass und aus welchen Gründen eine Verletzung in den geltend gemachten verfassungsbeschwerdefähigen Rechten vorliegen soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 102, 147 <164>). Liegt die Verletzung eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts und der Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung und deren Begründung jedoch auf der Hand, gelten im Hinblick auf die Darlegung des Verfassungsverstoßes geringere Anforderungen, sodass die Verletzung eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts nicht im Einzelnen anhand der einschlägigen Maßstäbe dargelegt werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Dezember 2007 - 1 BvR 2697/07 -, juris, Rn. 13; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 1584/10 -, juris, Rn. 3; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Mai 2013 - 1 BvR 1083/09 -, juris, Rn. 8).

14

b) Die vorliegende Verfassungsbeschwerde legt in nachvollziehbarer Weise dar, dass das Amtsgericht Bonn die Beweisangebote der Beschwerdeführerin für die Körperverletzungshandlung nur teilweise, nämlich nur soweit auf das Zeugnis eines im Bestreitensfall noch zu nennenden Passanten verwiesen worden sei, zur Kenntnis genommen habe, während es das weitere, als erstes angeführte Beweisangebot, das mit der Formulierung "wie vor" auf bereits zuvor benannte Beweismittel Bezug genommen habe, nicht wahrgenommen habe.

15

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass Art. 103 Abs. 1 GG dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten nicht nur ein Recht darauf gibt, im Verfahren zu Wort zu kommen und sich zu dem in Rede stehenden Sachverhalt sowie zur Rechtslage zu äußern (BVerfGE 60, 175<210>), Anträge und damit auch Beweisanträge zu stellen und Ausführungen zu machen (BVerfGE 6, 19 <20>; 15, 303 <307>; 36, 85 <87>), sondern im Gegenzug auch das Gericht verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 11, 218 <220>; 42, 364 <367>; 60, 250 <252>; 96, 205 <216>; stRspr). In diesem Sinne gebietet es Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung, erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 50, 32 <36>; 60, 247 <249>; 60, 250 <252>; 69, 141 <143>). Zwar verbietet es Art. 103 Abs. 1 GG den Gerichten nicht, Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt zu lassen (vgl. BVerfGE 21, 191 <194>; 69, 145 <148 f.>; 70, 288 <294>; 96, 205 <216>; stRspr). Jedoch verstößt die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn es im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32 <36>; 69, 141 <144>).

16

Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Erläuterungen der Verfassungsbeschwerde, dass das Amtsgericht Bonn das Beweismittel "wie vor" für die Körperverletzungshandlung offensichtlich nicht beachtet habe, liegt die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts der Beschwerdeführerin aus Art. 103 Abs. 1 GG auf der Hand. § 23 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz, § 92 BVerfGG erforderten daher keine ins Einzelne gehende Darlegung der Verletzung des Rechts der Beschwerdeführerin aus Art. 103 Abs. 1 GG anhand der hierfür in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisierten Maßstäbe.

17

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Gemessen an den soeben aufgezeigten Verbürgungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör verletzen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 17. Juni 2015 (114 C 239/15) und der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 15. September 2015 (114 C 239/15) die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG.

18

a) Das Amtsgericht Bonn ist in seinem Urteil vom 17. Juni 2015 offensichtlich davon ausgegangen, dass die dem dortigen Beklagten vorgeworfene Verletzungshandlung und ihr genauer Hergang eine zwischen den Prozessparteien entscheidungserhebliche und zugleich streitige Tatsache gewesen ist, für die die Beschwerdeführerin beweispflichtig war. Die in der Klageschrift für die Verletzungshandlung benannten Beweismittel waren daher für das Verfahren erheblich.

19

b) Aus der Begründung des Urteils vom 17. Juni 2015, die sich allein mit dem als Zeugen benannten Passanten auseinandersetzt, ergibt sich jedoch, dass das Amtsgericht Bonn das erste von der Beschwerdeführerin für den Tathergang benannte Beweisangebot ("Beweis: wie vor") entgegen seiner Verpflichtung aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht zur Kenntnis genommen hat. Das Amtsgericht Bonn hat seine Annahme, dass die Beschwerdeführerin für die von ihr behauptete Körperverletzung keinen tauglichen Beweis angeboten habe, allein damit begründet, dass es hierzu in der Klageschrift heiße: "Zeugnis eines im Bestreitensfall noch zu benennenden Passanten, der den Vorfall ebenfalls beobachtete". Der gleichfalls und sogar an erster Stelle genannte "Beweis: wie vor" für die Verletzungshandlung wird mit keinem Wort erwähnt; er wird auch nicht als untaugliches Beweismittel, unzulässige oder unklare Bezugnahme oder Ähnliches eingeordnet. Ein anderer Grund als ein schlichtes Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen des Beweisangebots ist hierfür nicht erkennbar. Das Zivilprozessrecht bietet für eine vollständige Nichtberücksichtigung dieses Beweisangebots keine Grundlage. Nach der in der Zivilprozessordnung geltenden Pflicht zur Erschöpfung der Beweismittel darf das Gericht einen Kläger nicht als beweisfällig abweisen, ohne alle angetretenen und als erheblich angesehenen Beweise zu erheben, soweit nicht ein bestimmter verfahrens- oder beweisrechtlicher Grund zur Ablehnung des Antrags gegeben ist (BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67 -, juris, Rn. 228; vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, Vor § 284 Rn. 8a; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 284 Rn. 2). Ein solcher ist vorliegend weder eingewandt worden, noch ist er ersichtlich. Minderjährige Kinder sind auch im Fall eines ihre Eltern betreffenden Sachverhalts nicht von vornherein und grundsätzlich ungeeignete Beweismittel.

20

Die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts Bonn vom 17. Juni 2015 beruht auch auf diesem Gehörsverstoß. Denn die Klage der Beschwerdeführerin ist allein wegen der Untauglichkeit des Beweismittels "Zeugnis eines im Bestreitensfall noch zu nennenden Passanten, der den Vorfall ebenfalls beobachtete" abgewiesen worden.

21

c) Die Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin aus Art. 103 Abs. 1 GG ist im Rahmen des Gehörsrügeverfahrens nicht geheilt, sondern wiederholt worden. Das Amtsgericht Bonn nahm insoweit trotz nochmaligen Hinweises in der Gehörsrüge das erste für die Körperverletzungshandlung genannte Beweisangebot ("Beweis: wie vor") wiederum nicht zur Kenntnis. Die Gehörsrügeentscheidung vom 15. September 2015 ist auf dieses Beweisangebot mit keinem Wort eingegangen, ohne dass hierfür ein anderer Grund als ein schlichtes Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen erkennbar gewesen wäre. Das Amtsgericht hat im Hinblick auf die Körperverletzungshandlung lediglich die Feststellung erneuert, dass es an einem tauglichen Beweisangebot fehle, und hat sich danach ausschließlich zu den nach dem untauglichen "Passantenbeweis" angebotenen Beweismitteln geäußert. Auch diese Entscheidung beruht offensichtlich auf der Nichtberücksichtigung des Beweisangebots "Beweis: wie vor".

22

3. Das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 17. Juni 2015 und der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 15. September 2015 sind daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an das Amtsgericht Bonn zurückzuverweisen.

23

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen einen Planergänzungsbeschluss zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld, der die Nachtflugregelungen des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses ergänzt, und gegen die ihn bestätigenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts.

I.

2

1. Mit Verordnung vom 28. Oktober 2003 beschlossen die Länder Brandenburg und Berlin den Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS 2003) (GVBl. Bgb. II S. 594; GVBl. BE S. 521). Nach einer der Planaussagen ist der Flughafen Berlin-Schönefeld zur Deckung des nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarfs der Länder Brandenburg und Berlin weiter zu entwickeln. Der Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 sieht den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld zum Großflughafen Berlin Brandenburg mit zwei parallelen Start- und Landebahnen vor. Der Planfeststellungsbeschluss enthält Auflagen zur Vermeidung und Minderung von Fluglärm und regelte den Flugbetrieb während der Nacht (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr). Abgesehen von der grundsätzlichen Beschränkung auf lärmarme Flugzeuge und den völligen Ausschluss von Ausbildungs- und Übungsflügen sollten Starts und Landungen während der gesamten Nachtzeit zulässig sein.

3

Das Bundesverwaltungsgericht gab gegen den Planfeststellungsbeschluss gerichteten, ausgewählten Musterklagen mit Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116, teilweise statt. Es verpflichtete die Planfeststellungsbehörde, unter anderem über weitergehende Einschränkungen des Nachtflugbetriebs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Soweit der Planfeststellungsbeschluss den ausgesprochenen Verpflichtungen widersprach, wurde er aufgehoben.

4

2. Im Planergänzungsverfahren legte die Vorhabenträgerin Flughafen Berlin- Schönefeld GmbH unter anderem ein Gutachten über den Bedarf von Flugbewegungen während der Nachtzeit (ARC-Gutachten) vor. Die Planfeststellungsbehörde holte zum nächtlichen Flugbetrieb bei der Intraplan Consult GmbH Gutachten ein, die die von der Vorhabenträgerin vorgelegten Gutachten beurteilten und einen Abschlussbericht zum Nachtflugbedarf enthielten (Intraplan-Nachtfluggutachten).

5

Die Planfeststellungsbehörde ermittelte zunächst auf der Grundlage von Gutachten und Prognosen, welcher Bedarf für Nachtflugverkehr besteht. Dabei differenzierte sie jeweils nach einzelnen Verkehrssegmenten und schichtete die Nachtzeit in sogenannte Zeitscheiben ab. In dem Planergänzungsbeschluss "Lärmschutz BBI zum Vorhaben Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld" vom 20. Oktober 2009 ergänzte und änderte sie den Planfeststellungbeschluss, soweit dieser den Flugbetrieb während der Nacht (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) zum Gegenstand hatte. Auf diese Weise sollten die Verpflichtungen aus den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2006 umgesetzt werden.

6

Die im Planergänzungsbeschluss getroffene Nachtflugregelung hält die Nachtkernzeit 00:00 Uhr bis 05:00 Uhr grundsätzlich von Flugaktivitäten frei und öffnet die Nachtrandstunden von 22:00 Uhr bis 23:30 Uhr sowie von 05:30 Uhr bis 06:00 Uhr weitgehend für den Flugbetrieb. In der Nachtkernzeit dürfen nur besonders geregelte Flüge stattfinden. In den halben Stunden unmittelbar vor (23:30 Uhr bis 24:00 Uhr) und nach (05:00 Uhr bis 05:30 Uhr) der Nachtkernzeit sind großzügigere Ausnahmen vom Nachtflugverbot zugelassen.

7

3. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage der Beschwerdeführenden gegen die Nachtflugregelung ab (BVerwGE 141, 1). Sie sei unbegründet, weil die Regelungen zum Nachtflugbetrieb nicht an Fehlern litten, die zu einem Anspruch der Kläger auf eine erneute Entscheidung führten.

8

a) Die Planfeststellungsbehörde habe im Planergänzungsbeschluss die im Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - dargelegte Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts beachtet, zu Recht einen Bedarf für den zugelassenen Nachtflugverkehr bejaht und die Bedeutung und das Gewicht dieses Belangs nicht verkannt.

9

Die in dem Intraplan-Nachtfluggutachten erstellte Nachtflugprognose sei - im Rahmen der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle von Prognosen - nicht zu beanstanden. Intraplan habe in einem ersten Schritt die tatsächlichen Flugbewegungen im Jahr 2008 an den drei Berliner Flughäfen erhoben und nach Verkehrssegmenten geordnet. Im nächsten Schritt seien dann für die Verkehrssegmente Wachstumsraten aus der Masterplan-Prognose abgeleitet worden. Diese habe mit einer geeigneten Methode das zukünftige Luftverkehrsaufkommen an den einzelnen Flughäfen ermittelt. Die Einzelflugbewegungen aus der Masterplan-Prognose hätten sich mittels der dort ebenfalls hinterlegten Daten (Start- und Zielflughafen, Verkehrsart, Fluglinie, Anzahl der Passagiere, Anzahl der Fracht etc.) den im Intraplan-Nachtfluggutachten definierten Verkehrssegmenten zuordnen lassen. Die Hochrechnung mit den aus der Masterplan-Prognose für die einzelnen Verkehrssegmente abgeleiteten Wachstumsraten sei eine geeignete Methode zur Ermittlung des Nachtflugaufkommens im Jahr 2020. Das Ergebnis der Nachtverkehrsprognose sei plausibel.

10

Was die Planfeststellungsbehörde in der Nacht zugelassen habe, sei von den Planungszielen für den Ausbau des Flughafens umfasst. Im Planergänzungsbeschluss seien auch die sachlichen Gründe, weshalb Flüge nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt werden könnten, plausibel dargelegt.

11

Dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass es ungeachtet der dargelegten Nachtfluggründe möglich sei, die von Intraplan im Rahmen der Bedarfsprognose für die Nachtzeit prognostizierten beziehungsweise hochgerechneten Flüge auf die nachgelagerte Zeitscheibe zu verlagern, habe nicht entsprochen werden müssen. Ob und inwieweit ein Verkehrsbedarf befriedigend innerhalb der Tag- und der angrenzenden Nachtrandstunden abgewickelt werden könne, sei keine dem Beweis zugängliche Tatsachenfrage, sondern eine Rechtsfrage. Maßgebend sei, welche Gründe die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten rechtfertigen könnten, und wie diese Gründe insbesondere im Hinblick auf die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz zu gewichten seien. Die Planfeststellungsbehörde habe die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen einer Beschränkung des nächtlichen Flugbetriebs ausreichend ermittelt und die Bedeutung der regionalwirtschaftlichen Aspekte nicht überschätzt.

12

b) Die Lärmschutzbelange der Beschwerdeführenden seien ausreichend ermittelt worden. Ihr Gewicht habe die Planfeststellungsbehörde nicht zu gering eingeschätzt.

13

Dies gelte zunächst für die zugrunde gelegte Flugroutenprognose. Soweit es um die Regelung des Nachtflugbetriebs gehe, sei die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten ausreichend, um die Lärmbetroffenheit auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen.

14

Die Planfeststellungsbehörde habe neuere Erkenntnisse der Lärmmedizin und Lärmwirkungsforschung nicht zu würdigen brauchen. Der maßgebende Bezugspunkt für die Gewichtung der Lärmschutzbelange sei die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle, bei deren Überschreitung passiver Schallschutz zu gewährleisten sei. Lärmbeeinträchtigungen unterhalb dieser Schwelle seien abwägungsrelevant. Habe die Planfeststellungsbehörde die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle fehlerfrei bestimmt, genüge es für die Abwägung grundsätzlich, die Lärmschutzbelange ausgehend von dieser Schwelle zu gewichten. Sie wögen umso schwerer, je näher die Lärmbelastungen an die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle heranreichten; ihr Gewicht sei umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückblieben. Eine Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung sei für diese Gewichtung nicht erforderlich.

15

Die Planfeststellungsbehörde habe diese Schwelle rechtsfehlerfrei bestimmt. Der Planfeststellungsbeschluss habe bereits im Jahr 2004 Werte festgelegt, bei deren Überschreitung passiver Schallschutz für Schlafräume gewährt werde, die für die Anwohner günstiger seien als die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a FluglärmG in der Neufassung vom 31. Oktober 2007 (BGBl I S. 2550) bis zum 31. Dezember 2010 maßgebenden Werte für neue Flughäfen. Allenfalls auf letztere, nicht etwa auf für spätere Zeiträume vorgesehene Werte wäre es angekommen, da der für den Zeitpunkt der Planfeststellung festgelegte Wert maßgeblich sei.

16

Die Beschwerdeführenden hätten Anhaltspunkte dafür, dass § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (FluglärmG) 2007 verfassungswidrig sein könnte, weil die festgelegten Werte der Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht genügten, nicht substantiiert dargelegt. Erst recht sei nicht ersichtlich, dass das Fluglärmschutzgesetz einen durch Fluglärm hervorgerufenen Dauerschallpegel LAeq Nacht unter 50 dB(A) und/oder einen fluglärmbedingten Maximalpegel LAmax unter 6 x 55 dB(A) hätte festlegen müssen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden habe der Gesetzgeber seine Nachbesserungspflicht nicht verletzt, da die Regelung nicht aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation untragbar geworden sei.

17

c) Der von der Planfeststellungsbehörde vorgenommene Ausgleich zwischen den gegenläufigen Belangen, also dem Verkehrsinteresse und den Lärmschutzbelangen, halte sich im Rahmen des der Exekutive zustehenden Gestaltungsspielraums.

18

Für die Nachtkernzeit habe die Planfeststellungsbehörde die Vorgaben aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2006 (- BVerwG 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116), im Planergänzungsbeschluss fehlerfrei umgesetzt. Die Ausnahmen, die zugelassen worden seien, seien durch einen standortspezifischen Nachtflugbedarf gerechtfertigt.

19

Dies gelte auch für das kernzeitnahe Segment: Die Planfeststellungsbehörde habe das grundsätzliche Verbot von Starts und Landungen in der Nachtkernzeit auf das kernzeitnahe Segment (23:30 Uhr bis 24:00 Uhr und 05:00 Uhr bis 05:30 Uhr) erstreckt. Die in diesem Zeitsegment zugelassenen Ausnahmen minderten die Wirkungen des Start- und Landeverbots jedenfalls nicht erheblich. Die Regelung führe dazu, dass der Flugverkehr in der letzten halben Stunde vor der Kernzeit deutlich abnehme und nach ihrem Ende nur langsam wieder ansteige. Ausgehend hiervon seien die Ausnahmen durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.

20

Dies gelte auch für die restliche Nachtzeit: Ausgangspunkt sei das Konzept des Beklagten, dass der Flugverkehr zwischen 22:00 Uhr und 24:00 Uhr insgesamt und ab 23:30 Uhr sogar deutlich abnehme, in der Nachtkernzeit eine weitgehende Lärmpause eintrete und der Verkehr nach 05:00 Uhr bis zum Beginn des Tages erst langsam wieder anschwelle. Mit diesem weitgehenden Schutz der Nachtruhe zwischen 23:30 Uhr und 05:30 Uhr sei es vertretbar, Flugverkehr bis 23:30 Uhr und ab 05:30 Uhr grundsätzlich zuzulassen, die Lärmschutzbelange der Anwohnerinnen und Anwohner insoweit also weitgehend hinter den Verkehrsinteressen dieses Flughafens zurücktreten zu lassen. Auch zwischen 22:00 Uhr und 23:30 Uhr und 05:30 Uhr und 06:00 Uhr dürfe die Nacht jedoch nicht zum Tage werden. Die Verhältnismäßigkeit bleibe nur gewahrt, wenn das Konzept eines Ab- und Anschwellens des Flugverkehrs auch in diesen Zeitsegmenten weiter durchgeführt werde. Der Beklagte habe sich im Planergänzungsbeschluss die nachträgliche Festsetzung, Änderung oder Ergänzung von Auflagen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm vorbehalten. Der Vorbehalt entfalte drittschützende Wirkung. Er könne, wie der Senat bereits im Urteil vom 16. März 2006 (- BVerwG 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116) dargelegt habe, auch für Maßnahmen des aktiven Schallschutzes bis hin zu einem (Teil-)Widerruf der Regelungen über den Flugbetrieb nutzbar gemacht werden. Vor diesem Hintergrund sei es vertretbar gewesen, im Planergänzungsbeschluss von einer weitergehenden Beschränkung des Nachtflugbetriebs in der ersten Nachtstunde abzusehen.

21

4. Die von den Beschwerdeführenden erhobene Anhörungsrüge wies das Bundesverwaltungsgericht mit angegriffenem Beschluss vom 16. Februar 2012 zurück.

22

5. Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführenden eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und aus Art. 103 Abs. 1 GG.

23

a) Das Bundesverwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Es habe wesentlichen Vortrag zur fehlenden Differenzierung zwischen Tag- und Nachtflugverkehr in der Masterplan-Prognose und zu der daraus folgenden fehlerhaften Hochrechnung des Nachtflugaufkommens übergangen. Es habe sich auch kommentarlos über ihre Argumentation hinweggesetzt, dem Prognosegutachten seien Annahmen zugrunde gelegt worden, die erst das Ergebnis des Gutachtens sein könnten. Schließlich habe das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Abwägung die Lärmschutzinteressen der Anwohner vollkommen übergangen.

24

b) Die angegriffenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts verletzten die Beschwerdeführenden auch in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

25

Es entspräche nicht der Bedeutung des Schutzguts "Gesundheit", wenn neue medizinische Erkenntnisse Planungsentscheidungen nur dann zugrunde zu legen seien, wenn sie sich in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt hätten. Dies führe zu einer unzulässigen Risikoverlagerung auf die vom Fluglärm betroffenen Menschen.

