Arbeitsrecht: Mindestgröße für Pilotinnen und Piloten

bei uns veröffentlicht am23.07.2014
Zusammenfassung des Autors

Verlangt eine Fluggesellschaft eine Mindestgröße für Piloten von 165 cm, liegt hierin eine unzulässige Diskriminierung des Bewerbers - BSP Rechtsanwälte - Anwältin für Arbeitsrecht Berlin 

Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln im Fall einer jungen Frau hin, die wegen ihrer Körpergröße von 161,5 cm nicht zur Pilotenausbildung zugelassen wurde. Ein Tarifvertrag, der Auswahlrichtlinien für die Pilotenausbildung enthält, sieht eine Mindestgröße von 165 cm vor. Die Klägerin beruft sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Sie sieht in der Mindestgröße eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, weil Frauen im Durchschnitt kleiner seien als Männer. Die Fluggesellschaft hatte sich darauf berufen, die Mindestgröße sei erforderlich, um Flugzeuge sicher zu steuern.

Das LAG hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass es wie das erstinstanzliche Gericht von einer durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigten mittelbaren Diskriminierung ausgeht. Es hat darauf hingewiesen, dass andere Fluggesellschaften deutlich geringere Mindestgrößen verlangen. Im Endeffekt hat es die Schadenersatzklage aber gleichwohl abgewiesen, da formelle Voraussetzungen nicht erfüllt waren (LAG Köln, 5 Sa 75/14).

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Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 15. Jan. 2015 - 5 Sa 75/14

bei uns veröffentlicht am 15.01.2015

Tenor 1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund vom 04.03.2014 zum Aktenzeichen 2 Ca 451/13 wird abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.805,24 Euro brutto zu zahlen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

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Tenor

1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund vom 04.03.2014 zum Aktenzeichen 2 Ca 451/13 wird abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.805,24 Euro brutto zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Zahlung einer tariflichen Entgeltzulage in Zusammenhang mit der vorübergehenden Ausführung tariflich höherwertiger Arbeitsleistungen.

2

Die Beklagte unterhält mehrere Standorte in Deutschland. Der Standort A-Stadt wird als Dienststelle bezeichnet. Der Dienststellenleiter wird als Abteilungsleiter bezeichnet. In der Hierarchie darunter bestehen Dezernate und innerhalb derer sodann Teams.

3

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.09.1991 am Standort A-Stadt als Sachbearbeiterin im Dezernat Leistungsabteilung Versicherung und Rente tätig (Dezernat 4721). Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien finden die Tarifverträge der Deutschen Rentenversicherung Bund (TV DRV-Bund) aufgrund Individualvereinbarung Anwendung. Seit dem 01.12.2003 ist die Klägerin sogenannte 1. Sachbearbeiterin im Team 02 und solche Stellvertreterin der Teamleiterin. In dieser Funktion ist die Klägerin in die Entgeltgruppe E 9 des TV DRV-Bund eingruppiert. Bei einer Beschäftigung in Teilzeit (35 Stunden je Woche), erzielt sie eine Vergütung von 3.172,63 € brutto monatlich.

4

Die Position der Teamleiterin im Team der Klägerin ist mit der Entgeltgruppe E 11 TV DRV-Bund bewertet. Diese Teamleiterin wurde ab dem 26.11.2012 längerfristig abgeordnet. Diese Abordnung nahm die zentral in C-Stadt ansässige Personalabteilung der Beklagten (Dezernat 2030) vor. Somit war diese Stelle ab dem 26.11.2012 unbesetzt.

5

Daraufhin übernahm die Klägerin auf Weisung ihres unmittelbaren Vorgesetzten, des Dezernatsleiters 4721, ab dem 26.11.2012 die Aufgaben der abwesenden Teamleiterin. Dies tat sie unstreitig durchgehend bis zum 30.06.2013. Zum 01.07.2013 wurde die Teamleiterstelle anderweitig wieder neu besetzt.