26

Die Bedeutung des hohen Guts der Gesundheit sei im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Belange fehlgewichtet worden. Für die Nachtkernzeit sei weder im Planergänzungsbeschluss noch in dem angegriffenen Urteil die Summierung der Ausnahmen vom Nachtflugverbot in den Blick genommen worden. Hinsichtlich der Nachtrandzeit sei bis auf die halbe Stunde vor und nach der Nachtkernzeit der Schutz der Schlafzeiten weitgehend aufgegeben worden. Bei einer Gesamtbetrachtung der Nachtzeit bleibe angesichts der Vielzahl der zugelassenen Ausnahmen für Nachtflüge vom Gewicht der privaten Belange nichts mehr übrig.

27

Auch bei der Flugroutenprognose seien die maßgeblichen Belange evident fehlgewichtet worden. Der entscheidende Gewichtungsmangel liege im Abstraktionsgrad der Flugroutenprognose. Die Annahme, bei der Abwägung der Belange komme es lediglich darauf an, wie viele Anwohner ungefähr durch Fluglärm betroffen seien und wie schwer die jeweilige Betroffenheit eingestuft werden müsse, nicht aber, welche Anwohner konkret betroffen seien, verletze die subjektive Komponente des öffentlichen Belangs "Nachtruheschutz".

28

Das Bundesverwaltungsgericht habe bei der Abwägung der Lärmschutzbelange der Anwohner nicht mehr geprüft, ob die Nachtflugregelung im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verhältnismäßig im engeren Sinne, also zumutbar sei. Infolgedessen fehle eine konkrete Güterabwägung. Das Gericht untersuche vielmehr nur noch, ob plausible Gründe für den Nachtflugbedarf in den Nachtrandstunden vorlägen. Lägen solche Gründe vor, werde der Nachtflugbetrieb als gerechtfertigt angesehen. Es werde nicht mehr gefragt, ob die für den Nachtflugbetrieb sprechenden Gründe im Einzelfall so gewichtig seien, dass sie die Lärmschutzbelange der Anwohner überwinden könnten.

II.

29

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Sie erfüllt nicht die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführenden geboten. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

30

1. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführenden nicht in Art. 103 Abs. 1 GG.

31

a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen des einschlägigen Prozessrechts die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (vgl. BVerfGE 50, 32 <35>; 60, 247 <249>). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes verstößt daher dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32 <35 f.>; 60, 247 <249>; 69, 141 <143 f.>; BVerfGK 13, 303 <304>).

32

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (vgl. BVerfGE 64, 1 <12>; 87, 1 <33>). Die Gerichte sind auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfGE 5, 22 <24>). Es müssen nur die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. BVerfGE 47, 182 <189>). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Das Bundesverfassungsgericht kann nur dann feststellen, dass ein Gericht seine Pflicht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, verletzt hat, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl. BVerfGE 22, 267 <273 f.>; 70, 288 <293 f.>; 96, 206 <216 f.>).

33

b) Gemessen hieran, verletzt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Beschwerdeführenden nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

34

aa) Das Bundesverwaltungsgericht ging ausdrücklich auf die Kritik der Beschwerdeführenden ein, im Masterplan fehle eine Differenzierung zwischen Tag- und Nachtflugverkehr, was zu einer unzureichenden Prognose im Intraplangutachten geführt habe. Es hat aber entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden das auf der Grundlage des Masterplans erarbeitete Intraplangutachten und die darin enthaltene Nachtflugprognose, die dem Planergänzungsbeschluss zugrunde gelegt wurde, nicht beanstandet. Entgegen der Rüge der Beschwerdeführenden hat das Bundesverwaltungsgericht dabei nicht deren Vortrag übergangen, sondern sich ausdrücklich mit den angegriffenen Tatsachengrundlagen der Prognose auseinandergesetzt, diese aber anders gewertet und die Annahmen und Zuordnungen als plausibel erachtet. Dies stellt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.

35

bb) Auch mit dem Einwand, es komme zu einer überobligatorischen Steigerung des Nachtflugverkehrs, hat sich das Bundesverwaltungsgericht auseinandergesetzt (angegriffenes Urteil, Rn. 71 ff.). Das Vorbringen der Beschwerdeführenden wurde auch hier nicht übergangen, sondern lediglich anders gewürdigt.

36

cc) Das Bundesverwaltungsgericht hat das Intraplangutachten nur zum Nachweis der Nachfrage nach, nicht aber der Notwendigkeit von Nachtflügen herangezogen. Die Notwendigkeit von Nachtflügen hat es hingegen auf der Grundlage der Begründung des Planergänzungsbeschlusses nachgeprüft und mit den Lärmschutzbelangen der Anwohner abgewogen. Der Einwand der Beschwerdeführenden, es sei unzulässig, die Notwendigkeit eines Nachtflugbetriebs zur Prämisse der Begutachtung zu machen, zielte damit auf einen nicht entscheidungserheblichen Umstand. Daher ist es unschädlich, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht ausdrücklich hierauf einging.

37

dd) Das Bundesverwaltungsgericht hat im Rahmen der Abwägung der Lärmschutzinteressen der Anwohner zentralen Vortrag nicht übergangen. Es hat sich in der angegriffenen Entscheidung mit den Argumenten der Beschwerdeführenden auseinandergesetzt, gelangte aber zu einer anderen Gewichtung der Belange, was keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG darstellt.

38

2. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführenden auch nicht in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

39

a) aa) Das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt nicht nur als subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Es enthält auch die staatliche Pflicht, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren. Auch der Schutz vor Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit ist von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG umfasst (vgl. BVerfGE 142, 313 <337 Rn. 69>). Eine auf Grundrechtsgefährdungen bezogene Risikovorsorge kann ebenfalls von der Schutzpflicht der staatlichen Organe umfasst sein (vgl. BVerfGE 49, 89 <140 ff.>; 53, 30 <57>; 56, 54 <78>).

40

Die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebende Schutzpflicht erfordert auch Maßnahmen zum Schutz vor gesundheitsschädigenden und gesundheitsgefährdenden Auswirkungen von Fluglärm (vgl. BVerfGE 56, 54 <73 ff.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 -, Rn. 78; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2009 - 1 BvR 1606/08 -, Rn. 10; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 15. Oktober 2009 - 1 BvR 3474/08 -, Rn. 26; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 -, Rn. 37).

41

Die aus den Grundrechten folgenden subjektiven Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe einerseits und die sich aus der objektiven Bedeutung der Grundrechte ergebenden Schutzpflichten andererseits unterscheiden sich insofern grundlegend voneinander, als das Abwehrrecht in Zielsetzung und Inhalt ein bestimmtes staatliches Verhalten verbietet, während die Schutzpflicht grundsätzlich unbestimmt ist. Die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts ist Sache des Gesetzgebers, dem grundsätzlich auch dann ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt, wenn er dem Grunde nach verpflichtet ist, Maßnahmen zum Schutz eines Rechtsguts zu ergreifen. Dieser lässt auch Raum, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 96, 56 <64>; 121, 317 <356, 360>; 133, 59 <76 Rn. 45>; 142, 313 <337 Rn. 70>). Das Bundesverfassungsgericht kann die Verletzung einer solchen Schutzpflicht nur feststellen, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben (vgl. BVerfGE 56, 54 <80>; 77, 170 <215>; 92, 26 <46>; 125, 39 <78 f.>; 142, 313 <337 f. Rn. 70>). Die Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, um den Schutz zu gewähren, ist verfassungsgerichtlich damit nur begrenzt überprüfbar. Nur unter besonderen Umständen kann sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Weise verengen, dass allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht Genüge getan werden kann (vgl. BVerfGE 56, 54 <73 ff.>; 77, 170 <214 f.>; 79, 174 <202>; 142, 313 <338 Rn. 71>; BVerfGK 13, 303 <321>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 -, Rn. 38).

42

Aus der Schutzpflicht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgt auch eine Überprüfungs- und Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers. Hat dieser eine Entscheidung getroffen, deren Grundlage durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt wird, kann er von Verfassungs wegen gehalten sein, zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist (vgl. BVerfGE 49, 89 <130 f.>; 56, 54 <78 f.>; BVerfGK 10, 208 <211 f.>; 16, 68 <72>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. Februar 2002 - 1 BvR 1676/01 -, Rn. 10 ff.).

43

Die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse einer Planungs- oder Zulassungsentscheidung in der Regel erst dann zugrunde zu legen sind, wenn sie sich in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt haben, hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet (vgl. BVerfGK 13, 303 <323>). Es ist in erster Linie Aufgabe des Normgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können. Eine Verletzung seiner Nachbesserungspflicht kann gerichtlich erst festgestellt werden, wenn evident ist, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation untragbar geworden ist (vgl. BVerfGE 56, 54 <81>; BVerfGK 10, 208 <211 f.> m.w.N.; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 -, Rn. 38).

44

bb) Behördliche Planungsentscheidungen und deren verwaltungsgerichtliche Bestätigung kann das Bundesverfassungsgericht im Ergebnis nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob sie das Willkürverbot beachten und verhältnismäßig sind. Dem Plangeber ist gesetzlich eine Gestaltungsbefugnis und damit die Kompetenz eingeräumt, die erforderliche Abwägung selbst vorzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht kann - wie jedes Gericht - seine eigene Abwägung nicht an die Stelle derjenigen des Plangebers setzen; es hat nur zu prüfen, ob sich diese und deren verwaltungsgerichtliche Bestätigung in den verfassungsrechtlich vorgezeichneten Grenzen halten. Hierfür ist maßgebend, ob der erhebliche Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt, also insbesondere die Betroffenen angehört wurden, und ob anhand dieses Sachverhalts der Entscheidung alle sachlich beteiligten Belange und Interessen zugrunde gelegt sowie umfassend und in nachvollziehbarer Weise abgewogen worden sind. Soweit hierbei über Ziele, Wertungen und Prognosen zu befinden ist, beschränkt das Bundesverfassungsgericht seine Nachprüfungen darauf, ob diese Einschätzungen und Entscheidungen offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen (vgl. BVerfGE 76, 107 <121 f.>; 95, 1 <22 f.>; 134, 232 <353 Rn. 323>; BVerfGK 13, 294 <296 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2002 - 1 BvR 1402/01 -, Rn. 14; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Dezember 2015 - 1 BvR 685/12 -, Rn. 20).

45

Zudem ist, wenn wie hier ein fachgerichtliches Verfahren stattgefunden hat, zu beachten, dass die Feststellung und Würdigung des Tatbestands, auf dessen Grundlage die Abwägungsentscheidung verfassungsgerichtlich kontrolliert wird, Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen ist. Das Bundesverfassungsgericht greift hier nicht schon ein, wenn eine Entscheidung am einfachen Recht gemessen falsch ist, sondern nur, wenn die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes selbst gegen Grundrechte verstößt (stRspr seit BVerfGE 1, 418 <420>).

46

b) An diesen Maßstäben gemessen verletzen weder der Planergänzungsbeschluss noch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Beschwerdeführenden in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Eine grundlegende Verkennung der sich aus diesem Grundrecht ergebenden Vorgaben bei der Gestaltung des Verfahrens, der Feststellung des Sachverhalts sowie der Auslegung und Anwendung der Gesetze durch die Planfeststellungsbehörde und das Bundesverwaltungsgericht liegt nicht vor.

47

aa) Die angegriffene Nachtflugregelung ist Teil des vom Bundesverwaltungsgericht den einschlägigen Bestimmungen vor allem des Luftverkehrsgesetzes und des Lärmschutzgesetzes entnommenen abgestuften Lärmschutzkonzepts. Danach bestehe ein Anspruch des Betroffenen auf Übernahme seines Anwesens, wenn die Fluglärmbeeinträchtigung eine solche Intensität habe, dass der Grad der Gesundheitsgefährdung erreicht werde. Diese Schwelle wird vom Bundesverwaltungsgericht als "verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze" bezeichnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116 <249 Rn. 376>). Das Bundesverwaltungsgericht hat weiter festgestellt, dass der Gesetzgeber darüber hinaus auch auf einer der Gefahrenabwehr vorgelagerten Stufe Handlungsbedarf gesehen habe. Daher hat es § 9 Abs. 2 LuftVG eine weitere, niedrigere Zumutbarkeitsschwelle entnommen (fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle - BVerwG, angegriffenes Urteil, Rn. 166 -) bei deren Überschreitung ein Anspruch auf passiven Schallschutz bestehe. Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass auch den unterhalb dieser einfachrechtlichen fachplanerischen Zumutbarkeitsschwelle angesiedelten Lärmschutzinteressen der Anwohner im Rahmen der Abwägung nach § 8 Abs. 1 LuftVG Rechnung zu tragen sei (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116 <199 Rn. 268>; BVerwG, angegriffenes Urteil, Rn. 166). Hier kämen auf der Grundlage von § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG auch Betriebsbeschränkungen in Betracht, wie beispielsweise Nachtflugbeschränkungen (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116 <199 Rn. 268>). § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG sei mit Blick auf den Nachtflug als Gewichtungsvorgabe zu betrachten, die für eine Zurückdrängung des Lärmschutzinteresses der Nachbarschaft eine gesteigerte Rechtfertigung verlange (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116 <199 Rn. 269>).

48

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in einem Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2009 - 1 BvR 1606/08 -, BVerfGK 16, 68, dieses Verständnis des Bundesverwaltungsgerichts zu dem abgestuften Lärmschutzkonzept verfassungsrechtlich gebilligt. Von diesem Standpunkt abzugehen, besteht kein Anlass. Die normative Fluglärmschutzkonzeption für den auf der Planungsebene zu gewährleistenden Lärmschutz ist seit der Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes im Jahre 2007 sogar stärker als bisher durch den Gesetzgeber abgesichert, da seither die neuen Lärmgrenzwerte des § 2 Abs. 2 FluglärmG nach § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG bei luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren zu beachten sind.

49

bb) Die Beschwerdeführenden werden auch nicht durch die im Planergänzungsbeschluss festgelegten und vom Bundesverwaltungsgericht gebilligten Nachtflugregelungen in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

50

(1) Die Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erfordert entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden nicht, die vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung angewandten Maßstäbe bezüglich neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verändern. Diese sind in der Regel erst dann einer Planungs- oder Zulassungsentscheidung zugrunde zu legen, wenn sie sich in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt haben (vgl. BVerfGE 56, 54 <76 ff.>; BVerfGK 13, 303 <323>; 16, 68 <76>). Durch die sich ebenfalls aus der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG ergebende Überprüfungs- und Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 -, Rn. 38) wird zugleich gesichert, dass das Risiko von zunächst noch bestehenden Ungewissheiten in der Wissenschaft nicht einseitig dauerhaft Betroffenen auferlegt wird. Dem trägt die Rechtslage im Hinblick auf den Schutz vor Fluglärm mittlerweile deutlicher als bisher dadurch Rechnung, dass nach § 2 Abs. 3 FluglärmG in der Fassung des Jahres 2007 die Bundesregierung verpflichtet wird, dem Deutschen Bundestag spätestens im Jahre 2017 und spätestens nach Ablauf von jeweils weiteren zehn Jahren Bericht über die Überprüfung der in § 2 Abs. 2 FluglärmG genannten Lärmgrenzwerte unter Berücksichtigung des Standes der Lärmwirkungsforschung und der Luftfahrttechnik zu erstatten. Daraus hat das Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung die verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Konsequenz gezogen, dass angesichts der in § 2 Abs. 2 FluglärmG normativ festgelegten fachplanerischen Zumutbarkeitsschwelle neuere Erkenntnisse der Lärmmedizin und der Lärmwirkungsforschung durch die Planfeststellungsbehörde zur Bestimmung dieser Grenze nicht mehr eingeholt zu werden brauchten (angegriffenes Urteil, Rn. 165 - 167). Darüber hinaus hat sich das Bundesverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung ausführlich und nachvollziehbar mit dem Stand der Lärmwirkungsforschung auseinandergesetzt (angegriffenes Urteil, Rn. 169).

51

(2) Soweit die Beschwerdeführenden rügen, die abzuwägenden Belange seien bereits fehlerhaft ermittelt worden, liegt ebenfalls keine Verletzung der Beschwerdeführenden in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vor.

52

Bei der Feststellung des Bedarfs an Nachtflugverkehr wurde im Planergänzungsbeschluss nach verschiedenen Verkehrssegmenten zu unterschiedlichen Zeiten differenziert. Diese Feststellung beruht auf Prognosen, bei deren Nachprüfung das Bundesverfassungsgericht sich darauf zu beschränken hat, ob diese Einschätzungen und Entscheidungen offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen (oben 2 a bb). Ausgehend hiervon hat das Bundesverwaltungsgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt, weshalb es die auf der Grundlage der Masterplan-Prognose erstellten Wachstumsprognosen für die einzelnen Verkehrssegmente und den darauf prognostizierten Nachtflugbedarf für plausibel hält. Der abzuwägende Belang "Bedarf an Nachtflugverkehr" ist daher ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht ermittelt worden.

53

(3) Die Beschwerdeführenden sind auch nicht durch die Gewichtung der widerstreitenden Belange in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

54

(a) Das Bundesverwaltungsgericht hat entgegen der Behauptung der Beschwerdeführenden das Gewicht der Nachtkernzeit erkannt und die besondere Bedeutung der Nachtruhe in der Nachtkernzeit betont sowie eine Gesamtbetrachtung der Lärmbelastung in der Summe vorgenommen, die durch die zugelassenen Ausnahmen entsteht.

55

(b) Auch für die Nachtrandzeiten betreffend erfolgte bei einer Gesamtbetrachtung der Nachtzeit entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden keine aus verfassungsrechtlicher Sicht zu beanstandende Fehlgewichtung des Belangs "Schutz der Nachtruhe" durch das Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht betonte, auf die Nachtruhe der Bevölkerung sei in besonderem Maß Rücksicht zu nehmen, was für die gesamte Nacht gelte, auch wenn diesem Gebot in den Nachtrandstunden nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit zukomme. Die Nachtrandstunden dürften jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Entscheidend sei, ob das Lärmschutzkonzept bei einer Betrachtung der Gesamtnacht ausreichend Rücksicht auf die Nachtruhe der Bevölkerung nehme (angegriffenes Urteil, Rn. 189 ff.). Ferner wies das Gericht auf die Gewichtungsvorgabe des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG hin, die im Planergänzungsbeschluss beachtet worden sei (angegriffenes Urteil, Rn. 172 ff.). Damit beachtet das Bundesverwaltungsgericht die aus der Schutzpflicht abgeleiteten verfassungsrechtlichen Vorgaben. Mit Rücksicht auf die eingeschränkte verfassungsgerichtliche Überprüfung von Planungsentscheidungen sind die plausiblen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

56

(c) Die Beschwerdeführenden sind auch nicht durch eine vermeintliche Fehlgewichtung infolge des Abstellens auf eine aus Sicht der Beschwerdeführenden fehlerhafte Flugroutenprognose in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

57

Das Bundesverfassungsgericht hat verfassungsrechtlich nicht beanstandet, dass eine bei der Standortwahl eines Flughafens im Rahmen der Landesplanung und der Planfeststellung zugrunde gelegte Prognose von der Rechtsprechung gebilligt wurde, obwohl diese die konkreten und individuellen Betroffenheiten nicht abbildet, sondern nur nach Art und Ausmaß derart darstellt, dass sie als Abwägungsbelange in die Abwägung auf der jeweiligen Stufe eingestellt werden können (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. Oktober 2017 - 1 BvR 1026/13 -).

58

Dies gilt auch für Ermittlung, Gewichtung und Abwägung der widerstreitenden Belange im Rahmen der Nachtflugregelung. Es ist nicht ersichtlich, weshalb eine allein abstrakte Betrachtung der Fluglärmbetroffenheiten, die nach Art und Ausmaß geeignet ist, auch die konkreten Betroffenheiten abzubilden, zu einer Fehlgewichtung führen soll. Die Beschwerdeführenden tragen in ihrer Verfassungsbeschwerde auch nicht vor, wie und warum sich das Gewicht der Belange bei einer konkreten Betrachtung der Flugrouten verändert hätte.

59

(4) Die Beschwerdeführenden werden weder durch die Abwägung im Planergänzungsbeschluss als solche noch durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Abwägung der einzelnen widerstreitenden Belange im Planergänzungsbeschluss bei der Festlegung der Nachtflugregelung rechtsfehlerfrei sei, in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

60

(a) Die Rüge der Beschwerdeführenden, es läge ein grundsätzlicher Mangel des gesamten Abwägungsvorgangs vor, weil sich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in luftverkehrsrechtlichen Planungsverfahren vereinfacht und verschärft habe, da nicht mehr die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne geprüft werde, also eine konkrete Güterabwägung ausfalle und nur noch geprüft werde, ob plausible Gründe für den Nachtflugbedarf in den Nachtrandstunden vorlägen und dieser dann als gerechtfertigt angesehen werde, trifft bereits im Ausgangspunkt nicht zu.

61

Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil zu Beginn der materiellen Rechtmäßigkeitsprüfung (angegriffenes Urteil, Rn. 44 ff.) die Anforderungen an eine Regelung des Nachtflugbetriebs dargelegt. Die dort wiedergegebenen Grundsätze entsprechen seiner ständigen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116 <198 ff. Rn. 267 ff.>; Urteil vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 -, BVerwGE 127, 95 <113 ff. Rn. 67 ff.>; Urteil vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 -, BVerwGE 131, 316 <326 f. Rn. 39, 343 Rn. 93>; Urteil vom 16. Oktober 2008 - 4 C 5.07 -, BVerwGE 132, 123 <140 Rn. 51>), die es auch im vorliegenden Fall beibehält. Diese Anforderungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere zeigt sich, dass das Bundesverwaltungsgericht nach wie vor eine konkrete Güterabwägung fordert und kontrolliert (vgl. angegriffenes Urteil, Rn. 45, 47 f., 50, 186 - 200).

62

(b) Das Konzept der Nachtflugregelung und die diesem zugrunde liegende Abwägung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange sowie dessen Prüfung und Bewertung durch das Bundesverwaltungsgericht verletzen die Beschwerdeführenden ebenfalls nicht in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

63

Hinsichtlich der Nachtkernzeit hat das Bundesverwaltungsgericht die Festsetzungen im Planergänzungsbeschluss nicht beanstandet, wonach in der Zeit zwischen 00:00 Uhr und 05:00 Uhr keine Luftfahrzeuge starten oder landen dürfen und nur Ausnahmen für Notlandungen, Flüge für den Katastrophenschutz, medizinische Hilfeleistungen, Vermessungen, Staatsbesuche, für Regierungsflüge, Militärflüge von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung und den Luftpostverkehr zugelassen wurden; sie seien durch einen standortspezifischen Nachtflugbedarf gerechtfertigt. Insoweit könne eine Zurückstellung der Lärmschutzbelange der Anwohner hingenommen werden, weil dies trotz der Ausnahmen wegen des grundsätzlichen Start- und Landeverbots in der Nachtkernzeit zu einer deutlich spürbaren Lärmpause führe. Für die Durchschnittsnacht 2020 seien zwischen 00:00 Uhr und 05:00 Uhr 2,7 Flugbewegungen prognostiziert. Um diese Lärmpause zu erreichen, seien öffentliche und private Verkehrsinteressen wie die nach Ermittlungen des Beklagten nicht unerhebliche Nachfrage im Interkontinentalverkehr und in den touristischen Zielen zurückgestellt worden.

64

Diese Regelung für die Nachtkernzeit hält dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts bei Planungsentscheidungen stand, da die Einschätzungen und Entscheidungen weder offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegt sind, noch der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen und zudem der erhebliche Sachverhalt zutreffend ermittelt und die beteiligten Belange und Interessen umfassend und in nachvollziehbarer Weise abgewogen wurden. Eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts ist nicht erkennbar.

65

Im Ergebnis gilt dies auch für die Nachtrandzeit. Das Bundesverwaltungsgericht betont, das Gebot, auf die Nachtruhe der Bevölkerung in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen (§ 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG), gelte für die gesamte Nachtzeit, habe aber in den Nachtrandstunden nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Die Nachtrandstunden dürften nicht isoliert betrachtet werden. Entscheidend sei die Betrachtung der Gesamtnacht. Auch dies begegnet keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken.

66

Auch die konkrete Anwendung dieses Abwägungsprogramms durch das Bundesverwaltungsgericht verletzt die Beschwerdeführenden nicht in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

67

(aa) Das Bundesverwaltungsgericht hat die Nachtflugregelung des Planergänzungsbeschlusses im kernzeitnahen Segment (23:30 Uhr bis 24:00 Uhr und 05:00 Uhr bis 05:30 Uhr) nicht beanstandet. Es stellte zutreffend fest, im Planergänzungsbeschluss sei das grundsätzliche Verbot von Starts und Landungen in der Nachtkernzeit auch auf die angrenzenden, kernzeitnahen Zeitscheiben erstreckt worden, wodurch in Ansehung der standortspezifischen Situation mit einer ausgeprägten Lärmbelastung für Flughafenanwohner und sonstige Lärmbetroffene dem Schutz der Nachtruhe gegenüber den Verkehrsinteressen der Vorrang eingeräumt worden sei (vgl. Planergänzungsbeschluss, S. 168). Die in diesem Zeitsegment zugelassenen Ausnahmen minderten die Wirkungen des Start- und Landeverbots jedenfalls nicht erheblich, weil der Flugverkehr in der letzten halben Stunde vor der Kernzeit deutlich abnehme und nach ihrem Ende nur langsam wieder ansteige. Im Planergänzungsbeschluss seien für die Durchschnittsnacht im Jahr 2020 in der Zeit von 23:30 Uhr bis 24:00 Uhr nur noch 4,1 Flugbewegungen prognostiziert, während in der halben Stunde zuvor noch 13,6 Bewegungen zu erwarten seien; für die Zeit von 05:00 Uhr bis 05:30 Uhr sei von 0,6 Flugbewegungen auszugehen, während es in der halben Stunde danach 10 seien.

68

Weiter hat es die Ausnahmen vom Start- und Landeverbot für verspätete Starts im Interkontinentalverkehr bis 24:00 Uhr, verspätete Landungen bis 24:00 Uhr und verfrühte Landungen ab 05:00 Uhr, sowie für Bereitstellungs- und Überführungsflüge als durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt angesehen und dies für die einzelnen Ausnahmen ausführlich begründet.

69

Diese fachgerichtliche Wertung ist vertretbar. Eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts ist nicht erkennbar.

70

(bb) Das gilt auch für die Entscheidung über den Nachtflug. Für die Zeit von 22:00 Uhr bis 23:30 Uhr und von 05:30 Uhr bis 06:00 Uhr ließ die Planfeststellungsbehörde Flugverkehr grundsätzlich zu und nahm eine Beschränkung lediglich für besonders laute Flugzeuge und durch die Nachtverkehrszahl vor, die allerdings nicht den Verkehr von 22:00 Uhr bis 23:00 Uhr erfasst.

71

Das Bundesverwaltungsgericht hat erkannt, dass dies die Anwohner des Flughafens erheblichen Belastungen aussetzt. In der Durchschnittsnacht 2020 sind zwischen 22:00 Uhr und 23:00 Uhr 40,2 Flugbewegungen zu erwarten, zwischen 23:00 Uhr und 23:30 Uhr 13,6 Flugbewegungen und zwischen 05:30 Uhr und 06:00 Uhr 10,0 Flugbewegungen. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht diese Werte auch vor dem Hintergrund von 71,2 Flugbewegungen in der Gesamtnacht gesehen und betont, dass in Spitzennächten die Zahl der Flugbewegungen deutlich darüber liegen werde.

72

Bei der Abwägung sah es diesen erheblichen Lärmbetroffenheiten gewichtige Verkehrsinteressen gegenüberstehen, so die nationale und internationale herausragende Bedeutung, die es erfordere, den internationalen Luftverkehrsbedarf der Länder Berlin und Brandenburg am einzigen Verkehrsflughafen der Region zu decken. In der Abwägung sei so dem Zweck, den Flughafen mit dieser Funktion auch am frühen Morgen und späten Abend in das weltweite Flugverkehrsnetz einzubinden, hohes Gewicht beigemessen worden.

73

Trotz der hohen Belastungen für die Anwohner beanstandete das Bundesverwaltungsgericht das Konzept der Planfeststellungsbehörde nicht, wonach ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen den Lärmschutz- und Verkehrsbelangen dadurch hergestellt werde, dass der Flugverkehr zwischen 22:00 Uhr und 24:00 Uhr abnehme - ab 23:30 Uhr sogar deutlich -, in der Nachtkernzeit eine weitgehende Lärmpause eintrete und der Verkehr nach 05:00 Uhr bis zum Beginn des Tages erst langsam wieder anschwelle.

74

Diese Erwägungen halten sich noch im Rahmen vertretbarer fachgerichtlicher Auslegung. Das Bundesverwaltungsgericht hielt es für den Flughafen Berlin-Schönefeld für vertretbar, im Hinblick auf den weitgehenden Schutz der Nachtruhe zwischen 23:30 Uhr und 05:30 Uhr, Flugverkehr bis 23:30 Uhr und ab 05:30 Uhr grundsätzlich unbegrenzt zuzulassen und die Lärmschutzbelange der Anwohner insoweit weitgehend hinter den dargelegten Verkehrsinteressen zurücktreten zu lassen, betonte aber, dass auch in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 23:30 Uhr und zwischen 05:00 Uhr und 05:30 Uhr "die Nacht nicht zum Tag" werden dürfe (angegriffenes Urteil, Rn. 200).

75

Die Verhältnismäßigkeit sieht das Bundesverwaltungsgericht allerdings nur gewahrt, wenn das Konzept des Ab- und Anschwellens auch in dieser Zeit auf Dauer eingehalten werde. Als einen Teil zur Umsetzung dieses Konzeptes anerkennt es, dass im Planergänzungsbeschluss für die Zeit zwischen 23:00 Uhr und 24:00 Uhr und von 05:00 Uhr bis 06:00 Uhr eine mengenmäßige Begrenzung durch die Nachtverkehrszahl erfolgt, auch wenn die damit verbundene Schutzwirkung sich erst entfalte, wenn die Flugbewegungen das für 2023 prognostizierte Aufkommen erreichen werde. Jedenfalls werde dadurch ein die Prognose überschreitendes Verkehrsaufkommen unterbunden.

76

Das Bundesverwaltungsgericht weist ferner darauf hin, dass im Planergänzungsbeschluss für die erste Stunde der Nacht (von 22:00 Uhr bis 23:00 Uhr) keine vergleichbare Regelung getroffen worden sei. Da aber die Nachtverkehrsprognose aufgrund der nachlassenden Nachfrage einen abnehmenden Trend der Flugbewegungen vom Ende des Tages zur Nachtkernzeit hin ergeben habe, hält es die Verhältnismäßigkeit für noch gewahrt. Es betont aber, es wäre mit dem Abwägungsgebot und § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG nicht vereinbar, wenn sich die erste Nachtstunde entgegen der Prognose zu einer Stunde entwickeln würde, in der die Fluglärmbelastung der Anwohner in der Regel größer sei als in den Abendstunden zuvor. Da sich die Planfeststellungsbehörde im Planergänzungsbeschluss unter A II 5.1.9 die nachträgliche Festsetzung, Änderung oder Ergänzung von Auflagen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm vorbehalten habe und der Vorbehalt drittschützende Wirkung entfalte, und auch für Maßnahmen des Schallschutzes bis hin zu einem (Teil-)Widerruf der Regelung über den Flugbetrieb nutzbar gemacht werden könne, sei es nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts vertretbar, von einer weitergehenden Beschränkung des Nachtflugbetriebs in der ersten Nachtstunde abzusehen.

77

Auch diese Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts halten sich noch im Rahmen vertretbarer fachgerichtlicher Wertung. Sie verkennen nicht grundsätzlich das Gebot des Schutzes vor Fluglärm aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Der hohen Bedeutung des verfassungsrechtlich abgesicherten Belangs des Schutzes vor Verkehrslärm wird aber für die erste Stunde der Nacht (22:00 Uhr bis 23:00 Uhr) nur Rechnung getragen, sofern - wie vom Bundesverwaltungsgericht auch ausdrücklich gefordert - die Belastung in dieser Stunde im Zusammenhang mit dem Konzept des Ab- und Anschwellens für die ganze Nachtzeit gesehen wird, die Nachtverkehrszahl im Zeitabschnitt danach durch die mengenmäßige Begrenzung das Abschwellen sichert und in dieser Stunde keine stärkere Belastung mit Fluglärm als in den Abendstunden auftritt und dies gegebenenfalls durch nachträgliche Auflagen und Begrenzungen umgesetzt wird.

78

Die weitere Abwägung der Belange in der übrigen Nachtrandzeit begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

79

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 7. Dezember 2017 - 112 C 427/17 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an das Amtsgericht Braunschweig zurückverwiesen.

3. Der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 1. März 2018 - 112 C 427/17 - wird damit gegenstandslos.

4. Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu ersetzen.

Gründe

A.

1

Der Beschwerdeführer richtet sich dagegen, dass ein Beweisangebot in einem Schadensersatzprozess als verspätet zurückgewiesen wurde.

I.

2

Nach einem Autounfall verklagte der Beschwerdeführer die Versicherung des Schädigers vor dem Amtsgericht unter anderem auf Schadensersatz wegen Mietwagenkosten in Höhe von 316,49 Euro. Das schriftliche Vorverfahren nach § 276 ZPO wurde angeordnet.

3

In der Klageerwiderung bestritt die Versicherung eine Ersatzpflicht, weil der Beschwerdeführer während der viertägigen Mietdauer nur 67 km zurückgelegt habe, was einer täglichen Fahrtstrecke von 16,75 km entspreche, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte bewältigt werden können. Das Amtsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer den Klageerwiderungsschriftsatz "mit der Bitte um Stellungnahme"; eine Fristsetzung unterblieb. Der Beschwerdeführer trug schriftsätzlich nichts weiter vor.

4

In der mündlichen Verhandlung wies das Gericht auf den Vortrag der Versicherung zu den Mietwagenkosten hin. Der Anwalt des Beschwerdeführers erwiderte, dass dieser um 5:45 Uhr zur Arbeit fahren müsse und aufgrund der Verkehrsanbindung keine andere Möglichkeit habe, zur Arbeit zu kommen. Die (nicht anwesende) Ehefrau könne dies bezeugen. Die Versicherung bestritt diesen Vortrag "vorsorglich mit Nichtwissen".

5

Das Amtsgericht wies die Klage hinsichtlich der Mietwagenkosten ab. Vor dem Termin habe der Beschwerdeführer trotz rechtzeitig versandter Klageerwiderung nichts zum Problem der geringen Fahrleistung vorgetragen, sondern erst in der mündlichen Verhandlung auf die Anreise zu seiner Arbeitsstelle verwiesen. Soweit er sich dabei auf die Ehefrau als Zeugin berufen habe, sei der Beweisantritt verspätet: Eine "etwaige Beweisaufnahme würde zur Verzögerung des Verfahrens führen (§ 296 ZPO)".

6

Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers blieb erfolglos. Die Zurückweisung des Beweisantritts sei nach § 296 Abs. 1 ZPO zutreffend erfolgt.

II.

7

Der Beschwerdeführer rügt insbesondere die Verletzung rechtlichen Gehörs und der verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot.

III.

8

Der Versicherung, dem Niedersächsischen Justizministerium sowie dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.


B.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG statt. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

10

Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die Zurückweisung des Beweisangebots verletzt den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör.

11

1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen des einschlägigen Prozessrechts die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (vgl. BVerfGE 50, 32 <35>; 60, 247 <249>). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes verstößt daher dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie aus Gründen erfolgt, die im Prozessrecht keine Stütze mehr finden (vgl. BVerfGE 50, 32 <35 f.>; 69, 141 <143 f.>; BVerfGK 13, 303 <304>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2018 - 1 BvR 612/12 -, www.bverfg.de, Rn. 31).

12

Die fehlerhafte Anwendung einer einfachrechtlichen Präklusionsvorschrift stellt nicht stets eine Gehörsverletzung dar. Sie wird aber unter anderem dann bejaht, wenn die Anwendung der Präklusionsvorschrift "offenkundig unrichtig" ist (vgl. BVerfGE 69, 145 <149>; 75, 302 <312>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Oktober 2016 - 2 BvR 1313/16 -, www.bverfg.de, Rn. 9) und die Entscheidung hierauf beruht. Das ist der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die zu Unrecht unterbliebene Anhörung das Gericht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts oder in einem wesentlichen Punkt zu einer anderen Würdigung veranlasst oder im Ganzen zu einer anderen, günstigeren Entscheidung geführt hätte (vgl. BVerfGE 112, 185 <206>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Februar 2018 - 2 BvR 549/17 -, www.bverfg.de, Rn. 7).

13

2. Die Zurückweisung des Beweisangebots ist hier das Ergebnis einer offenkundig unrichtigen Rechtsanwendung.

14

Das Amtsgericht hat die Zurückweisung ausweislich des Beschlusses über die Anhörungsrüge auf "§ 296 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 277 Abs. 4, 277 Abs. 2 und 3 ZPO" gestützt. Dabei hat es übersehen, dass die Zurückweisung nach § 296 Abs. 1 ZPO die Versäumung einer richterlichen Frist erfordert (vgl. BVerfGE 69, 126 <137>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 16. März 1989 - 1 BvR 1433/88 -, juris, Rn. 19; Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 296 Rn. 8, 8c), eine solche aber nicht gesetzt wurde. § 277 ZPO normiert hiervon keine Ausnahme. Die Vorschrift setzt eine richterliche Fristsetzung voraus (s. dazu Thole, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2018, § 277 Rn. 1).

15

Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf der offenkundig fehlerhaften Rechtsanwendung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Durchführung der Beweisaufnahme für den Beschwerdeführer erfolgreich verlaufen wäre und das Gericht deswegen der Klage hinsichtlich der Mietwagenkosten entsprochen hätte.

II.

16

Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG angezeigt, weil die Zurückweisung des Beweisangebots Ausdruck leichtfertigen Umgangs mit der Gewährleistung rechtlichen Gehörs ist (dazu BVerfGE 90, 22<25>). Da eine Zurückweisung nach der die Entscheidung tragenden Norm des § 296 Abs. 1 ZPO offensichtlich nicht in Betracht kam, hätte sich dem Amtsgericht aufdrängen müssen, dass die Zurückweisung verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist. Gleichwohl hat es noch auf die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers an ihr festgehalten.


III.

17

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

10
3. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze findet, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. nur BVerfG JZ 2015, 1053; NJW 2003, 1655; NJW 2001, 1565; WM 2009, 671, 672; BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2017 - VIII ZR 1/16, WuM 2017, 194 Rn. 10 mwN; vom 18. Mai 2017 - I ZR 205/16, juris Rn. 7 mwN). Dies gilt auch dann, wenn die gebotene Beweisaufnahme unterbleibt, weil das Gericht die Grundsätze der Wahrunterstellung missachtet und die Behauptung der Partei nicht so übernimmt, wie sie von der Partei aufgestellt ist (vgl. nur Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2016 - VIII ZR 300/15, NZM 2017, 23 Rn. 15; Senatsurteil vom 15. März 2017 - VIII ZR 270/15, NJW 2017, 1474 Rn. 26). So liegt es hier.

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.

(2) Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie

1.
die vereinbarte Beschaffenheit hat,
2.
sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und
3.
mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.
Zu der Beschaffenheit nach Satz 1 Nummer 1 gehören Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen vereinbart haben.

(3) Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie

1.
sich für die gewöhnliche Verwendung eignet,
2.
eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung
a)
der Art der Sache und
b)
der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden,
3.
der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und
4.
mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.
Zu der üblichen Beschaffenheit nach Satz 1 Nummer 2 gehören Menge, Qualität und sonstige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit. Der Verkäufer ist durch die in Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b genannten öffentlichen Äußerungen nicht gebunden, wenn er sie nicht kannte und auch nicht kennen konnte, wenn die Äußerung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in derselben oder in gleichwertiger Weise berichtigt war oder wenn die Äußerung die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.

(4) Soweit eine Montage durchzuführen ist, entspricht die Sache den Montageanforderungen, wenn die Montage

1.
sachgemäß durchgeführt worden ist oder
2.
zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.

(5) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache als die vertraglich geschuldete Sache liefert.

4
1. Es dürfte - was das Berufungsgericht offengelassen hat - vom Vorliegen eines Sachmangels auszugehen sein. Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist eine Sache (nur dann) frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Diese Anforderungen dürfte das Fahrzeug des Klägers im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs bei Auslieferung Ende Juli 2015 nicht erfüllt haben.
43
Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (Senatsurteil vom 29. Februar 2012 - VIII ZR 155/11, NJW 2012, 1647 Rn. 16; Senatsbeschlüsse vom 16. Juli 2013 - VIII ZR 384/12, IHR 2014, 58 unter II 2 a; vom 28. Februar 2012 - VIII ZR 124/11, WuM 2012, 311 Rn. 6; vom 25. Oktober 2011 - VIII ZR 125/11, NJW 2012, 382 Rn. 14; jeweils mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 124/11
vom
28. Februar 2012
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Februar 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger, Dr. Hessel und
Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin vom 11. März 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf 44.098,92 € festgesetzt.