6

Im vorgenannten streitgegenständlichen Zeitraum vom 26.11.2012 bis 30.06.2013 nahm sie alle Aufgaben einer Teamleiterin wahr. Sie trat auch in Dezernatsleiterrunden auf. Vom 12.12.2012 bis 14.12.2012 nahm sie an einer Teamleiterschulung in C-Stadt teil und erhielt ein entsprechendes Zertifikat.

7

Mit Schreiben vom 14.05.2013 beantragte die Klägerin eine Stellenzulage nach § 14 TV DRV-Bund in Höhe der Differenz zwischen E 9 und E 11 (Blatt 8. d. A.). Dieser Antrag ging am 15.05.2013 bei der Personalverwaltung in A-Stadt ein. Diese informierte sodann mit Schreiben vom 27.05.2013 das Dezernat 2030. Mit Schreiben vom 22.05.2013 befürwortete eine offenbar vorgesetzte Person das Begehren der Klägerin (Blatt 9 d. A.).

8

Der angesprochene § 14 TV DRV-Bund enthält folgende Regelung (vgl. Blatt 30 d. A.):

9

,,§14
Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit

10

(1) Wird der/dem Beschäftigten vorübergehend eine andere Tätigkeit übertragen, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als ihrer/seiner Eingruppierung entspricht und hat sie/er diese mindestens einen Monat ausgeübt, erhält sie/er für die Dauer der Ausübung eine persönliche Zulage rückwirkend ab dem ersten Tag der Übertragung der Tätigkeit.

11

(2) …

12

(3) Die persönliche Zulage bemisst sich für Beschäftigte, die in eine der Entgeltgruppen 9 bis 14 eingruppiert sind, aus dem Unterschiedbetrag zu dem Tabellenentgelt, das sich für die Beschäftigte/den Beschäftigten bei dauerhafter Übertragung nach § 17 Abs. 4 Satz 1 bis 3 ergeben hätte. ... "

13

Unstreitig würde die Zulage für die Klägerin nach § 14 Abs. 3 TV DRV-Bund für den gesamten Zeitraum 26.11.2012 bis 30.06.2013 bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der Höhe nach 1.805,24 € brutto betragen.

14

Am 04.06.2014 fand eine turnusmäßige Dezernatsleiterrunde statt, an welcher die Klägerin teilnahm. Hier berichtete ein Herr B. allgemein, dass das Dezernat 2030 darauf hingewiesen habe, dass einem 1. Sachbearbeiter bei längerer Abwesenheit des Teamleiters keine Zulage gewährt werden könne. Grundsätzlich müsse ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt werde, was in Abteilung 47 nicht bewilligt werde. Es sei sicher zu stellen, dass in einem Vertretungsfall, der länger als einen Monat dauert, die höherwertigen Aufgaben nur im Rahmen der 49/51%-Regelung übertragen werden.

15

Die Personalabteilung lehnte den Antrag der Klägerin mit Schreiben vom 08.06.2013 ab. Die Übertragung höherwertiger Aufgaben erfolge allein durch die Personalabteilung. Ein Antrag des Abteilungsleiters liege nicht vor. Eine Zulage könne nicht gewährt werden.

16

Der Zugangszeitpunkt des Ablehnungsschreibens bei der Klägerin ist unbekannt. Jedenfalls verblieb es aber dabei, dass man die Klägerin weiterhin bis 30.06.2013 die höherwertigen Tätigkeiten tatsächlich ausüben ließ.

17

Sodann forderte die Klägerin die Beklagte noch einmal mit Schreiben vom 14.08.2013 zur Zahlung der entsprechenden Zulage auf. Dies blieb erfolglos.