Gründe:

1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert nach § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO erreicht. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
2
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
3
Der Klägerin als Insolvenzverwalterin der früheren Mieterin stehe kein Anspruch auf Entschädigung für Investitionen in die Mietsache zu. Ein Anspruch aus der Vereinbarung vom 19. Februar 1996 scheitere schon deshalb, weil die Klägerin nicht ausreichend dargelegt habe, dass die in die Mietsache getätigten Investitionen aus dem Vermögen der Mieterin stammten. Die Klägerin habe lediglich vorgetragen, dass der Vater der Mieterin die von ihr vorgelegten Rechnungen für die in der Mietwohnung durchgeführten Sanierungsarbeiten aus deren von ihm verwalteten Vermögen bezahlt habe.
4
Zur Herkunft des Vermögens der Mieterin habe die Klägerin zwar vorgetragen , dass das Geld unter anderem aus der Lebensversicherung der 1985 verstorbenen Mutter der Mieterin stamme; außerdem habe die Mieterin aus der Veräußerung des Wohnungseigentums der Mutter in der G. straße 3 in Z. 125.000 DM und von ihrer Großmutter M. W. 60.000 DM aus der Veräußerung einer Immobilie in B. -K. erhalten. Es sei aber unklar, wie und ob der Vater der Klägerin überhaupt zwischen den Vermögensmassen habe trennen können und ob er nicht doch Investitionen aus eigenem Vermögen beglichen habe. Wie, wann und unter welchen Umständen der Vater der Mieterin zu Lasten ihres Vermögens gehandelt haben will, sei auch nach dem konkretisierten Vortrag der Klägerin unklar. Eine Vernehmung des Zeugen W. liefe unter diesen Umständen auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus.
5
2. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Ge- hörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat, weil es die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt hat, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02, NJW 2005, 2710 unter II 2; vom 2. Juni 2008 - II ZR 121/07, NJW-RR 2008, 1311 Rn. 2; vom 19. Juni 2008 - VII ZR 127/06, NZBau 2008, 644 Rn. 7 f.; vom 20. Mai 2010 - V ZR 201/09, juris Rn. 6).
6
a) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2011 - VIII ZR 125/11, NJW 2012, 382 Rn. 14; BGH, Urteile vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83, NJW 1984, 2888 unter II 1 a; vom 21. Januar 1999 - VII ZR 398/97, NJW 1999, 1859 unter II 2 a mwN; Beschlüsse vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02, aaO unter II 2 a; vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 8; vom 12. Juni 2008 - V ZR 223/07, juris Rn. 6 f.). Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden , ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (BGH, Urteile vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83, aaO mwN; vom 13. Dezember 2002 - V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491 unter II 2 a). Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83, aaO unter II 1 b; vom 21. Januar 1999 - VII ZR 398/97, aaO unter II 2 b; Beschlüsse vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, aaO; vom 12. Juni 2008 - V ZR 223/07, aaO Rn. 7).
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b) Den beschriebenen Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin gerecht. Die Klägerin hat unter Berufung auf die Vernehmung des Vaters der Mieterin, des Zeugen W. , behauptet, dass die aus den vorgelegten Rechnungen ersichtlichen Investitionen aus dem Vermögen der Mieterin getätigt worden seien, indem der Zeuge die Rechnungsbeträge absprachegemäß aus dem von ihm verwalteten Vermögen seiner Tochter beglichen habe. Damit hat die Klägerin schlüssig vorgetragen, dass die Mieterin Investitionen in der geltend gemachten Höhe erbracht habe, so dass der von ihr angebotene Beweis zu erheben war. Die gegenteilige Beurteilung des Berufungsgerichts beruht auf einem gravierenden Fehlverständnis der Substantiierungslast der Klägerin. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung für den Umfang der Darlegungslast regelmäßig ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteile vom 13. Dezember 2002 - V ZR 359/01, aaO; vom 12. Juni 2008 - V ZR 223/07, aaO Rn. 7; jeweils mwN). Es kommt daher insoweit nicht darauf an, ob die Ausstellung der Rechnungen auf den Zeugen W. Zweifel an der Darstellung der Klägerin begründet und ob weitere Umstände dafür sprechen könnten, dass die Investitionen nicht von der Mieterin , sondern von der damaligen Vermieterin, der W. Grundstücksverwaltungs - und -verwertungs GmbH, erbracht worden waren, für die der Zeuge W. zeichnungsberechtigt war. Derartige Umstände mögen im Rahmen der Beweiswürdigung nach Durchführung der Beweisaufnahme von Bedeutung sein, rechtfertigen es aber nicht, von der Vernehmung des benannten Zeugen abzusehen und das Vorbringen der Klägerin auf diese Weise von vornherein beiseite zu schieben.
8
3. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten zur Erbringung der Investitionen durch die Mieterin und Erhebung der dafür angebotenen Beweise zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre, ist das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 17.09.2009 - 109 C 38/09 -
LG Berlin, Entscheidung vom 11.03.2011 - 63 S 568/09 -
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aa) Entgegen der Einschätzung des Berufungsgerichts ist der Vortrag des Klägers nicht schon wegen nicht hinreichender Substantiierung unschlüssig. Der Kläger hat vielmehr nach den oben angeführten Maßstäben eine im Fall ihrer Erweislichkeit die Tatbestandsmerkmale des § 823 Abs. 1 BGB erfüllende Indizienkette vorgetragen. Dabei durfte er sich auch auf nur vermutete Tatsachen stützen, denn er kann mangels Sachkunde und Einblick in die Produktionsabläufe der Beklagten keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben , weswegen er diese als Vermutungen in den Rechtsstreit einführen können muss (vgl. Senatsurteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 31/94, VersR 1995, 433, juris Rn. 15 ff.). Ein Vortrag "ins Blaue hinein" oder "aufs Geratewohl" auf der Basis von Vermutungen liegt angesichts der vom Kläger angeführten Anhalts- punkte, insbesondere der Erkrankung seiner Person sowie weiterer Kollegen und der Nähe deren Beschäftigungsortes zum Werk der Beklagten, nicht vor (vgl. Senatsurteile vom 17. Juni 1997 - VI ZR 372/95, NJW 1997, 2748, 2749 und vom 25. April 1995 - VI ZR 178/94, VersR 1995, 852, juris Rn. 13; BGH, Urteile vom 4. März 1991 - II ZR 90/90, MDR 1991, 688, juris Rn. 18; vom 19. September 1985 - IX ZR 138/84, VersR 1986, 160, juris Rn. 27 und vom 23. Oktober 1986 - VII ZR 195/85, NJW-RR 1987, 335, juris Rn. 9 sowie Zöller/Greger, 32. Aufl. 2018, vor § 284 ZPO Rn. 8 d). Soweit das Berufungsgericht aufgrund des Klägervortrags eine Verpflichtung der Beklagten angenommen hat, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näher zu ihren Produktionsabläufen vorzutragen, geht es in einem ersten Schritt zu Recht von der Schlüssigkeit des Klägervortrags aus. Das Berufungsgericht durfte aber nach dem daraufhin erfolgten, bestreitenden Vortrag der Beklagten den Eintritt in die Beweisaufnahme nicht von einer weiteren Präzisierung des Klägervortrags abhängig machen. Ob der bestreitende Vortrag der Beklagten insoweit - wie das Berufungsgericht meint - den Anforderungen der sekundären Darlegungslast genügt, kann dabei offenbleiben, denn das Berufungsgericht hat mit seiner Forderung nach präziserem Vortrag die Anforderungen an die Substantiierung des klägerischen Vorbringens überspannt.
43
Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (Senatsurteil vom 29. Februar 2012 - VIII ZR 155/11, NJW 2012, 1647 Rn. 16; Senatsbeschlüsse vom 16. Juli 2013 - VIII ZR 384/12, IHR 2014, 58 unter II 2 a; vom 28. Februar 2012 - VIII ZR 124/11, WuM 2012, 311 Rn. 6; vom 25. Oktober 2011 - VIII ZR 125/11, NJW 2012, 382 Rn. 14; jeweils mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 283/99
Verkündet am:
27. Mai 2003
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Vermag sich eine Partei an ein Geschehen nicht zu erinnern, kann sie dazu
gleichwohl eine ihr günstige Behauptung unter Zeugenbeweis stellen, wenn
sie hinreichende Anhaltspunkte dafür vorträgt, daß der Zeuge - anders als
sie selbst - das notwendige Wissen hat.
Zur Annahme eines auf einen freien Willensentschluß hindeutenden und ein
Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegenden Eigeninteresses
des finanziell kraß überforderten Bürgen an dem verbürgten Darlehen
seiner Lebensgefährtin genügt, daß eine rechtliche Beteiligung des Bürgen
an dem finanzierten Objekt konkret vorgesehen ist. Das trifft insbesondere
zu, wenn bei Übernahme der Bürgschaft der Entwurf eines notariellen Vertrags
vorliegt, durch den der Bürge hälftiges Miteigentum an dem Objekt erhalten
soll.
BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 283/99 - OLG Hamm
LG Hagen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Kirchhof, Dr. Fischer, Raebel und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Mai 1999 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 8. September 1998 im Kostenpunkt aufgehoben und insoweit abgeändert, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 250.000 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 1. September 1997 verurteilt worden ist. Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen.
Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft in Anspruch. Sie gewährte der Lebensgefährtin des Beklagten, Frau M. L. (im folgenden auch: Hauptschuldnerin) am 30. August 1994 ein ERP-Existenzgründungsdarlehen über 585.000 DM und am 6. Oktober 1994 zwei Hausbankdarlehen über 120.000 DM und 15.000 DM. Weiterhin räumte sie Frau L. am 6. Oktober 1994 einen Kontokorrentkredit über 100.000 DM ein. Die Kredite dienten gemeinsam mit einem Frau L. am 1. Juli/30. August 1994 durch die D. A. bank gewährten EKH-Eigenkapitalhilfedarlehen in Höhe von 380.000 DM dem Kauf und der Modernisierung des Hotels "W. " in St. (S. ), das Frau L. betreiben wollte.
Der Beklagte übernahm unter dem 26. September 1994 zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 1.145.000 DM. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte, der seine ursprüngliche Arbeitsstelle aufgegeben hatte, bereits für den Hotelbetrieb von Frau L. tätig. Der Beklagte und Frau L. beabsichtigten, das Hotel gemeinsam zu führen. Es war geplant, den Beklagten "eigentumsmäßig" zur Hälfte zu beteiligen ; ein entsprechender notarieller Vertrag lag im Entwurf vor. Wegen eines Gebührenstreits mit dem Amtsgericht kam es im folgenden nicht zu einer Übereignung. Als die Aufgabe des Hotelbetriebs abzusehen war, wurde der Vertrag annulliert.
Mit Schreiben vom 7. August 1997 kündigte die Klägerin der Hauptschuldnerin wegen der Aufgabe des Hotelbetriebs die von ihr gewährten Darlehen sowie namens und in Vollmacht der D. A. bank auch das EKH-Darlehen. Die Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin gegenüber der
Klägerin beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf 689.579,78 DM. Ebenfalls mit Schreiben vom 7. August 1997 nahm die Klägerin den Beklagten aus dessen Bürgschaft in Anspruch und forderte ihn auf, den offenen Debet-Saldo mit Einschluß des EKH-Darlehens in Höhe von insgesamt 1.069.579,78 DM bis zum 31. August 1997 auszugleichen.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin einen Teilbetrag von 350.000 DM nebst Zinsen geltend gemacht. Nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils einigte sich die Klägerin am 16. Dezember 1998 mit der Hauptschuldnerin und dem Beklagten , daß diese gesamtschuldnerisch nur noch für einen Betrag von 250.000 DM nebst Zinsen aus dem im Obligo stehenden Kreditengagement der Klägerin haften. Von dieser Vereinbarung blieb das EKH-Darlehen in Höhe von 380.000 DM ausdrücklich ausgenommen.
Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und wegen des 250.000 DM nebst Zinsen übersteigenden Betrages (EKH-Darlehen) zur Klageabweisung, im übrigen zur Zurückverweisung.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von dem Beklagten übernommene Bürgschaft sei wirksam. Insbesondere habe es sich nicht um eine gegen das Schriftformgebot verstoßende sogenannte Blankobürgschaft gehandelt. Der Bürgschaftsvertrag sei trotz der Höhe des Bürgschaftsbetrages auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Zwar dürfte ein Mißverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Beklagten bestehen. Beide Lebensgefährten hätten in ihrer Selbstauskunft vom 20. September 1994 ein "sonstiges Vermögen" (Guthaben, Wertpapiere) in Höhe von 30.000 DM und 70.000 DM angegeben. Diese für sich genommen nicht unbedeutende Summe falle gegenüber dem Höchstbetragsrahmen der Bürgschaft von 1.145.000 DM nicht ins Gewicht. Auch das in der Selbstauskunft des Beklagten angegebene monatliche "Fixum + Provision in Höhe von 1.500,00 DM" habe für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten keine Bedeutung. Indessen hätten der Beklagte und die Hauptschuldnerin vorgehabt, das Hotel "W. " gemeinsam zu betreiben. Der Durchführung dieses Vorhabens hätten nicht nur die Kredite der Hauptschuldnerin, sondern auch die Bürgschaft des Beklagten gedient. Diese sei deshalb für ihn ein wirtschaftlich sinnvolles Geschäft gewesen, das maßgeblich von unabhängigen, eigenverantwortlichen Erwägungen des Beklagten gesteuert worden sei, die ihre Ursache außerhalb seiner persönlichen Beziehung zu der Hauptschuldnerin gehabt hätten. Soweit der Beklagte behaupte, die Zeugin Str. - Zweigstellenleiterin der Klägerin - habe vor Unterzeichnung der Bürgschaft ausdrücklich erklärt, daß sie diese nur "pro-forma" benötige, sei dem wegen des Vorhabens, das Hotel "W. " gemeinsam mit der Hauptschuldnerin zu betreiben, keine Bedeutung beizumessen.
Die Klägerin sei auch berechtigt, den Beklagten über den aus dem Gesamtobligo verbleibenden Betrag von 250.000 DM hinaus in Höhe von weiteren 100.000 DM aus dem EKH-Darlehen der D. A. bank in Anspruch zu nehmen. Aus Sinn und Zweck des Darlehensvertrages zwischen der Hauptschuldnerin und der D. A. bank folge, daß die darin mit der Verwaltung des Darlehens betraute Klägerin rechtlich die Stellung einer mittelbaren Stellvertreterin wahrnehmen sollte. Nach den Vertragsbestimmungen sei vorrangig die Klägerin Ansprechpartnerin der Hauptschuldnerin und des Beklagten gewesen, die durch die Weiterleitung der ihr als Hausbank zur Verfügung gestellten Darlehensvaluta jedenfalls im eigenen Namen berechtigt und verpflichtet werden sollte.

II.


Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft die Voraussetzungen einer Blankobürgschaft verneint, greift durch.
Fehlt in der Bürgschaftsurkunde mindestens eines der zur Wahrung der Schriftform unabdingbaren Merkmale und hat der Bürge einen anderen mündlich ermächtigt, die fehlenden Angaben zu ergänzen, handelt es sich um eine unwirksame Bürgschaft (BGHZ 132, 119, 122 f). Danach ist die Schriftform nur gewahrt, wenn die Urkunde außer dem Willen, für fremde Schuld einzustehen, auch die Bezeichnung des Gläubigers, des Hauptschuldners und der verbürg-
ten Forderung enthält (BGHZ 76, 187, 189; BGH, Urt. v. 3. Dezember 1992 - IX ZR 29/92, NJW 1993, 724, 725; v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886 f).
Der Beklagte hat behauptet, er habe die Bürgschaftsurkunde unterzeichnet , als weder die Person des Bürgen noch die Höhe von Darlehens- und Bürgschaftsverpflichtung eingetragen gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der gemäß § 141 ZPO angehörte Beklagte allerdings erklärt, er wisse nicht mehr, ob das Bürgschaftsformular blanko von ihm unterzeichnet worden sei. Er könne sich weder auf die eine noch auf die andere Richtung festlegen.
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht von einer Beweisaufnahme abgesehen. Der Beklagte hat in der Berufungsbegründung substantiiert ausgeführt, das Bürgschaftsformular sei bei der Unterzeichnung durch ihn nicht ausgefüllt gewesen. Einer Partei darf nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Sie kann deshalb genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen (BGH, Urt. v. 25. März 1987 - IVa ZR 224/85, NJW 1988, 60, 63 m.w.N.; v. 20. Juni 2002 - IX ZR 177/99, ZIP 2002, 1408, 1410). Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (BGH, Urt. v. 4. März 1991 - II ZR 90/90, NJW-RR 1991, 888, 891 m.w.N.; v. 23. April 1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; v. 25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, 1968; v. 25. April 1995 - VI ZR 178/94, NJW 1995, 2111,
2112; v. 17. September 1998 - III ZR 174/97, NJW-RR 1999, 361). Bei der An- nahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 23. April 1991, aaO; v. 25. Februar 1992, aaO; v. 25. April 1995, aaO; v. 17. September 1998, aaO).
Hier hat der Beklagte für die Richtigkeit seiner Behauptungen die Zeuginnen L. und Str. benannt und zugleich hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß diese Zeuginnen - anders als er selbst - wissen und bekunden können, die Bürgschaftsurkunde habe nicht den zu einer formwirksamen Bürgschaft nötigen Inhalt gehabt, als er sie unterschrieb.
2. Ein weiterer Verfahrensverstoß ist dem Berufungsgericht bei der Verneinung der tatsächlichen Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft unterlaufen.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft allein wegen krasser Überforderung des Beklagten und seiner emotionalen Verbindung zur Hauptschuldnerin abgelehnt.
aa) Zwar wird der Beklagte - wie das Berufungsgericht richtig ausführt - durch die Bürgschaft wirtschaftlich kraß überfordert. Es bestand auch eine emotionale Verbundenheit zur Hauptschuldnerin, weil der Beklagte mit ihr in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebte; insofern sind Lebensgefährten und Ehepartner gleich zu behandeln (BGH, Urt. v. 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, NJW 2002, 744, 745 m.w.N.). Unter diesen Umständen wird widerleglich vermutet, daß die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus
emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen wurde und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGH, Urt. v. 4. Dezember 2001, aaO; v. 26. April 2001 - IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466, 2467 m.w.N.; v. 13. November 2001 - XI ZR 82/01, NJW 2002, 746).
bb) Diese tatsächliche Vermutung ist jedoch widerlegt. Der Beklagte hat sich bei der Übernahme der Bürgschaft von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos leiten lassen.
Ein auf einen freien Willensentschluß hindeutendes und ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegendes Eigeninteresse des finanziell kraß überforderten Partners an der Darlehensgewährung ist grundsätzlich zu bejahen, wenn er zusammen mit dem Lebensgefährten ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen sind (BGHZ 146, 37, 42, 45; BGH, Urt. v. 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, NJW 2000, 1182, 1184; Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 12). Bei wirtschaftlicher Betrachtung besteht dann kein wesentlicher Unterschied zu den Fällen, in denen die Lebensgefährten den Kredit als gleichberechtigte Vertragspartner aufgenommen und verwandt haben. Als eigener geldwerter Vorteil kommt auch der Erwerb von Miteigentum an den mit den Krediten finanzierten Gegenständen in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 27. Januar 2000, aaO S. 1184).
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Beklagte zusammen mit der Hauptschuldnerin ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hatte. Der von der Klägerin finanzierte Hotel- und Restaurantbetrieb sei als Investitionsmodell für die Zukunft beider Lebenspartner gedacht
gewesen. Der Beklagte habe mit seiner Lebensgefährtin eine neue Existenz in den neuen Bundesländern aufbauen wollen. Deshalb hat das Berufungsgericht die Bürgschaft als Investition zum Aufbau einer Existenz und den beabsichtigten Betrieb des Hotels als "joint venture" beider Lebenspartner gewertet. Der Beklagte habe selbst erklärt, von ihm und der Hauptschuldnerin sei beabsichtigt gewesen, das Hotel gemeinsam zu führen. Es sei geplant gewesen, ihn später eigentumsmäßig zur Hälfte zu beteiligen. Ein entsprechender notarieller Vertrag sei bereits entworfen worden. Zu einer Übereignung sei es aber wegen eines langwierigen Gebührenstreits mit dem Amtsgericht nicht gekommen. Es sei dann auch die Aufgabe des Hotelbetriebs abzusehen gewesen, so daß der Vertrag annulliert worden sei. Unbestritten hat der Beklagte zudem etwa 120.000 DM in das Objekt investiert.
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Interesse des Beklagten an dem Vorhaben der Hauptschuldnerin habe sich auf Hoffnungen und Erwartungen beschränkt. Der Beklagte sei zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung weder rechtlich noch wirtschaftlich an dem Projekt der Hauptschuldnerin beteiligt gewesen. Anders als die Revision meint, kommt es nicht darauf an, ob die Erwartungen des Bürgen, am Erfolg des Unternehmens beteiligt zu werden, rechtlich abgesichert sind. Ob ein wirtschaftliches Eigeninteresse vorliegt, ist in erster Linie eine tatsächliche Frage. Daher genügt es für ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Bürgen, wenn für ihn bei Abgabe seiner Bürgschaftserklärung eine realistische Aussicht besteht, unmittelbar von der Kreditgewährung zu profitieren. Hier lag bereits der Entwurf eines notariellen Vertrages vor, mit dem der Beklagte hälftiges Eigentum am Hotel erhalten sollte. Daß sich diese Aussichten nach der Bürgschaftserklärung aus Gründen zerschlugen, die die Klägerin nicht zu vertreten hat, beseitigt das bei der Bürgschaftserklärung be-
stehende wirtschaftliche Eigeninteresse des Beklagten nicht. Daher genügt es, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen der - nach der Planung der Lebensgefährten - auch dem Beklagten unmittelbar zugute kommenden Verwendung des Darlehens und der Bürgschaft nicht zu leugnen ist (vgl. BGH, Urt. v. 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, NJW 1999, 135 zur Umschuldung bei Krediten , die ein Ehegatte aufgenommen hat). So liegt der Fall hier.
cc) Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Klägerin die Bürgschaft auch oder allein deshalb verlangt hat, weil sie die Nachteile möglicher Vermögensverschiebungen ausgleichen wollte. Da die Bürgschaft angesichts des von wirtschaftlich vernünftigen Erwägungen geleiteten Eigeninteresses des Beklagten von der Klägerin nicht in sittenwidriger Weise erlangt ist, führt es nicht zur Sittenwidrigkeit, wenn die von der Gläubigerin verfolgten (anderen) Motive für die Bürgschaftsbestellung nicht vorliegen oder ein Schutz vor Vermögensverschiebungen rechtlich nicht erheblich sein sollte (so nunmehr BGH, Urt. v. 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, NJW 2002, 2228 ff; v. 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01, NJW 2002, 2230 ff). Daher kann dahinstehen, ob die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Schlüssigkeit der entsprechenden Einwendungen des Beklagten zutreffen.

b) Eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft ist jedoch zu bejahen, wenn die Behauptung des Beklagten zutreffen sollte, die Zweigstellenleiterin der Klägerin habe vor Unterzeichnung der Bürgschaft erklärt, die Bürgschaft sei eine Formsache, sie benötige diese nur pro forma.
Wirkt das Kreditinstitut selbst in unzulässiger Weise auf die Entschließung des finanziell überforderten Bürgen ein, indem es durch Angestellte die
Tragweite der Bürgschaft verharmlost oder verschleiert, insbesondere die Unterschrift als reine Formalität darstellt, kann dies die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft begründen (vgl. BGHZ 120, 272, 277; BGH, Urt. v. 24. Februar 1994 - IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341, 1343; v. 8. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, NJW 1999, 135, 136). Dabei kommt es jedoch auf die Gesamtumstände an. So fehlt es an einer sittenwidrigen Beeinträchtigung der Willensfreiheit, wenn es sich für die Beteiligten erkennbar nur um eine allgemeine Redensart ohne inhaltliche Aussage über Umfang und Bedeutung des Risikos handelt (BGH, Urt. v. 5. Januar 1955 - IV ZR 112/54, WM 1955, 375, 376; v. 24. Februar 1994, aaO S. 1344; vgl. auch BGH, Urt. v. 15. April 1997 - IX ZR 112/96, NJW 1997, 3230, 3231).
Im Streitfall liegt eine unzulässige Einflußnahme der Klägerin auf den Beklagten vor, wenn sich die Richtigkeit seiner Behauptungen beweisen sollte. In der Klageerwiderung des Beklagten heißt es insoweit:
"Der Beklagte wies darauf hin, daß er nach Kündigung seines Anstellungsvertrages bei seiner Arbeitgeberin zunächst über kein Einkommen verfügte und hoffte, zukünftig ein angemessenes Einkommen in dem geplanten Hotelbetrieb seiner Lebensgefährtin erarbeiten zu können. Gerade für den Fall, daß das Hotel nicht rentabel betrieben werden konnte und infolgedessen Kredite notleidend werden könnten, hätte ja auch der Beklagte kein Einkommen mehr, so daß die Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung genau für den Fall, daß die Bürgschaft in Anspruch genommen werden müßte, mangels eines Einkommens des Beklagten gar nicht erfüllt werden könnte (und zwar unabhängig von der Höhe der Bürgschaft). Die Zweigstellenleiterin der Klägerin erklärte daraufhin, daß sie die Bürgschaft nur pro forma benötige, woraufhin der Beklagte das Bürgschaftsformular schließlich unterschrieb."

Zum Beweis für dieses Vorbringen hat der Beklagte sich auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin berufen. In der Berufungsbegründung hat der Beklagte ausgeführt:
"Ein weiterer besonderer Umstand, welcher die Bürgschaft als Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden erscheinen läßt, liegt darin begründet, daß die Zeugin Str. vor Unterzeichnung des Vertrages ausdrücklich erklärt hat, daß sie die Bürgschaft nur 'pro forma' benötige."
Zum Beweis für diese Behauptung hat sich der Beklagte wiederum auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin und zusätzlich auf das von H. Str. , der Zweigstellenleiterin der Klägerin, berufen. Schließlich hat der Beklagte in der Berufungsinstanz im Schriftsatz vom 12. April 1999 vorgetragen:
"Bei der Bürgschaftsübernahme erbat deren [d.h. der Klägerin] Mitarbeiterin Str. vom Beklagten eine Einkommensbescheinigung seines Arbeitgebers. Der Beklagte erklärte dazu, daß er ohnehin früher als freier Handelsvertreter tätig gewesen sei und zudem diese Tätigkeit schon lange nicht mehr ausübe. ... Als Reaktion darauf erklärte die klägerische Mitarbeiterin Str. , daß es dann auch so gehe, weil die Bürgschaft ja ohnehin nur eine Formsache sei."
Zum Beweis für dieses Vorbringen hat der Beklagte sich erneut auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin und von H. Str. berufen.
Erweisen sich diese Behauptungen als richtig, wurde insbesondere die Erklärung des Beklagten, er könne im Bürgschaftsfall gar nicht zahlen, mit dem
Hinweis beantwortet, die Klägerin benötige die Bürgschaft nur pro forma, konnte der Beklagte dem entnehmen, er werde unter den von ihm geschilderten Umständen im Bürgschaftsfall nicht in Anspruch genommen werden. Wenn er im Vertrauen darauf die Bürgschaftsurkunde unterschrieb, handelt die Klägerin anstößig, wenn sie den durch die Bürgschaft finanziell kraß überforderten Beklagten gleichwohl an seiner Erklärung festhält; der Bürgschaftsvertrag ist dann wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

III.


Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben.
1. Soweit die Klägerin 250.000 DM nebst Zinsen wegen der Verbürgung für die von ihr ausgelegten Kredite begehrt, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die für die Behauptungen des Beklagten zur "Blanko-" und zur "pro-forma-Bürgschaft" angetretenen Beweise erheben kann.
2. Soweit die Klage auf eine Verbürgung des EKH-Darlehens gestützt wird, ist die Sache zur Endentscheidung reif. In diesem Umfang ist die Klage abzuweisen, weil dieses Darlehen von der Bürgschaft nicht umfaßt wird.

a) Der Grund dafür ist freilich nicht in der Unwirksamkeit der formularmäßig weiten Zweckerklärung zu suchen (vgl. insoweit § 9 Abs. 1 AGBG [jetzt § 307 Abs. 1 BGB n.F.]; BGHZ 130, 19, 32 f). Die von der Klägerin geltend gemachten Kredite sind sämtlich Anlaßkredite für die Bürgschaft gewesen. Maß-
geblich ist der objektive Anlaß, der sich nach dem aktuellen Sicherungsbedürfnis des Gläubigers und der Wahrung des Verbots der Fremddisposition richtet (BGHZ 130, 19, 33 f). Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung waren den Beteiligten unstreitig alle beantragten Kreditmittel bekannt, zu deren Sicherung die Bürgschaft dienen sollte, insbesondere standen Kreditbeträge und Kreditgeber bereits fest. Daß die Hauptschuldnerin einzelne Kreditverträge erst kurze Zeit nach der Bürgschaftserklärung rechtsverbindlich unterzeichnete, steht daher der Einordnung als Anlaßkredit nicht im Wege.

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sichert die Bürgschaft jedoch nicht das EKH-Darlehen. Die D. A. bank ist nicht Gläubigerin der Bürgschaft; die Bürgschaftsurkunde bezeichnet allein die Klägerin als Gläubigerin.
Bei dem EKH-Darlehen handelt es sich auch nicht um Ansprüche der Klägerin, die von der Bürgschaft umfaßt sein könnten. Der Darlehensvertrag wurde zwischen der Hauptschuldnerin und der D. A. bank abgeschlossen. Die Hauptschuldnerin beantragte die Gewährung dieses Darlehens unmittelbar bei der D. A. bank. Die Klägerin sollte das Darlehen zwar verwalten, jedoch im Namen der D. A. bank. Hierzu erklärte sich die Klägerin im Begleitschreiben zum Darlehensantrag der Hauptschuldnerin ausdrücklich bereit. Dementsprechend ist die Klägerin verfahren ; soweit ersichtlich, hat sie Erklärungen bezüglich des Darlehens der D. A. bank immer in deren Namen abgegeben. Dies gilt insbesondere auch für die Kündigung der Kredite. Das EKH-Darlehen hat die Klägerin gesondert und ausdrücklich "namens und in Vollmacht der D. A. bank handelnd" gekündigt. Bei der Angabe der Gesamtverbindlichkeiten
in dem an die Hauptschuldnerin gerichteten Kündigungsschreiben bezog die Klägerin das EKH-Darlehen nicht ein. Danach besteht - wie die Revision zutreffend rügt - kein Anhaltspunkt für die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe im Hinblick auf das EKH-Darlehen die Stellung einer mittelbaren Stellvertreterin wahrnehmen sollen. Dazu hätte die Klägerin zumindest im eigenen Namen handeln müssen. Dies hat sie an keiner Stelle getan; auch das Berufungsgericht zeigt ein solches Handeln der Klägerin in bezug auf das EKH-Darlehen nicht auf. Bei der Vereinbarung vom 16. Dezember 1998 hat die Klägerin das EKH-Darlehen ausdrücklich ausgenommen und ausgeführt, daß dieses "neben der Forderung der Klägerin besteht und im Obligo der D. A. bank in B. steht". Damit hat die Klägerin selbst klar zu erkennen gegeben, daß auch sie bezüglich des EKH-Darlehens nicht von einer eigenen Forderung gegen die Hauptschuldnerin ausging. Daß die D. A. bank nach der Auffassung des Berufungsgerichts "möglichst weit außen vorgehalten werden sollte", mag zwar als Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse zutreffen, enthält jedoch keinen Anknüpfungspunkt für die allein nach rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilende Frage, ob die Klägerin Ansprüche aus dem EKH-Darlehen im eigenen Namen geltend machen durfte. Auch die Klägerin hat hierzu im Prozeß nichts vorgetragen. Vielmehr hat sie erklärt, daß das EKH-Darlehen "von der D. A. bank über die Klägerin als eingeschaltete Primärbank gewährt worden" sei. Dies genügt nicht, um die Forderung aus dem EKH-Darlehen zu einer eigenen Forderung der Klägerin zu machen, die durch die Bürgschaft gesichert wird.
Kreft Kirchhof Fischer Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bergmann ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen
Raebel Kreft
15
bb) Dem Erfordernis einer Beweisaufnahme steht auch nicht entgegen, dass Grundlage der klägerischen Behauptung eine Vermutung ist. Häufig muss eine Partei Tatsachen behaupten, über die sie eine genaue Kenntnis nicht haben kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Von Rechts wegen ist sie grundsätzlich nicht gehindert, solche Behauptungen in den Prozess einzuführen und eine Beweisaufnahme darüber zu erwirken. Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 283/99, NJW-RR 2004, 337 unter II 1 mwN).
13
aa) Entgegen der Einschätzung des Berufungsgerichts ist der Vortrag des Klägers nicht schon wegen nicht hinreichender Substantiierung unschlüssig. Der Kläger hat vielmehr nach den oben angeführten Maßstäben eine im Fall ihrer Erweislichkeit die Tatbestandsmerkmale des § 823 Abs. 1 BGB erfüllende Indizienkette vorgetragen. Dabei durfte er sich auch auf nur vermutete Tatsachen stützen, denn er kann mangels Sachkunde und Einblick in die Produktionsabläufe der Beklagten keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben , weswegen er diese als Vermutungen in den Rechtsstreit einführen können muss (vgl. Senatsurteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 31/94, VersR 1995, 433, juris Rn. 15 ff.). Ein Vortrag "ins Blaue hinein" oder "aufs Geratewohl" auf der Basis von Vermutungen liegt angesichts der vom Kläger angeführten Anhalts- punkte, insbesondere der Erkrankung seiner Person sowie weiterer Kollegen und der Nähe deren Beschäftigungsortes zum Werk der Beklagten, nicht vor (vgl. Senatsurteile vom 17. Juni 1997 - VI ZR 372/95, NJW 1997, 2748, 2749 und vom 25. April 1995 - VI ZR 178/94, VersR 1995, 852, juris Rn. 13; BGH, Urteile vom 4. März 1991 - II ZR 90/90, MDR 1991, 688, juris Rn. 18; vom 19. September 1985 - IX ZR 138/84, VersR 1986, 160, juris Rn. 27 und vom 23. Oktober 1986 - VII ZR 195/85, NJW-RR 1987, 335, juris Rn. 9 sowie Zöller/Greger, 32. Aufl. 2018, vor § 284 ZPO Rn. 8 d). Soweit das Berufungsgericht aufgrund des Klägervortrags eine Verpflichtung der Beklagten angenommen hat, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näher zu ihren Produktionsabläufen vorzutragen, geht es in einem ersten Schritt zu Recht von der Schlüssigkeit des Klägervortrags aus. Das Berufungsgericht durfte aber nach dem daraufhin erfolgten, bestreitenden Vortrag der Beklagten den Eintritt in die Beweisaufnahme nicht von einer weiteren Präzisierung des Klägervortrags abhängig machen. Ob der bestreitende Vortrag der Beklagten insoweit - wie das Berufungsgericht meint - den Anforderungen der sekundären Darlegungslast genügt, kann dabei offenbleiben, denn das Berufungsgericht hat mit seiner Forderung nach präziserem Vortrag die Anforderungen an die Substantiierung des klägerischen Vorbringens überspannt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 283/99
Verkündet am:
27. Mai 2003
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Vermag sich eine Partei an ein Geschehen nicht zu erinnern, kann sie dazu
gleichwohl eine ihr günstige Behauptung unter Zeugenbeweis stellen, wenn
sie hinreichende Anhaltspunkte dafür vorträgt, daß der Zeuge - anders als
sie selbst - das notwendige Wissen hat.
Zur Annahme eines auf einen freien Willensentschluß hindeutenden und ein
Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegenden Eigeninteresses
des finanziell kraß überforderten Bürgen an dem verbürgten Darlehen
seiner Lebensgefährtin genügt, daß eine rechtliche Beteiligung des Bürgen
an dem finanzierten Objekt konkret vorgesehen ist. Das trifft insbesondere
zu, wenn bei Übernahme der Bürgschaft der Entwurf eines notariellen Vertrags
vorliegt, durch den der Bürge hälftiges Miteigentum an dem Objekt erhalten
soll.
BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 283/99 - OLG Hamm
LG Hagen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Kirchhof, Dr. Fischer, Raebel und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Mai 1999 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 8. September 1998 im Kostenpunkt aufgehoben und insoweit abgeändert, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 250.000 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 1. September 1997 verurteilt worden ist. Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen.
Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft in Anspruch. Sie gewährte der Lebensgefährtin des Beklagten, Frau M. L. (im folgenden auch: Hauptschuldnerin) am 30. August 1994 ein ERP-Existenzgründungsdarlehen über 585.000 DM und am 6. Oktober 1994 zwei Hausbankdarlehen über 120.000 DM und 15.000 DM. Weiterhin räumte sie Frau L. am 6. Oktober 1994 einen Kontokorrentkredit über 100.000 DM ein. Die Kredite dienten gemeinsam mit einem Frau L. am 1. Juli/30. August 1994 durch die D. A. bank gewährten EKH-Eigenkapitalhilfedarlehen in Höhe von 380.000 DM dem Kauf und der Modernisierung des Hotels "W. " in St. (S. ), das Frau L. betreiben wollte.
Der Beklagte übernahm unter dem 26. September 1994 zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 1.145.000 DM. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte, der seine ursprüngliche Arbeitsstelle aufgegeben hatte, bereits für den Hotelbetrieb von Frau L. tätig. Der Beklagte und Frau L. beabsichtigten, das Hotel gemeinsam zu führen. Es war geplant, den Beklagten "eigentumsmäßig" zur Hälfte zu beteiligen ; ein entsprechender notarieller Vertrag lag im Entwurf vor. Wegen eines Gebührenstreits mit dem Amtsgericht kam es im folgenden nicht zu einer Übereignung. Als die Aufgabe des Hotelbetriebs abzusehen war, wurde der Vertrag annulliert.
Mit Schreiben vom 7. August 1997 kündigte die Klägerin der Hauptschuldnerin wegen der Aufgabe des Hotelbetriebs die von ihr gewährten Darlehen sowie namens und in Vollmacht der D. A. bank auch das EKH-Darlehen. Die Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin gegenüber der
Klägerin beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf 689.579,78 DM. Ebenfalls mit Schreiben vom 7. August 1997 nahm die Klägerin den Beklagten aus dessen Bürgschaft in Anspruch und forderte ihn auf, den offenen Debet-Saldo mit Einschluß des EKH-Darlehens in Höhe von insgesamt 1.069.579,78 DM bis zum 31. August 1997 auszugleichen.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin einen Teilbetrag von 350.000 DM nebst Zinsen geltend gemacht. Nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils einigte sich die Klägerin am 16. Dezember 1998 mit der Hauptschuldnerin und dem Beklagten , daß diese gesamtschuldnerisch nur noch für einen Betrag von 250.000 DM nebst Zinsen aus dem im Obligo stehenden Kreditengagement der Klägerin haften. Von dieser Vereinbarung blieb das EKH-Darlehen in Höhe von 380.000 DM ausdrücklich ausgenommen.
Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und wegen des 250.000 DM nebst Zinsen übersteigenden Betrages (EKH-Darlehen) zur Klageabweisung, im übrigen zur Zurückverweisung.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von dem Beklagten übernommene Bürgschaft sei wirksam. Insbesondere habe es sich nicht um eine gegen das Schriftformgebot verstoßende sogenannte Blankobürgschaft gehandelt. Der Bürgschaftsvertrag sei trotz der Höhe des Bürgschaftsbetrages auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Zwar dürfte ein Mißverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Beklagten bestehen. Beide Lebensgefährten hätten in ihrer Selbstauskunft vom 20. September 1994 ein "sonstiges Vermögen" (Guthaben, Wertpapiere) in Höhe von 30.000 DM und 70.000 DM angegeben. Diese für sich genommen nicht unbedeutende Summe falle gegenüber dem Höchstbetragsrahmen der Bürgschaft von 1.145.000 DM nicht ins Gewicht. Auch das in der Selbstauskunft des Beklagten angegebene monatliche "Fixum + Provision in Höhe von 1.500,00 DM" habe für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten keine Bedeutung. Indessen hätten der Beklagte und die Hauptschuldnerin vorgehabt, das Hotel "W. " gemeinsam zu betreiben. Der Durchführung dieses Vorhabens hätten nicht nur die Kredite der Hauptschuldnerin, sondern auch die Bürgschaft des Beklagten gedient. Diese sei deshalb für ihn ein wirtschaftlich sinnvolles Geschäft gewesen, das maßgeblich von unabhängigen, eigenverantwortlichen Erwägungen des Beklagten gesteuert worden sei, die ihre Ursache außerhalb seiner persönlichen Beziehung zu der Hauptschuldnerin gehabt hätten. Soweit der Beklagte behaupte, die Zeugin Str. - Zweigstellenleiterin der Klägerin - habe vor Unterzeichnung der Bürgschaft ausdrücklich erklärt, daß sie diese nur "pro-forma" benötige, sei dem wegen des Vorhabens, das Hotel "W. " gemeinsam mit der Hauptschuldnerin zu betreiben, keine Bedeutung beizumessen.
Die Klägerin sei auch berechtigt, den Beklagten über den aus dem Gesamtobligo verbleibenden Betrag von 250.000 DM hinaus in Höhe von weiteren 100.000 DM aus dem EKH-Darlehen der D. A. bank in Anspruch zu nehmen. Aus Sinn und Zweck des Darlehensvertrages zwischen der Hauptschuldnerin und der D. A. bank folge, daß die darin mit der Verwaltung des Darlehens betraute Klägerin rechtlich die Stellung einer mittelbaren Stellvertreterin wahrnehmen sollte. Nach den Vertragsbestimmungen sei vorrangig die Klägerin Ansprechpartnerin der Hauptschuldnerin und des Beklagten gewesen, die durch die Weiterleitung der ihr als Hausbank zur Verfügung gestellten Darlehensvaluta jedenfalls im eigenen Namen berechtigt und verpflichtet werden sollte.