18

Für die Beklagte existiert eine Geschäftsordnung von nicht unerheblichem Umfang. Hier ist in Kapitel 2000.00 Abschnitt 7 auszugsweise folgende Regelung enthalten (vgl. Blatt 25 d. A.):

19

"Aufgaben des Dezernats 2030

20

(Personalplanung und Personaleinsatz)

21

Das Dezernat nimmt für die gesamte C. ausgenommen Reha-Kliniken, MTD) folgende Aufgaben wahr:

22

23

24

Bearbeiten von Umsetzungen und Abordnungen sowie von vorübergehenden Übertragungen von anderen Tätigkeiten

25

26

27

Zu Fragen der Personalbeschaffung, des Personaleinsatzes, der Personalplanung und der Stellenbewirtschaftung haben sich die einzelnen Dezernate über ihre Abteilungsleitungen direkt an das Dezernat 2030 zu wenden.

28

…"

29

Die Geschäftsordnung (GO) sowie weitere Materialien, die bei der Beklagten von Bedeutung sind, sind für die Mitarbeiter im Intranet über „rvLiteratur“ abrufbar.

30

Im November 2013 gab das Dezernat 2030 ein Rundschreiben heraus, welches die vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ansprach. Hier wurde mitgeteilt, dass die Übertragung der ausdrücklichen Anordnung durch das zuständige Organ bzw. eines Vertretungsbefugten bedürfe. „Zuständig und vertretungsbefugt sind die Mitarbeiter/innen im Dezernat 2030.“ (vgl. Blatt 63 d. A.)

31

Bereits am 07.07.2008 hatte das Dezernat 2030 ein Schreiben an verschiedene Abteilungsleiter (- unstreitig nicht jedoch an die Klägerin –) verschickt, welches sich mit der vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten beschäftigt (vgl. Blatt 67 d. A). Die Beklagte stellte hier zunächst die Norm § 14 TV DRV-Bund vor.

32

Sodann heißt es in dem Schreiben auszugsweise:

33

„… wird in § 14 TV DRV-Bund nicht mehr zwischen der vertretungsweisen und der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit aus anderen Gründen unterschieden. Die vertretungsweise Übertragung … stellt vielmehr einen Unterfall der vorübergehenden Übertragung … aus anderen Gründen dar. Die kraft Direktionsrechts angeordnete vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit wird … durch eine persönliche Zulage vergütet. … Grundsätzlich sind vorübergehende Beauftragungen durch geeignete innerorganisatorische Maßnahmen der Geschäftsbereiche bzw. Abteilungen zu vermeiden. Ist aus deren Sicht ausnahmsweise eine vorübergehende Übertragung dennoch erforderlich, so ist in Dezernat 2030 ein … Antrag zu stellen. Dort wird dann … geprüft, ob eine vorübergehende Beauftragung … tatsächlich notwendig ist. Wegen … [Angabe verschiedener Gründe] … geht der Tätigkeitsübertragung aus Gründen der Gleichbehandlung grundsätzlich eine Bekanntmachung/Stellenausschreibung voraus. …“

34

Die Klägerin bestreitet hierbei, dass vorgenanntes Schreiben bei Ihrem Abteilungsleiter bekannt war, ohne dass die Beklagte diese Kenntnis konkret beim Abteilungsleiter der Klägerin behauptet hatte.

35

Mit ihrer Klageschrift vom 20.09.2013, eingegangen beim Arbeitsgericht Stralsund am 23.09.2013, begehrte die Klägerin zunächst die Feststellung einer Zahlungsverpflichtung, wobei die Klägerin dies noch erstinstanzlich in eine konkrete Leistungsklage umstellte.

36

Das Arbeitsgericht Stralsund wies die Klage mit Urteil vom 04.03.2014 ab. Es begründete seine Entscheidung im Kern damit, dass nach der GO die Personalabteilung für die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten zuständig sei, hier jedoch die Übertragung durch eine unzuständige andere Person erfolgt sei und zudem die Personalabteilung von dieser Übertragung keine Kenntnis gehabt habe. Das Urteil ist der Klägerin am 24.03.2014 zugestellt worden. Sie legte hiergegen am 15.04.2014 Berufung ein und begründete diese am 23.05.2014.