II.


Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft die Voraussetzungen einer Blankobürgschaft verneint, greift durch.
Fehlt in der Bürgschaftsurkunde mindestens eines der zur Wahrung der Schriftform unabdingbaren Merkmale und hat der Bürge einen anderen mündlich ermächtigt, die fehlenden Angaben zu ergänzen, handelt es sich um eine unwirksame Bürgschaft (BGHZ 132, 119, 122 f). Danach ist die Schriftform nur gewahrt, wenn die Urkunde außer dem Willen, für fremde Schuld einzustehen, auch die Bezeichnung des Gläubigers, des Hauptschuldners und der verbürg-
ten Forderung enthält (BGHZ 76, 187, 189; BGH, Urt. v. 3. Dezember 1992 - IX ZR 29/92, NJW 1993, 724, 725; v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886 f).
Der Beklagte hat behauptet, er habe die Bürgschaftsurkunde unterzeichnet , als weder die Person des Bürgen noch die Höhe von Darlehens- und Bürgschaftsverpflichtung eingetragen gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der gemäß § 141 ZPO angehörte Beklagte allerdings erklärt, er wisse nicht mehr, ob das Bürgschaftsformular blanko von ihm unterzeichnet worden sei. Er könne sich weder auf die eine noch auf die andere Richtung festlegen.
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht von einer Beweisaufnahme abgesehen. Der Beklagte hat in der Berufungsbegründung substantiiert ausgeführt, das Bürgschaftsformular sei bei der Unterzeichnung durch ihn nicht ausgefüllt gewesen. Einer Partei darf nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Sie kann deshalb genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen (BGH, Urt. v. 25. März 1987 - IVa ZR 224/85, NJW 1988, 60, 63 m.w.N.; v. 20. Juni 2002 - IX ZR 177/99, ZIP 2002, 1408, 1410). Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (BGH, Urt. v. 4. März 1991 - II ZR 90/90, NJW-RR 1991, 888, 891 m.w.N.; v. 23. April 1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; v. 25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, 1968; v. 25. April 1995 - VI ZR 178/94, NJW 1995, 2111,
2112; v. 17. September 1998 - III ZR 174/97, NJW-RR 1999, 361). Bei der An- nahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 23. April 1991, aaO; v. 25. Februar 1992, aaO; v. 25. April 1995, aaO; v. 17. September 1998, aaO).
Hier hat der Beklagte für die Richtigkeit seiner Behauptungen die Zeuginnen L. und Str. benannt und zugleich hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß diese Zeuginnen - anders als er selbst - wissen und bekunden können, die Bürgschaftsurkunde habe nicht den zu einer formwirksamen Bürgschaft nötigen Inhalt gehabt, als er sie unterschrieb.
2. Ein weiterer Verfahrensverstoß ist dem Berufungsgericht bei der Verneinung der tatsächlichen Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft unterlaufen.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft allein wegen krasser Überforderung des Beklagten und seiner emotionalen Verbindung zur Hauptschuldnerin abgelehnt.
aa) Zwar wird der Beklagte - wie das Berufungsgericht richtig ausführt - durch die Bürgschaft wirtschaftlich kraß überfordert. Es bestand auch eine emotionale Verbundenheit zur Hauptschuldnerin, weil der Beklagte mit ihr in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebte; insofern sind Lebensgefährten und Ehepartner gleich zu behandeln (BGH, Urt. v. 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, NJW 2002, 744, 745 m.w.N.). Unter diesen Umständen wird widerleglich vermutet, daß die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus
emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen wurde und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGH, Urt. v. 4. Dezember 2001, aaO; v. 26. April 2001 - IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466, 2467 m.w.N.; v. 13. November 2001 - XI ZR 82/01, NJW 2002, 746).
bb) Diese tatsächliche Vermutung ist jedoch widerlegt. Der Beklagte hat sich bei der Übernahme der Bürgschaft von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos leiten lassen.
Ein auf einen freien Willensentschluß hindeutendes und ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegendes Eigeninteresse des finanziell kraß überforderten Partners an der Darlehensgewährung ist grundsätzlich zu bejahen, wenn er zusammen mit dem Lebensgefährten ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen sind (BGHZ 146, 37, 42, 45; BGH, Urt. v. 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, NJW 2000, 1182, 1184; Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 12). Bei wirtschaftlicher Betrachtung besteht dann kein wesentlicher Unterschied zu den Fällen, in denen die Lebensgefährten den Kredit als gleichberechtigte Vertragspartner aufgenommen und verwandt haben. Als eigener geldwerter Vorteil kommt auch der Erwerb von Miteigentum an den mit den Krediten finanzierten Gegenständen in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 27. Januar 2000, aaO S. 1184).
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Beklagte zusammen mit der Hauptschuldnerin ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hatte. Der von der Klägerin finanzierte Hotel- und Restaurantbetrieb sei als Investitionsmodell für die Zukunft beider Lebenspartner gedacht
gewesen. Der Beklagte habe mit seiner Lebensgefährtin eine neue Existenz in den neuen Bundesländern aufbauen wollen. Deshalb hat das Berufungsgericht die Bürgschaft als Investition zum Aufbau einer Existenz und den beabsichtigten Betrieb des Hotels als "joint venture" beider Lebenspartner gewertet. Der Beklagte habe selbst erklärt, von ihm und der Hauptschuldnerin sei beabsichtigt gewesen, das Hotel gemeinsam zu führen. Es sei geplant gewesen, ihn später eigentumsmäßig zur Hälfte zu beteiligen. Ein entsprechender notarieller Vertrag sei bereits entworfen worden. Zu einer Übereignung sei es aber wegen eines langwierigen Gebührenstreits mit dem Amtsgericht nicht gekommen. Es sei dann auch die Aufgabe des Hotelbetriebs abzusehen gewesen, so daß der Vertrag annulliert worden sei. Unbestritten hat der Beklagte zudem etwa 120.000 DM in das Objekt investiert.
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Interesse des Beklagten an dem Vorhaben der Hauptschuldnerin habe sich auf Hoffnungen und Erwartungen beschränkt. Der Beklagte sei zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung weder rechtlich noch wirtschaftlich an dem Projekt der Hauptschuldnerin beteiligt gewesen. Anders als die Revision meint, kommt es nicht darauf an, ob die Erwartungen des Bürgen, am Erfolg des Unternehmens beteiligt zu werden, rechtlich abgesichert sind. Ob ein wirtschaftliches Eigeninteresse vorliegt, ist in erster Linie eine tatsächliche Frage. Daher genügt es für ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Bürgen, wenn für ihn bei Abgabe seiner Bürgschaftserklärung eine realistische Aussicht besteht, unmittelbar von der Kreditgewährung zu profitieren. Hier lag bereits der Entwurf eines notariellen Vertrages vor, mit dem der Beklagte hälftiges Eigentum am Hotel erhalten sollte. Daß sich diese Aussichten nach der Bürgschaftserklärung aus Gründen zerschlugen, die die Klägerin nicht zu vertreten hat, beseitigt das bei der Bürgschaftserklärung be-
stehende wirtschaftliche Eigeninteresse des Beklagten nicht. Daher genügt es, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen der - nach der Planung der Lebensgefährten - auch dem Beklagten unmittelbar zugute kommenden Verwendung des Darlehens und der Bürgschaft nicht zu leugnen ist (vgl. BGH, Urt. v. 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, NJW 1999, 135 zur Umschuldung bei Krediten , die ein Ehegatte aufgenommen hat). So liegt der Fall hier.
cc) Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Klägerin die Bürgschaft auch oder allein deshalb verlangt hat, weil sie die Nachteile möglicher Vermögensverschiebungen ausgleichen wollte. Da die Bürgschaft angesichts des von wirtschaftlich vernünftigen Erwägungen geleiteten Eigeninteresses des Beklagten von der Klägerin nicht in sittenwidriger Weise erlangt ist, führt es nicht zur Sittenwidrigkeit, wenn die von der Gläubigerin verfolgten (anderen) Motive für die Bürgschaftsbestellung nicht vorliegen oder ein Schutz vor Vermögensverschiebungen rechtlich nicht erheblich sein sollte (so nunmehr BGH, Urt. v. 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, NJW 2002, 2228 ff; v. 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01, NJW 2002, 2230 ff). Daher kann dahinstehen, ob die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Schlüssigkeit der entsprechenden Einwendungen des Beklagten zutreffen.

b) Eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft ist jedoch zu bejahen, wenn die Behauptung des Beklagten zutreffen sollte, die Zweigstellenleiterin der Klägerin habe vor Unterzeichnung der Bürgschaft erklärt, die Bürgschaft sei eine Formsache, sie benötige diese nur pro forma.
Wirkt das Kreditinstitut selbst in unzulässiger Weise auf die Entschließung des finanziell überforderten Bürgen ein, indem es durch Angestellte die
Tragweite der Bürgschaft verharmlost oder verschleiert, insbesondere die Unterschrift als reine Formalität darstellt, kann dies die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft begründen (vgl. BGHZ 120, 272, 277; BGH, Urt. v. 24. Februar 1994 - IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341, 1343; v. 8. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, NJW 1999, 135, 136). Dabei kommt es jedoch auf die Gesamtumstände an. So fehlt es an einer sittenwidrigen Beeinträchtigung der Willensfreiheit, wenn es sich für die Beteiligten erkennbar nur um eine allgemeine Redensart ohne inhaltliche Aussage über Umfang und Bedeutung des Risikos handelt (BGH, Urt. v. 5. Januar 1955 - IV ZR 112/54, WM 1955, 375, 376; v. 24. Februar 1994, aaO S. 1344; vgl. auch BGH, Urt. v. 15. April 1997 - IX ZR 112/96, NJW 1997, 3230, 3231).
Im Streitfall liegt eine unzulässige Einflußnahme der Klägerin auf den Beklagten vor, wenn sich die Richtigkeit seiner Behauptungen beweisen sollte. In der Klageerwiderung des Beklagten heißt es insoweit:
"Der Beklagte wies darauf hin, daß er nach Kündigung seines Anstellungsvertrages bei seiner Arbeitgeberin zunächst über kein Einkommen verfügte und hoffte, zukünftig ein angemessenes Einkommen in dem geplanten Hotelbetrieb seiner Lebensgefährtin erarbeiten zu können. Gerade für den Fall, daß das Hotel nicht rentabel betrieben werden konnte und infolgedessen Kredite notleidend werden könnten, hätte ja auch der Beklagte kein Einkommen mehr, so daß die Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung genau für den Fall, daß die Bürgschaft in Anspruch genommen werden müßte, mangels eines Einkommens des Beklagten gar nicht erfüllt werden könnte (und zwar unabhängig von der Höhe der Bürgschaft). Die Zweigstellenleiterin der Klägerin erklärte daraufhin, daß sie die Bürgschaft nur pro forma benötige, woraufhin der Beklagte das Bürgschaftsformular schließlich unterschrieb."

Zum Beweis für dieses Vorbringen hat der Beklagte sich auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin berufen. In der Berufungsbegründung hat der Beklagte ausgeführt:
"Ein weiterer besonderer Umstand, welcher die Bürgschaft als Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden erscheinen läßt, liegt darin begründet, daß die Zeugin Str. vor Unterzeichnung des Vertrages ausdrücklich erklärt hat, daß sie die Bürgschaft nur 'pro forma' benötige."
Zum Beweis für diese Behauptung hat sich der Beklagte wiederum auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin und zusätzlich auf das von H. Str. , der Zweigstellenleiterin der Klägerin, berufen. Schließlich hat der Beklagte in der Berufungsinstanz im Schriftsatz vom 12. April 1999 vorgetragen:
"Bei der Bürgschaftsübernahme erbat deren [d.h. der Klägerin] Mitarbeiterin Str. vom Beklagten eine Einkommensbescheinigung seines Arbeitgebers. Der Beklagte erklärte dazu, daß er ohnehin früher als freier Handelsvertreter tätig gewesen sei und zudem diese Tätigkeit schon lange nicht mehr ausübe. ... Als Reaktion darauf erklärte die klägerische Mitarbeiterin Str. , daß es dann auch so gehe, weil die Bürgschaft ja ohnehin nur eine Formsache sei."
Zum Beweis für dieses Vorbringen hat der Beklagte sich erneut auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin und von H. Str. berufen.
Erweisen sich diese Behauptungen als richtig, wurde insbesondere die Erklärung des Beklagten, er könne im Bürgschaftsfall gar nicht zahlen, mit dem
Hinweis beantwortet, die Klägerin benötige die Bürgschaft nur pro forma, konnte der Beklagte dem entnehmen, er werde unter den von ihm geschilderten Umständen im Bürgschaftsfall nicht in Anspruch genommen werden. Wenn er im Vertrauen darauf die Bürgschaftsurkunde unterschrieb, handelt die Klägerin anstößig, wenn sie den durch die Bürgschaft finanziell kraß überforderten Beklagten gleichwohl an seiner Erklärung festhält; der Bürgschaftsvertrag ist dann wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

III.


Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben.
1. Soweit die Klägerin 250.000 DM nebst Zinsen wegen der Verbürgung für die von ihr ausgelegten Kredite begehrt, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die für die Behauptungen des Beklagten zur "Blanko-" und zur "pro-forma-Bürgschaft" angetretenen Beweise erheben kann.
2. Soweit die Klage auf eine Verbürgung des EKH-Darlehens gestützt wird, ist die Sache zur Endentscheidung reif. In diesem Umfang ist die Klage abzuweisen, weil dieses Darlehen von der Bürgschaft nicht umfaßt wird.

a) Der Grund dafür ist freilich nicht in der Unwirksamkeit der formularmäßig weiten Zweckerklärung zu suchen (vgl. insoweit § 9 Abs. 1 AGBG [jetzt § 307 Abs. 1 BGB n.F.]; BGHZ 130, 19, 32 f). Die von der Klägerin geltend gemachten Kredite sind sämtlich Anlaßkredite für die Bürgschaft gewesen. Maß-
geblich ist der objektive Anlaß, der sich nach dem aktuellen Sicherungsbedürfnis des Gläubigers und der Wahrung des Verbots der Fremddisposition richtet (BGHZ 130, 19, 33 f). Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung waren den Beteiligten unstreitig alle beantragten Kreditmittel bekannt, zu deren Sicherung die Bürgschaft dienen sollte, insbesondere standen Kreditbeträge und Kreditgeber bereits fest. Daß die Hauptschuldnerin einzelne Kreditverträge erst kurze Zeit nach der Bürgschaftserklärung rechtsverbindlich unterzeichnete, steht daher der Einordnung als Anlaßkredit nicht im Wege.