37

Die Klägerin geht weiter davon aus, dass ihr eine Zulage nach § 14 TV DRV-Bund zustehe.

38

Die Voraussetzungen der Norm seien erfüllt. Unstreitig hatte sie Aufgaben durchgeführt, die höherwertig nach der E 11 zu vergüten sind. Es handele sich auch um eine Übertragung im Tarifsinne. Die Übertragung sei von der Kenntnis der Personalabteilung nicht abhängig. Anderenfalls hieße das, dass der Dienstvorgesetzte keine Weisungsbefugnisse habe. Die Klägerin verweist darauf, dass (unbestritten) alle Angelegenheiten, die der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers unterliegen, in A-Stadt vom Dezernatsleiter wahrgenommen wurden und zudem die Personaleinsatzplanung vor Ort durchgeführt wurde. Das Dezernat 2030 sei auch nicht (allein) zuständig für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Dies ergebe sich auch nicht aus der GO, da dort nur von „anderen Tätigkeiten“ die Rede ist und zudem eine ausschließliche Zuständigkeit nicht hinreichend deutlich werde. Es werde bestritten, dass bei der Beklagten und insbesondere im Dezernat 4721 bekannt sei, dass sich aus der GO ergeben würde, dass das Dezernat 2030 ausschließlich für die vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten zuständig sei. Die Beklagte sei erst aufgrund des Falles der Klägerin in diesem Zusammenhang tätig geworden und verweist auf die Dezernatsleiterrunde vom 04.06.2013 sowie das Rundschreiben aus November 2013. Die Klägerin bestreitet zudem die behauptete Unkenntnis der Abteilung 2030 von der höherwertigen Tätigkeit, zumal das Dezernat 2030 doch die Teamleiterin abgeordnet hatte und damit die Situation kannte. Es könne der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, wenn das Dezernat 2030 die Teamleiterin über 6 Monate abordnet, danach aber nicht die Übertragung derer Aufgaben regelt. Auch könne der Klägerin kein Nachteil daraus erwachsen, dass der Dezernatsleiter einen etwaig notwendigen Antrag nicht stellt, wobei ein solcher auch nicht notwendig gewesen sei, da die Lage nach der Abordnung der Teamleiterin offensichtlich war. Es liege somit konkludentes Verhalten der Beklagten vor; die Teamleiterstelle habe nicht unbesetzt bleiben können.

39

Selbst wenn die Übertragung unwirksam gewesen sein sollte, habe die Klägerin einen Zahlungsanspruch. Sie habe davon ausgehen können, dass ihr Vorgesetzter zur Übertragung berechtigt gewesen sei. Eine alleinige Zuständigkeit von 2030 war ihr nicht bekannt, zumal sich eine Solche nicht eindeutig aus der GO ergäbe. Nach der Rechtsprechung des BAG könne der Arbeitnehmer auf die Berechtigung vertrauen, soweit ihm nichts anderes bekannt sei. Auch aus dem Schreiben vom 07.07.2008 ergäbe sich nicht, dass nur das Dezernat 2030 berechtigt sei. Es werde auf die grundsätzliche Vermeidung durch innerorganisatorische Maßnahmen verwiesen. Erstmals das Rundschreiben vom November 2013 habe eine ausschließliche Zuständigkeit angesprochen.

40

Die Klägerin beantragt:

41

Unter Abänderung des am 04.03.2014 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Stralsund – Az. 2 Ca 451/13 – wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 1.805,24 brutto zu zahlen.

42

Die Beklagte beantragt:

43

Die Berufung zurückzuweisen.