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sichert die Bürgschaft jedoch nicht das EKH-Darlehen. Die D. A. bank ist nicht Gläubigerin der Bürgschaft; die Bürgschaftsurkunde bezeichnet allein die Klägerin als Gläubigerin.
Bei dem EKH-Darlehen handelt es sich auch nicht um Ansprüche der Klägerin, die von der Bürgschaft umfaßt sein könnten. Der Darlehensvertrag wurde zwischen der Hauptschuldnerin und der D. A. bank abgeschlossen. Die Hauptschuldnerin beantragte die Gewährung dieses Darlehens unmittelbar bei der D. A. bank. Die Klägerin sollte das Darlehen zwar verwalten, jedoch im Namen der D. A. bank. Hierzu erklärte sich die Klägerin im Begleitschreiben zum Darlehensantrag der Hauptschuldnerin ausdrücklich bereit. Dementsprechend ist die Klägerin verfahren ; soweit ersichtlich, hat sie Erklärungen bezüglich des Darlehens der D. A. bank immer in deren Namen abgegeben. Dies gilt insbesondere auch für die Kündigung der Kredite. Das EKH-Darlehen hat die Klägerin gesondert und ausdrücklich "namens und in Vollmacht der D. A. bank handelnd" gekündigt. Bei der Angabe der Gesamtverbindlichkeiten
in dem an die Hauptschuldnerin gerichteten Kündigungsschreiben bezog die Klägerin das EKH-Darlehen nicht ein. Danach besteht - wie die Revision zutreffend rügt - kein Anhaltspunkt für die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe im Hinblick auf das EKH-Darlehen die Stellung einer mittelbaren Stellvertreterin wahrnehmen sollen. Dazu hätte die Klägerin zumindest im eigenen Namen handeln müssen. Dies hat sie an keiner Stelle getan; auch das Berufungsgericht zeigt ein solches Handeln der Klägerin in bezug auf das EKH-Darlehen nicht auf. Bei der Vereinbarung vom 16. Dezember 1998 hat die Klägerin das EKH-Darlehen ausdrücklich ausgenommen und ausgeführt, daß dieses "neben der Forderung der Klägerin besteht und im Obligo der D. A. bank in B. steht". Damit hat die Klägerin selbst klar zu erkennen gegeben, daß auch sie bezüglich des EKH-Darlehens nicht von einer eigenen Forderung gegen die Hauptschuldnerin ausging. Daß die D. A. bank nach der Auffassung des Berufungsgerichts "möglichst weit außen vorgehalten werden sollte", mag zwar als Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse zutreffen, enthält jedoch keinen Anknüpfungspunkt für die allein nach rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilende Frage, ob die Klägerin Ansprüche aus dem EKH-Darlehen im eigenen Namen geltend machen durfte. Auch die Klägerin hat hierzu im Prozeß nichts vorgetragen. Vielmehr hat sie erklärt, daß das EKH-Darlehen "von der D. A. bank über die Klägerin als eingeschaltete Primärbank gewährt worden" sei. Dies genügt nicht, um die Forderung aus dem EKH-Darlehen zu einer eigenen Forderung der Klägerin zu machen, die durch die Bürgschaft gesichert wird.
Kreft Kirchhof Fischer Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bergmann ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen
Raebel Kreft
20
Ein unbeachtlicher Vortrag „ins Blaue hinein“, wie ihn das Berufungsge- richt hier in Betracht zieht, kann anzunehmen sein, wenn eine Partei, gestützt auf bloße Vermutungen, ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen aufstellt (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1991 - II ZR 90/90, WM 1991, 942, 946 f.; Urteil vom 29. Juli 2014 - II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 60; Urteil vom 9. Dezember 2015 - IV ZR 272/15, VersR 2016, 177 Rn. 24; Urteil vom 22. Dezember 2015 - VI ZR 101/14, juris Rn. 41; Urteil vom 22. Januar 2016 - V ZR 27/14, juris Rn. 48). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Beklagte hat aufgrund eigener (behaupteter) Kenntnis konkreten Vortrag gehalten. In der auf entgegenstehende Indizien gestützten Bewertung dieses Vortrags als unerheb- lich ohne Erhebung der angebotenen Beweise läge eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung.
13
aa) Entgegen der Einschätzung des Berufungsgerichts ist der Vortrag des Klägers nicht schon wegen nicht hinreichender Substantiierung unschlüssig. Der Kläger hat vielmehr nach den oben angeführten Maßstäben eine im Fall ihrer Erweislichkeit die Tatbestandsmerkmale des § 823 Abs. 1 BGB erfüllende Indizienkette vorgetragen. Dabei durfte er sich auch auf nur vermutete Tatsachen stützen, denn er kann mangels Sachkunde und Einblick in die Produktionsabläufe der Beklagten keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben , weswegen er diese als Vermutungen in den Rechtsstreit einführen können muss (vgl. Senatsurteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 31/94, VersR 1995, 433, juris Rn. 15 ff.). Ein Vortrag "ins Blaue hinein" oder "aufs Geratewohl" auf der Basis von Vermutungen liegt angesichts der vom Kläger angeführten Anhalts- punkte, insbesondere der Erkrankung seiner Person sowie weiterer Kollegen und der Nähe deren Beschäftigungsortes zum Werk der Beklagten, nicht vor (vgl. Senatsurteile vom 17. Juni 1997 - VI ZR 372/95, NJW 1997, 2748, 2749 und vom 25. April 1995 - VI ZR 178/94, VersR 1995, 852, juris Rn. 13; BGH, Urteile vom 4. März 1991 - II ZR 90/90, MDR 1991, 688, juris Rn. 18; vom 19. September 1985 - IX ZR 138/84, VersR 1986, 160, juris Rn. 27 und vom 23. Oktober 1986 - VII ZR 195/85, NJW-RR 1987, 335, juris Rn. 9 sowie Zöller/Greger, 32. Aufl. 2018, vor § 284 ZPO Rn. 8 d). Soweit das Berufungsgericht aufgrund des Klägervortrags eine Verpflichtung der Beklagten angenommen hat, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näher zu ihren Produktionsabläufen vorzutragen, geht es in einem ersten Schritt zu Recht von der Schlüssigkeit des Klägervortrags aus. Das Berufungsgericht durfte aber nach dem daraufhin erfolgten, bestreitenden Vortrag der Beklagten den Eintritt in die Beweisaufnahme nicht von einer weiteren Präzisierung des Klägervortrags abhängig machen. Ob der bestreitende Vortrag der Beklagten insoweit - wie das Berufungsgericht meint - den Anforderungen der sekundären Darlegungslast genügt, kann dabei offenbleiben, denn das Berufungsgericht hat mit seiner Forderung nach präziserem Vortrag die Anforderungen an die Substantiierung des klägerischen Vorbringens überspannt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 283/99
Verkündet am:
27. Mai 2003
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Vermag sich eine Partei an ein Geschehen nicht zu erinnern, kann sie dazu
gleichwohl eine ihr günstige Behauptung unter Zeugenbeweis stellen, wenn
sie hinreichende Anhaltspunkte dafür vorträgt, daß der Zeuge - anders als
sie selbst - das notwendige Wissen hat.
Zur Annahme eines auf einen freien Willensentschluß hindeutenden und ein
Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegenden Eigeninteresses
des finanziell kraß überforderten Bürgen an dem verbürgten Darlehen
seiner Lebensgefährtin genügt, daß eine rechtliche Beteiligung des Bürgen
an dem finanzierten Objekt konkret vorgesehen ist. Das trifft insbesondere
zu, wenn bei Übernahme der Bürgschaft der Entwurf eines notariellen Vertrags
vorliegt, durch den der Bürge hälftiges Miteigentum an dem Objekt erhalten
soll.
BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 283/99 - OLG Hamm
LG Hagen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die Richter
Kirchhof, Dr. Fischer, Raebel und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Mai 1999 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 8. September 1998 im Kostenpunkt aufgehoben und insoweit abgeändert, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 250.000 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 1. September 1997 verurteilt worden ist. Im Umfang der Abänderung wird die Klage abgewiesen.
Im übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft in Anspruch. Sie gewährte der Lebensgefährtin des Beklagten, Frau M. L. (im folgenden auch: Hauptschuldnerin) am 30. August 1994 ein ERP-Existenzgründungsdarlehen über 585.000 DM und am 6. Oktober 1994 zwei Hausbankdarlehen über 120.000 DM und 15.000 DM. Weiterhin räumte sie Frau L. am 6. Oktober 1994 einen Kontokorrentkredit über 100.000 DM ein. Die Kredite dienten gemeinsam mit einem Frau L. am 1. Juli/30. August 1994 durch die D. A. bank gewährten EKH-Eigenkapitalhilfedarlehen in Höhe von 380.000 DM dem Kauf und der Modernisierung des Hotels "W. " in St. (S. ), das Frau L. betreiben wollte.
Der Beklagte übernahm unter dem 26. September 1994 zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 1.145.000 DM. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte, der seine ursprüngliche Arbeitsstelle aufgegeben hatte, bereits für den Hotelbetrieb von Frau L. tätig. Der Beklagte und Frau L. beabsichtigten, das Hotel gemeinsam zu führen. Es war geplant, den Beklagten "eigentumsmäßig" zur Hälfte zu beteiligen ; ein entsprechender notarieller Vertrag lag im Entwurf vor. Wegen eines Gebührenstreits mit dem Amtsgericht kam es im folgenden nicht zu einer Übereignung. Als die Aufgabe des Hotelbetriebs abzusehen war, wurde der Vertrag annulliert.
Mit Schreiben vom 7. August 1997 kündigte die Klägerin der Hauptschuldnerin wegen der Aufgabe des Hotelbetriebs die von ihr gewährten Darlehen sowie namens und in Vollmacht der D. A. bank auch das EKH-Darlehen. Die Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin gegenüber der
Klägerin beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf 689.579,78 DM. Ebenfalls mit Schreiben vom 7. August 1997 nahm die Klägerin den Beklagten aus dessen Bürgschaft in Anspruch und forderte ihn auf, den offenen Debet-Saldo mit Einschluß des EKH-Darlehens in Höhe von insgesamt 1.069.579,78 DM bis zum 31. August 1997 auszugleichen.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin einen Teilbetrag von 350.000 DM nebst Zinsen geltend gemacht. Nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils einigte sich die Klägerin am 16. Dezember 1998 mit der Hauptschuldnerin und dem Beklagten , daß diese gesamtschuldnerisch nur noch für einen Betrag von 250.000 DM nebst Zinsen aus dem im Obligo stehenden Kreditengagement der Klägerin haften. Von dieser Vereinbarung blieb das EKH-Darlehen in Höhe von 380.000 DM ausdrücklich ausgenommen.
Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und wegen des 250.000 DM nebst Zinsen übersteigenden Betrages (EKH-Darlehen) zur Klageabweisung, im übrigen zur Zurückverweisung.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die von dem Beklagten übernommene Bürgschaft sei wirksam. Insbesondere habe es sich nicht um eine gegen das Schriftformgebot verstoßende sogenannte Blankobürgschaft gehandelt. Der Bürgschaftsvertrag sei trotz der Höhe des Bürgschaftsbetrages auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Zwar dürfte ein Mißverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Beklagten bestehen. Beide Lebensgefährten hätten in ihrer Selbstauskunft vom 20. September 1994 ein "sonstiges Vermögen" (Guthaben, Wertpapiere) in Höhe von 30.000 DM und 70.000 DM angegeben. Diese für sich genommen nicht unbedeutende Summe falle gegenüber dem Höchstbetragsrahmen der Bürgschaft von 1.145.000 DM nicht ins Gewicht. Auch das in der Selbstauskunft des Beklagten angegebene monatliche "Fixum + Provision in Höhe von 1.500,00 DM" habe für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten keine Bedeutung. Indessen hätten der Beklagte und die Hauptschuldnerin vorgehabt, das Hotel "W. " gemeinsam zu betreiben. Der Durchführung dieses Vorhabens hätten nicht nur die Kredite der Hauptschuldnerin, sondern auch die Bürgschaft des Beklagten gedient. Diese sei deshalb für ihn ein wirtschaftlich sinnvolles Geschäft gewesen, das maßgeblich von unabhängigen, eigenverantwortlichen Erwägungen des Beklagten gesteuert worden sei, die ihre Ursache außerhalb seiner persönlichen Beziehung zu der Hauptschuldnerin gehabt hätten. Soweit der Beklagte behaupte, die Zeugin Str. - Zweigstellenleiterin der Klägerin - habe vor Unterzeichnung der Bürgschaft ausdrücklich erklärt, daß sie diese nur "pro-forma" benötige, sei dem wegen des Vorhabens, das Hotel "W. " gemeinsam mit der Hauptschuldnerin zu betreiben, keine Bedeutung beizumessen.
Die Klägerin sei auch berechtigt, den Beklagten über den aus dem Gesamtobligo verbleibenden Betrag von 250.000 DM hinaus in Höhe von weiteren 100.000 DM aus dem EKH-Darlehen der D. A. bank in Anspruch zu nehmen. Aus Sinn und Zweck des Darlehensvertrages zwischen der Hauptschuldnerin und der D. A. bank folge, daß die darin mit der Verwaltung des Darlehens betraute Klägerin rechtlich die Stellung einer mittelbaren Stellvertreterin wahrnehmen sollte. Nach den Vertragsbestimmungen sei vorrangig die Klägerin Ansprechpartnerin der Hauptschuldnerin und des Beklagten gewesen, die durch die Weiterleitung der ihr als Hausbank zur Verfügung gestellten Darlehensvaluta jedenfalls im eigenen Namen berechtigt und verpflichtet werden sollte.

II.


Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft die Voraussetzungen einer Blankobürgschaft verneint, greift durch.
Fehlt in der Bürgschaftsurkunde mindestens eines der zur Wahrung der Schriftform unabdingbaren Merkmale und hat der Bürge einen anderen mündlich ermächtigt, die fehlenden Angaben zu ergänzen, handelt es sich um eine unwirksame Bürgschaft (BGHZ 132, 119, 122 f). Danach ist die Schriftform nur gewahrt, wenn die Urkunde außer dem Willen, für fremde Schuld einzustehen, auch die Bezeichnung des Gläubigers, des Hauptschuldners und der verbürg-
ten Forderung enthält (BGHZ 76, 187, 189; BGH, Urt. v. 3. Dezember 1992 - IX ZR 29/92, NJW 1993, 724, 725; v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886 f).
Der Beklagte hat behauptet, er habe die Bürgschaftsurkunde unterzeichnet , als weder die Person des Bürgen noch die Höhe von Darlehens- und Bürgschaftsverpflichtung eingetragen gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der gemäß § 141 ZPO angehörte Beklagte allerdings erklärt, er wisse nicht mehr, ob das Bürgschaftsformular blanko von ihm unterzeichnet worden sei. Er könne sich weder auf die eine noch auf die andere Richtung festlegen.
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht von einer Beweisaufnahme abgesehen. Der Beklagte hat in der Berufungsbegründung substantiiert ausgeführt, das Bürgschaftsformular sei bei der Unterzeichnung durch ihn nicht ausgefüllt gewesen. Einer Partei darf nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Sie kann deshalb genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen (BGH, Urt. v. 25. März 1987 - IVa ZR 224/85, NJW 1988, 60, 63 m.w.N.; v. 20. Juni 2002 - IX ZR 177/99, ZIP 2002, 1408, 1410). Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (BGH, Urt. v. 4. März 1991 - II ZR 90/90, NJW-RR 1991, 888, 891 m.w.N.; v. 23. April 1991 - X ZR 77/89, NJW 1991, 2707, 2709; v. 25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, 1968; v. 25. April 1995 - VI ZR 178/94, NJW 1995, 2111,
2112; v. 17. September 1998 - III ZR 174/97, NJW-RR 1999, 361). Bei der An- nahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 23. April 1991, aaO; v. 25. Februar 1992, aaO; v. 25. April 1995, aaO; v. 17. September 1998, aaO).
Hier hat der Beklagte für die Richtigkeit seiner Behauptungen die Zeuginnen L. und Str. benannt und zugleich hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß diese Zeuginnen - anders als er selbst - wissen und bekunden können, die Bürgschaftsurkunde habe nicht den zu einer formwirksamen Bürgschaft nötigen Inhalt gehabt, als er sie unterschrieb.
2. Ein weiterer Verfahrensverstoß ist dem Berufungsgericht bei der Verneinung der tatsächlichen Voraussetzungen für eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft unterlaufen.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft allein wegen krasser Überforderung des Beklagten und seiner emotionalen Verbindung zur Hauptschuldnerin abgelehnt.
aa) Zwar wird der Beklagte - wie das Berufungsgericht richtig ausführt - durch die Bürgschaft wirtschaftlich kraß überfordert. Es bestand auch eine emotionale Verbundenheit zur Hauptschuldnerin, weil der Beklagte mit ihr in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebte; insofern sind Lebensgefährten und Ehepartner gleich zu behandeln (BGH, Urt. v. 4. Dezember 2001 - XI ZR 56/01, NJW 2002, 744, 745 m.w.N.). Unter diesen Umständen wird widerleglich vermutet, daß die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus
emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen wurde und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (BGH, Urt. v. 4. Dezember 2001, aaO; v. 26. April 2001 - IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466, 2467 m.w.N.; v. 13. November 2001 - XI ZR 82/01, NJW 2002, 746).
bb) Diese tatsächliche Vermutung ist jedoch widerlegt. Der Beklagte hat sich bei der Übernahme der Bürgschaft von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos leiten lassen.
Ein auf einen freien Willensentschluß hindeutendes und ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegendes Eigeninteresse des finanziell kraß überforderten Partners an der Darlehensgewährung ist grundsätzlich zu bejahen, wenn er zusammen mit dem Lebensgefährten ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen sind (BGHZ 146, 37, 42, 45; BGH, Urt. v. 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, NJW 2000, 1182, 1184; Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 12). Bei wirtschaftlicher Betrachtung besteht dann kein wesentlicher Unterschied zu den Fällen, in denen die Lebensgefährten den Kredit als gleichberechtigte Vertragspartner aufgenommen und verwandt haben. Als eigener geldwerter Vorteil kommt auch der Erwerb von Miteigentum an den mit den Krediten finanzierten Gegenständen in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 27. Januar 2000, aaO S. 1184).
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Beklagte zusammen mit der Hauptschuldnerin ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hatte. Der von der Klägerin finanzierte Hotel- und Restaurantbetrieb sei als Investitionsmodell für die Zukunft beider Lebenspartner gedacht
gewesen. Der Beklagte habe mit seiner Lebensgefährtin eine neue Existenz in den neuen Bundesländern aufbauen wollen. Deshalb hat das Berufungsgericht die Bürgschaft als Investition zum Aufbau einer Existenz und den beabsichtigten Betrieb des Hotels als "joint venture" beider Lebenspartner gewertet. Der Beklagte habe selbst erklärt, von ihm und der Hauptschuldnerin sei beabsichtigt gewesen, das Hotel gemeinsam zu führen. Es sei geplant gewesen, ihn später eigentumsmäßig zur Hälfte zu beteiligen. Ein entsprechender notarieller Vertrag sei bereits entworfen worden. Zu einer Übereignung sei es aber wegen eines langwierigen Gebührenstreits mit dem Amtsgericht nicht gekommen. Es sei dann auch die Aufgabe des Hotelbetriebs abzusehen gewesen, so daß der Vertrag annulliert worden sei. Unbestritten hat der Beklagte zudem etwa 120.000 DM in das Objekt investiert.
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Interesse des Beklagten an dem Vorhaben der Hauptschuldnerin habe sich auf Hoffnungen und Erwartungen beschränkt. Der Beklagte sei zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung weder rechtlich noch wirtschaftlich an dem Projekt der Hauptschuldnerin beteiligt gewesen. Anders als die Revision meint, kommt es nicht darauf an, ob die Erwartungen des Bürgen, am Erfolg des Unternehmens beteiligt zu werden, rechtlich abgesichert sind. Ob ein wirtschaftliches Eigeninteresse vorliegt, ist in erster Linie eine tatsächliche Frage. Daher genügt es für ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Bürgen, wenn für ihn bei Abgabe seiner Bürgschaftserklärung eine realistische Aussicht besteht, unmittelbar von der Kreditgewährung zu profitieren. Hier lag bereits der Entwurf eines notariellen Vertrages vor, mit dem der Beklagte hälftiges Eigentum am Hotel erhalten sollte. Daß sich diese Aussichten nach der Bürgschaftserklärung aus Gründen zerschlugen, die die Klägerin nicht zu vertreten hat, beseitigt das bei der Bürgschaftserklärung be-
stehende wirtschaftliche Eigeninteresse des Beklagten nicht. Daher genügt es, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen der - nach der Planung der Lebensgefährten - auch dem Beklagten unmittelbar zugute kommenden Verwendung des Darlehens und der Bürgschaft nicht zu leugnen ist (vgl. BGH, Urt. v. 6. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, NJW 1999, 135 zur Umschuldung bei Krediten , die ein Ehegatte aufgenommen hat). So liegt der Fall hier.
cc) Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Klägerin die Bürgschaft auch oder allein deshalb verlangt hat, weil sie die Nachteile möglicher Vermögensverschiebungen ausgleichen wollte. Da die Bürgschaft angesichts des von wirtschaftlich vernünftigen Erwägungen geleiteten Eigeninteresses des Beklagten von der Klägerin nicht in sittenwidriger Weise erlangt ist, führt es nicht zur Sittenwidrigkeit, wenn die von der Gläubigerin verfolgten (anderen) Motive für die Bürgschaftsbestellung nicht vorliegen oder ein Schutz vor Vermögensverschiebungen rechtlich nicht erheblich sein sollte (so nunmehr BGH, Urt. v. 14. Mai 2002 - XI ZR 50/01, NJW 2002, 2228 ff; v. 14. Mai 2002 - XI ZR 81/01, NJW 2002, 2230 ff). Daher kann dahinstehen, ob die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Schlüssigkeit der entsprechenden Einwendungen des Beklagten zutreffen.

b) Eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft ist jedoch zu bejahen, wenn die Behauptung des Beklagten zutreffen sollte, die Zweigstellenleiterin der Klägerin habe vor Unterzeichnung der Bürgschaft erklärt, die Bürgschaft sei eine Formsache, sie benötige diese nur pro forma.
Wirkt das Kreditinstitut selbst in unzulässiger Weise auf die Entschließung des finanziell überforderten Bürgen ein, indem es durch Angestellte die
Tragweite der Bürgschaft verharmlost oder verschleiert, insbesondere die Unterschrift als reine Formalität darstellt, kann dies die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft begründen (vgl. BGHZ 120, 272, 277; BGH, Urt. v. 24. Februar 1994 - IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341, 1343; v. 8. Oktober 1998 - XI ZR 244/97, NJW 1999, 135, 136). Dabei kommt es jedoch auf die Gesamtumstände an. So fehlt es an einer sittenwidrigen Beeinträchtigung der Willensfreiheit, wenn es sich für die Beteiligten erkennbar nur um eine allgemeine Redensart ohne inhaltliche Aussage über Umfang und Bedeutung des Risikos handelt (BGH, Urt. v. 5. Januar 1955 - IV ZR 112/54, WM 1955, 375, 376; v. 24. Februar 1994, aaO S. 1344; vgl. auch BGH, Urt. v. 15. April 1997 - IX ZR 112/96, NJW 1997, 3230, 3231).
Im Streitfall liegt eine unzulässige Einflußnahme der Klägerin auf den Beklagten vor, wenn sich die Richtigkeit seiner Behauptungen beweisen sollte. In der Klageerwiderung des Beklagten heißt es insoweit:
"Der Beklagte wies darauf hin, daß er nach Kündigung seines Anstellungsvertrages bei seiner Arbeitgeberin zunächst über kein Einkommen verfügte und hoffte, zukünftig ein angemessenes Einkommen in dem geplanten Hotelbetrieb seiner Lebensgefährtin erarbeiten zu können. Gerade für den Fall, daß das Hotel nicht rentabel betrieben werden konnte und infolgedessen Kredite notleidend werden könnten, hätte ja auch der Beklagte kein Einkommen mehr, so daß die Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung genau für den Fall, daß die Bürgschaft in Anspruch genommen werden müßte, mangels eines Einkommens des Beklagten gar nicht erfüllt werden könnte (und zwar unabhängig von der Höhe der Bürgschaft). Die Zweigstellenleiterin der Klägerin erklärte daraufhin, daß sie die Bürgschaft nur pro forma benötige, woraufhin der Beklagte das Bürgschaftsformular schließlich unterschrieb."

Zum Beweis für dieses Vorbringen hat der Beklagte sich auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin berufen. In der Berufungsbegründung hat der Beklagte ausgeführt:
"Ein weiterer besonderer Umstand, welcher die Bürgschaft als Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden erscheinen läßt, liegt darin begründet, daß die Zeugin Str. vor Unterzeichnung des Vertrages ausdrücklich erklärt hat, daß sie die Bürgschaft nur 'pro forma' benötige."
Zum Beweis für diese Behauptung hat sich der Beklagte wiederum auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin und zusätzlich auf das von H. Str. , der Zweigstellenleiterin der Klägerin, berufen. Schließlich hat der Beklagte in der Berufungsinstanz im Schriftsatz vom 12. April 1999 vorgetragen:
"Bei der Bürgschaftsübernahme erbat deren [d.h. der Klägerin] Mitarbeiterin Str. vom Beklagten eine Einkommensbescheinigung seines Arbeitgebers. Der Beklagte erklärte dazu, daß er ohnehin früher als freier Handelsvertreter tätig gewesen sei und zudem diese Tätigkeit schon lange nicht mehr ausübe. ... Als Reaktion darauf erklärte die klägerische Mitarbeiterin Str. , daß es dann auch so gehe, weil die Bürgschaft ja ohnehin nur eine Formsache sei."
Zum Beweis für dieses Vorbringen hat der Beklagte sich erneut auf das Zeugnis der Hauptschuldnerin und von H. Str. berufen.
Erweisen sich diese Behauptungen als richtig, wurde insbesondere die Erklärung des Beklagten, er könne im Bürgschaftsfall gar nicht zahlen, mit dem
Hinweis beantwortet, die Klägerin benötige die Bürgschaft nur pro forma, konnte der Beklagte dem entnehmen, er werde unter den von ihm geschilderten Umständen im Bürgschaftsfall nicht in Anspruch genommen werden. Wenn er im Vertrauen darauf die Bürgschaftsurkunde unterschrieb, handelt die Klägerin anstößig, wenn sie den durch die Bürgschaft finanziell kraß überforderten Beklagten gleichwohl an seiner Erklärung festhält; der Bürgschaftsvertrag ist dann wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

III.


Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben.
1. Soweit die Klägerin 250.000 DM nebst Zinsen wegen der Verbürgung für die von ihr ausgelegten Kredite begehrt, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die für die Behauptungen des Beklagten zur "Blanko-" und zur "pro-forma-Bürgschaft" angetretenen Beweise erheben kann.
2. Soweit die Klage auf eine Verbürgung des EKH-Darlehens gestützt wird, ist die Sache zur Endentscheidung reif. In diesem Umfang ist die Klage abzuweisen, weil dieses Darlehen von der Bürgschaft nicht umfaßt wird.

a) Der Grund dafür ist freilich nicht in der Unwirksamkeit der formularmäßig weiten Zweckerklärung zu suchen (vgl. insoweit § 9 Abs. 1 AGBG [jetzt § 307 Abs. 1 BGB n.F.]; BGHZ 130, 19, 32 f). Die von der Klägerin geltend gemachten Kredite sind sämtlich Anlaßkredite für die Bürgschaft gewesen. Maß-
geblich ist der objektive Anlaß, der sich nach dem aktuellen Sicherungsbedürfnis des Gläubigers und der Wahrung des Verbots der Fremddisposition richtet (BGHZ 130, 19, 33 f). Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung waren den Beteiligten unstreitig alle beantragten Kreditmittel bekannt, zu deren Sicherung die Bürgschaft dienen sollte, insbesondere standen Kreditbeträge und Kreditgeber bereits fest. Daß die Hauptschuldnerin einzelne Kreditverträge erst kurze Zeit nach der Bürgschaftserklärung rechtsverbindlich unterzeichnete, steht daher der Einordnung als Anlaßkredit nicht im Wege.

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sichert die Bürgschaft jedoch nicht das EKH-Darlehen. Die D. A. bank ist nicht Gläubigerin der Bürgschaft; die Bürgschaftsurkunde bezeichnet allein die Klägerin als Gläubigerin.
Bei dem EKH-Darlehen handelt es sich auch nicht um Ansprüche der Klägerin, die von der Bürgschaft umfaßt sein könnten. Der Darlehensvertrag wurde zwischen der Hauptschuldnerin und der D. A. bank abgeschlossen. Die Hauptschuldnerin beantragte die Gewährung dieses Darlehens unmittelbar bei der D. A. bank. Die Klägerin sollte das Darlehen zwar verwalten, jedoch im Namen der D. A. bank. Hierzu erklärte sich die Klägerin im Begleitschreiben zum Darlehensantrag der Hauptschuldnerin ausdrücklich bereit. Dementsprechend ist die Klägerin verfahren ; soweit ersichtlich, hat sie Erklärungen bezüglich des Darlehens der D. A. bank immer in deren Namen abgegeben. Dies gilt insbesondere auch für die Kündigung der Kredite. Das EKH-Darlehen hat die Klägerin gesondert und ausdrücklich "namens und in Vollmacht der D. A. bank handelnd" gekündigt. Bei der Angabe der Gesamtverbindlichkeiten
in dem an die Hauptschuldnerin gerichteten Kündigungsschreiben bezog die Klägerin das EKH-Darlehen nicht ein. Danach besteht - wie die Revision zutreffend rügt - kein Anhaltspunkt für die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe im Hinblick auf das EKH-Darlehen die Stellung einer mittelbaren Stellvertreterin wahrnehmen sollen. Dazu hätte die Klägerin zumindest im eigenen Namen handeln müssen. Dies hat sie an keiner Stelle getan; auch das Berufungsgericht zeigt ein solches Handeln der Klägerin in bezug auf das EKH-Darlehen nicht auf. Bei der Vereinbarung vom 16. Dezember 1998 hat die Klägerin das EKH-Darlehen ausdrücklich ausgenommen und ausgeführt, daß dieses "neben der Forderung der Klägerin besteht und im Obligo der D. A. bank in B. steht". Damit hat die Klägerin selbst klar zu erkennen gegeben, daß auch sie bezüglich des EKH-Darlehens nicht von einer eigenen Forderung gegen die Hauptschuldnerin ausging. Daß die D. A. bank nach der Auffassung des Berufungsgerichts "möglichst weit außen vorgehalten werden sollte", mag zwar als Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse zutreffen, enthält jedoch keinen Anknüpfungspunkt für die allein nach rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilende Frage, ob die Klägerin Ansprüche aus dem EKH-Darlehen im eigenen Namen geltend machen durfte. Auch die Klägerin hat hierzu im Prozeß nichts vorgetragen. Vielmehr hat sie erklärt, daß das EKH-Darlehen "von der D. A. bank über die Klägerin als eingeschaltete Primärbank gewährt worden" sei. Dies genügt nicht, um die Forderung aus dem EKH-Darlehen zu einer eigenen Forderung der Klägerin zu machen, die durch die Bürgschaft gesichert wird.
Kreft Kirchhof Fischer Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bergmann ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen
Raebel Kreft

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.

(2) Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie

1.
die vereinbarte Beschaffenheit hat,
2.
sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und
3.
mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.
Zu der Beschaffenheit nach Satz 1 Nummer 1 gehören Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen vereinbart haben.

(3) Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie

1.
sich für die gewöhnliche Verwendung eignet,
2.
eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung
a)
der Art der Sache und
b)
der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden,
3.
der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und
4.
mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.
Zu der üblichen Beschaffenheit nach Satz 1 Nummer 2 gehören Menge, Qualität und sonstige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit. Der Verkäufer ist durch die in Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b genannten öffentlichen Äußerungen nicht gebunden, wenn er sie nicht kannte und auch nicht kennen konnte, wenn die Äußerung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in derselben oder in gleichwertiger Weise berichtigt war oder wenn die Äußerung die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.

(4) Soweit eine Montage durchzuführen ist, entspricht die Sache den Montageanforderungen, wenn die Montage

1.
sachgemäß durchgeführt worden ist oder
2.
zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.

(5) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache als die vertraglich geschuldete Sache liefert.

4
1. Es dürfte - was das Berufungsgericht offengelassen hat - vom Vorliegen eines Sachmangels auszugehen sein. Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist eine Sache (nur dann) frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Diese Anforderungen dürfte das Fahrzeug des Klägers im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs bei Auslieferung Ende Juli 2015 nicht erfüllt haben.

(1) Erweist sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach dieser Verordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung, kann die die nach Landesrecht zuständige Behörde (Zulassungsbehörde) dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.

(2) Ist der Betrieb eines Fahrzeugs, für das ein Kennzeichen zugeteilt ist, untersagt, hat der Eigentümer oder Halter das Fahrzeug unverzüglich nach Maßgabe des § 14 außer Betrieb setzen zu lassen oder der Zulassungsbehörde nachzuweisen, dass die Gründe für die Beschränkung oder Untersagung des Betriebs nicht oder nicht mehr vorliegen. Der Halter darf die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs nicht anordnen oder zulassen, wenn der Betrieb des Fahrzeugs nach Absatz 1 untersagt ist oder die Beschränkung nicht eingehalten werden kann.

(3) Besteht Anlass zu der Annahme, dass ein Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig nach dieser Verordnung, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung oder der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung ist, so kann die Zulassungsbehörde anordnen, dass

1.
ein von ihr bestimmter Nachweis über die Vorschriftsmäßigkeit oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen, Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr oder Prüfingenieurs einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation nach Anlage VIIIb der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vorgelegt oder
2.
das Fahrzeug vorgeführt
wird. Wenn nötig, kann die Zulassungsbehörde mehrere solcher Anordnungen treffen.

10
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert es der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BVerfG 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkenntnis des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat. Ist gegen die gehörsverletzende Entscheidung ein Rechtsmittel gegeben , das (auch) zur Überprüfung dieser Verletzung führen kann, so ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG hinreichend Rechnung getragen (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - IX ZB 225/09, WM 2010, 1722 Rn. 7 f.). Eine erstmalige Überprüfung des Gehörsverstoßes in der letzten Instanz scheidet unter diesen Umständen aus.
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(1) Danach muss ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache gegebenen prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Korrektur der behaupteten Gehörsverletzung zu erwirken und einen Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG zu verhindern. Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 285/09, NZM 2011, 274 Rn. 10 und vom 8. November 1994 - XI ZR 35/94, NJW 1995, 403; Beschlüsse vom 26. September 2017 - VI ZR 81/17, juris Rn. 8; vom 17. März 2016 - IX ZR 211/14, NJW-RR 2016, 699 Rn. 4 und vom 6. Mai 2010 - IX ZB 225/09, NZI 2010, 692 Rn. 7). Zu solchen prozessualen Möglichkeiten gehören ordentliche und außerordentliche Rechtsbehelfe sowie die seitens des Gerichts ausdrücklich eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine Partei darf aber auch andere, ersichtlich gegebene Möglichkeiten zur Äußerung nicht versäumen. Besteht im Berufungsverfahren eine solche Gelegenheit, darf die Partei sie nicht ungenutzt lassen und den Ausgang des Berufungsverfahrens abwarten, um dann erst das für sie ungünstige Berufungsurteil im Revisionsverfahren mit der Gehörsrüge anzugreifen (BGH, Urteil vom 8. November 1994 aaO).
4
b) Soweit der Kläger beanstandet, das Berufungsgericht habe in seinem Hinweisbeschluss sein Vorbringen übergangen, wonach es sich bei den Äußerungen der Steuerberater L. und M. zu der Wertentwicklung und der gewinnbringenden Wiederverkäuflichkeit des Anlageobjekts nicht um eine unverbindliche Prognose oder bloß werbende Anpreisung ohne verbindlichen Gehalt , sondern um eine verbindliche Zusicherung mit einem für die Anlageentscheidung verbindlichen Inhalt gehandelt habe, steht der Geltendmachung eines Gehörsverstoßes der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorwurfs, das Berufungsgericht habe eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen, indem es darauf verzichtet habe, die vom Kläger als Zeugin benannte Ehefrau zur Abgabe einer verbindlichen Zusicherung durch die Steuerberater zu hören. Der Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010, aaO Rn. 7; BVerfGE 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171; stRspr; vgl. Zöller/Greger , ZPO, 31. Aufl., Vor § 128 Rn. 8a). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010, aaO; BFH/NV 1993, 34; 1993, 422, 423; BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 4 B 45/07, WV Rn. 23 mwN; Zöller/Greger, § 295 Rn. 5; MünchKomm-ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 295 Rn. 37; Prütting/Gehrlein/Deppenkemper, ZPO, 7. Aufl. § 295 Rn. 6; Wieczorek/ Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl. § 522 Rn. 87).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 225/17
vom
16. Oktober 2018
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2018:161018BVIIIZR225.17.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Oktober 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und Kosziol

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen den Zurückweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts Bamberg - 6. Zivilsenat - vom 20. September 2017 zugelassen, soweit die Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 1 zurückgewiesen worden ist.
Im Hinblick auf die Beklagte zu 2 wird die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Beschluss zurückgewiesen. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) macht die Beschwerde nicht geltend. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern ebenfalls keine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Zwar hat das Berufungsgericht den Antrag des Klägers übergangen, die Einstandspflicht der Beklagten zu 2 für weitere Schäden festzustellen, die "sich aus den fehlerhaften Angaben zu Abgas- und Verbrauchswerten sowie der Nichteinhaltung der EU-Grenzwerte, insbesondere der Euro-5-Norm ergeben". Jedoch hat das Berufungsgericht bereits in dem Hinweisbeschluss vom 2. August 2017 ausgeführt , dass der Kläger von der Beklagten zu 2 lediglich die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren verlangt habe. Dem ist der Kläger in der Berufungsinstanz nicht entgegengetreten. In Anbetracht dessen ist dem Kläger die erstmalige Geltendmachung einer Gehörsverletzung im Rahmen des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde versagt, denn er hat es im Berufungsverfahren versäumt, eine Korrektur des nunmehr beanstandeten Gehörsverstoßes zu erwirken (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 14. Juni 2018 - III ZR 54/17, NJW 2018, 2723 Rn. 36 f. mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Von einer näheren Begründung im Übrigen wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Der Kläger hat die der Beklagten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 35.350 € festgesetzt; davon entfallen 31.350 € auf die Be- klagte zu 1 und 4.000 € auf die Beklagte zu 2. Der Streitwert für das Revisionsverfahren beträgt 31.350 €.
Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
LG Bayreuth, Entscheidung vom 20.12.2016 - 21 O 34/16 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 20.09.2017 - 6 U 5/17 -
4
a) Nach diesem Grundsatz muss ein Beteiligter die nach Lage der Sache gegebenen prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BVerfGE 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171; BGH, Beschlüsse vom 8. November 1994 - XI ZR 35/94, NJW 1995, 403; vom 15. Juli 2015 - IV ZB 10/15, VersR 2016, 137; vom 17. März 2016 - IX ZR 211/14, NJW-RR 2016, 699 Rn. 4; vom 26. September 2017 - VI ZR 81/17, NJW-RR 2018, 404 Rn. 8). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - IX ZB 225/09, WM 2010, 1722 Rn. 7; Urteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 285/09, WuM 2011, 178 Rn. 10; Beschluss vom 26. September 2017, aaO).

(1) Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift kann nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn sie bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.

(2) Die vorstehende Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung eine Partei wirksam nicht verzichten kann.

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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert es der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BVerfG 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkenntnis des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat. Ist gegen die gehörsverletzende Entscheidung ein Rechtsmittel gegeben , das (auch) zur Überprüfung dieser Verletzung führen kann, so ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG hinreichend Rechnung getragen (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - IX ZB 225/09, WM 2010, 1722 Rn. 7 f.). Eine erstmalige Überprüfung des Gehörsverstoßes in der letzten Instanz scheidet unter diesen Umständen aus.
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(1) Danach muss ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache gegebenen prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Korrektur der behaupteten Gehörsverletzung zu erwirken und einen Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG zu verhindern. Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 285/09, NZM 2011, 274 Rn. 10 und vom 8. November 1994 - XI ZR 35/94, NJW 1995, 403; Beschlüsse vom 26. September 2017 - VI ZR 81/17, juris Rn. 8; vom 17. März 2016 - IX ZR 211/14, NJW-RR 2016, 699 Rn. 4 und vom 6. Mai 2010 - IX ZB 225/09, NZI 2010, 692 Rn. 7). Zu solchen prozessualen Möglichkeiten gehören ordentliche und außerordentliche Rechtsbehelfe sowie die seitens des Gerichts ausdrücklich eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine Partei darf aber auch andere, ersichtlich gegebene Möglichkeiten zur Äußerung nicht versäumen. Besteht im Berufungsverfahren eine solche Gelegenheit, darf die Partei sie nicht ungenutzt lassen und den Ausgang des Berufungsverfahrens abwarten, um dann erst das für sie ungünstige Berufungsurteil im Revisionsverfahren mit der Gehörsrüge anzugreifen (BGH, Urteil vom 8. November 1994 aaO).
4
b) Soweit der Kläger beanstandet, das Berufungsgericht habe in seinem Hinweisbeschluss sein Vorbringen übergangen, wonach es sich bei den Äußerungen der Steuerberater L. und M. zu der Wertentwicklung und der gewinnbringenden Wiederverkäuflichkeit des Anlageobjekts nicht um eine unverbindliche Prognose oder bloß werbende Anpreisung ohne verbindlichen Gehalt , sondern um eine verbindliche Zusicherung mit einem für die Anlageentscheidung verbindlichen Inhalt gehandelt habe, steht der Geltendmachung eines Gehörsverstoßes der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorwurfs, das Berufungsgericht habe eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen, indem es darauf verzichtet habe, die vom Kläger als Zeugin benannte Ehefrau zur Abgabe einer verbindlichen Zusicherung durch die Steuerberater zu hören. Der Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010, aaO Rn. 7; BVerfGE 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171; stRspr; vgl. Zöller/Greger , ZPO, 31. Aufl., Vor § 128 Rn. 8a). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010, aaO; BFH/NV 1993, 34; 1993, 422, 423; BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 4 B 45/07, WV Rn. 23 mwN; Zöller/Greger, § 295 Rn. 5; MünchKomm-ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 295 Rn. 37; Prütting/Gehrlein/Deppenkemper, ZPO, 7. Aufl. § 295 Rn. 6; Wieczorek/ Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl. § 522 Rn. 87).
4
a) Nach diesem Grundsatz muss ein Beteiligter die nach Lage der Sache gegebenen prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BVerfGE 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171; BGH, Beschlüsse vom 8. November 1994 - XI ZR 35/94, NJW 1995, 403; vom 15. Juli 2015 - IV ZB 10/15, VersR 2016, 137; vom 17. März 2016 - IX ZR 211/14, NJW-RR 2016, 699 Rn. 4; vom 26. September 2017 - VI ZR 81/17, NJW-RR 2018, 404 Rn. 8). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - IX ZB 225/09, WM 2010, 1722 Rn. 7; Urteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 285/09, WuM 2011, 178 Rn. 10; Beschluss vom 26. September 2017, aaO).

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

4
b) Soweit der Kläger beanstandet, das Berufungsgericht habe in seinem Hinweisbeschluss sein Vorbringen übergangen, wonach es sich bei den Äußerungen der Steuerberater L. und M. zu der Wertentwicklung und der gewinnbringenden Wiederverkäuflichkeit des Anlageobjekts nicht um eine unverbindliche Prognose oder bloß werbende Anpreisung ohne verbindlichen Gehalt , sondern um eine verbindliche Zusicherung mit einem für die Anlageentscheidung verbindlichen Inhalt gehandelt habe, steht der Geltendmachung eines Gehörsverstoßes der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorwurfs, das Berufungsgericht habe eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen, indem es darauf verzichtet habe, die vom Kläger als Zeugin benannte Ehefrau zur Abgabe einer verbindlichen Zusicherung durch die Steuerberater zu hören. Der Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010, aaO Rn. 7; BVerfGE 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171; stRspr; vgl. Zöller/Greger , ZPO, 31. Aufl., Vor § 128 Rn. 8a). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010, aaO; BFH/NV 1993, 34; 1993, 422, 423; BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 4 B 45/07, WV Rn. 23 mwN; Zöller/Greger, § 295 Rn. 5; MünchKomm-ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 295 Rn. 37; Prütting/Gehrlein/Deppenkemper, ZPO, 7. Aufl. § 295 Rn. 6; Wieczorek/ Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl. § 522 Rn. 87).

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

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b) Soweit der Kläger beanstandet, das Berufungsgericht habe in seinem Hinweisbeschluss sein Vorbringen übergangen, wonach es sich bei den Äußerungen der Steuerberater L. und M. zu der Wertentwicklung und der gewinnbringenden Wiederverkäuflichkeit des Anlageobjekts nicht um eine unverbindliche Prognose oder bloß werbende Anpreisung ohne verbindlichen Gehalt , sondern um eine verbindliche Zusicherung mit einem für die Anlageentscheidung verbindlichen Inhalt gehandelt habe, steht der Geltendmachung eines Gehörsverstoßes der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorwurfs, das Berufungsgericht habe eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen, indem es darauf verzichtet habe, die vom Kläger als Zeugin benannte Ehefrau zur Abgabe einer verbindlichen Zusicherung durch die Steuerberater zu hören. Der Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010, aaO Rn. 7; BVerfGE 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171; stRspr; vgl. Zöller/Greger , ZPO, 31. Aufl., Vor § 128 Rn. 8a). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010, aaO; BFH/NV 1993, 34; 1993, 422, 423; BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 4 B 45/07, WV Rn. 23 mwN; Zöller/Greger, § 295 Rn. 5; MünchKomm-ZPO/Prütting, 4. Aufl., § 295 Rn. 37; Prütting/Gehrlein/Deppenkemper, ZPO, 7. Aufl. § 295 Rn. 6; Wieczorek/ Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl. § 522 Rn. 87).

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)