44

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

45

Für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit sei allein der Leiter der Zentralen Dienststelle in C-Stadt zuständig. Der Standort A-Stadt sei hierzu nicht berechtigt. Zwar könne ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes per Direktionsrecht vorübergehend höherwertige Aufgaben übertragen. Der Dezernatsleiter 4721 sei jedoch nicht zuständig. Die Beklagte behauptet weiter, die Abteilung Personal in C-Stadt habe erstmalig im Mai 2013 durch die Antragstellung von der Wahrnehmung höherer Aufgaben durch die Klägerin erfahren. Daraufhin sei die Abteilungsleitung 47 „gebeten“ worden, die Klägerin keine höherwertigen Aufgaben mehr wahrnehmen zu lassen (wobei unstreitig ihr die Aufgaben bis zum 30.06.2013 nicht entzogen wurden). Das Übertragen im Sinne des § 14 TV DRV-Bund erfordere eine Willenserklärung des Arbeitgebers oder einer vertretungsberechtigten Person, wobei eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben sei. Nötig sei aber eine ausdrückliche Anordnung durch ein zuständiges Organ. Die rein tatsächliche Disposition eines Vorgesetzen reiche nicht aus. Bei der Beklagten nehme allein das Dezernat 2030 die Aufgaben des Arbeitgebers bei der Übertragung höherwertiger Aufgaben wahr, was sich aus der GO ergebe. Wenn die GO von der Übertragung „anderer Tätigkeiten“ spreche, sei deutlich, dass „höherwertige Tätigkeiten“ gemeint seien. Was solle sonst gemeint sein? Die Übertragung durch einen unzuständigen Vorgesetzten könne keinen Zahlungsanspruch begründen, wenn die Unzuständigkeit dem Arbeitnehmer bekannt sei. „Davon“ sei „hier auszugehen“, da die GO über „rvLiteratur“ allen Mitarbeitern zugänglich ist und damit als bekannt vorausgesetzt werden könne. Dabei sei es nicht so, dass die Vorgesetzten in A-Stadt keinerlei Weisungsbefugnis hätten. Die Weisungsbefugnis bestehe insoweit, wie Kompetenzen übertragen worden seien. Dies betreffe aber nicht die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Das ergebe sich auch bereits aus dem Schreiben vom 07.07.2008. Die Aufgaben der abgeordneten Teamleiterin hätte auch ein anderer Teamleiter übernehmen können. Die Klägerin habe nicht davon ausgehen können, dass ihr Vorgesetzter wirksam höherwertige Aufgaben übertragen dürfe und die Personalabteilung nur Schriftführer sein solle. Gerade in großen Einheiten seien bedeutende Maßnahmen zentral wahrzunehmen. Da sich die GO abrufbar in „rvLiteratur“ befindet, genieße die Klägerin auch kein Vertrauen.

46

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Verhandlungsprotokolle sowie das angegriffene Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

47

Die zulässige Berufung ist erfolgreich.

I.

48

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 1.805,24 € brutto. Deshalb war das klagabweisende erstinstanzliche Urteil abzuändern und der Klage insgesamt stattzugeben.

49

Der Zahlungsanspruch der Klägerin folgt aus dem bereits oben zitierten § 14 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 TV DRV- Bund.

50

Die vorübergehende Ausübung höherwertiger Tätigkeiten wirkt sich auf die maßgebliche Eingruppierung nicht aus, da sich die Eingruppierung nach der nicht nur vorübergehend ausgeübten Tätigkeit bemisst. Der § 14 TV DRV-Bund enthält deshalb eine spezielle Regelung der Vergütung für die vorübergehende Verrichtung höherwertiger Dienste außerhalb des eigentlichen Rahmens des Arbeitvertrages auf Veranlassung des Arbeitgebers. Bei einem Fehlen vorgenannter Norm hätte ein Anspruch aus § 612 BGB in entsprechender Anwendung hätte geprüft werden müssen (Breier, Dassau, TVöD, 46. Akt., § 14 Rn. 35; Sponer/Steinherr, TVöD, § 14, Rz. 69).

51

Die Voraussetzungen des § 14 TV DRV-Bund sind hier erfüllt, wobei dies – bis auf eine Ausnahme – für alle Voraussetzungen unstreitig ist.

1.

52

Unstreitig ist vorgenannte Norm aufgrund Individualverweisung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar.

2.

53

Unstreitig hat die Klägerin entsprechend § 14 Abs. 1 TV DRV-Bund nur „vorübergehend“ vom 26.11.2012 bis 30.06.2013 - und damit aber auch „mindestens einen Monat“ - in tatsächlicher Hinsicht eine Tätigkeit „ausgeübt“, die den „Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als ihrer Eingruppierung entspricht“. Die Klägerin ist die Entgeltgruppe E 9 eingruppiert. Die vorübergehend ausgeübte Tätigkeit einer Teamleiterin erfüllt unstreitig die Merkmale der Entgeltgruppe E 11.

3.

54

Mathematisch ergibt sich unstreitig aus der Tätigkeitsdauer in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 TV DRV-Bund eine Zulagenhöhe von 1.805,24 € brutto

4.

55

Das Berufungsgericht kommt – in Abweichung vom erstinstanzlichen Urteil und von der Ansicht der Beklagten – zudem auch zu dem Schluss, dass der Klägerin die vorübergehend höherwertige Tätigkeit schließlich auch im tariflichen Sinne „übertragen“ wurde.

a)

56

Im Rahmen der Prüfung und Auslegung der Voraussetzungen des § 14 TV DRV-Bund kann auf die vorhandene Rechtsprechung und Literatur zu § 14 TVöD und auch des § 24 BAT zurückgegriffen werden. Die beiden letztgenannten Normen regeln gleichlautend wie § 14 TV DRV-Bund ebenfalls die Zahlung einer Zulage für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Selbst für Zweifelsfragen bei der Auslegung des § 14 TVöD ist anerkannt, dass hier auf die Erkenntnisse zur Vorgängernorm § 24 BAT uneingeschränkt zurückgegriffen werden kann (BAG, 04.07.2012, 4 AZR 759/10; Breier, Dassau, TVöD, 46. Akt., § 14 Rn. 6).

57

Zunächst besteht Einigkeit, dass der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts vorübergehend höherwertigere Tätigkeiten übertragen kann, als dies im Arbeitsvertrag vereinbart ist (Breier, Dassau, TVöD, 46. Akt., § 14 Rn. 6; Sponer/Steinherr, TVöD, § 14, Rz. 8). § 14 TV DRV-Bund setzt das insoweit tariflich erweiterte Direktionsrecht ungeschrieben voraus (BAG, 17.01.2006, 9 AZR 226/05, Rz. 34). Denn grundsätzlich darf der Arbeitgeber einseitig kraft Direktionsrechts alle aber auch nur solche Tätigkeiten zuweisen, die den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppe entsprechen, in die der Arbeitnehmer rechtsgültig eingruppiert ist. Auch die Beklagte spricht schriftsätzlich von einer Ausübung des Direktionsrechts im Fall es § 14 TV DRV-Bund.

58

Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit bedarf einer entsprechenden Willenserklärung des Arbeitgebers oder eines für den Arbeitgeber Vertretungsbefugten. An die Kenntnis des Arbeitnehmers über die bestehenden Zuständigkeitsregeln dürfen jedoch keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Im Zweifel muss sich der Beschäftigte darauf verlassen können, dass die Übertragung von einem dazu Befugten vorgenommen wurde (Sponer/Steinherr, TVöD, § 14, Rz. 75; Böhm/Spiertz, BAT, 389. Akt., § 24 Rn. 21). Es wird somit an dieser Stelle schon deutlich, dass sich die Frage der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit zwar an der Vertretungsbefugnis des Übertragenden für den Arbeitgeber ausrichtet, allerdings nicht abschließend allein auf das tatsächliche objektive Vorhandensein der Vertretungsbefugnis abzustellen ist. Vielmehr sind in diesem Zusammenhang auch Vertrauensgesichtspunkte aus Sicht des Arbeitnehmers als Empfänger der zur Übertragung führenden Willenserklärung zu berücksichtigen.

59

Da keine bestimmte Übertragungsform vorgeschrieben ist, kann die Übertragung nach ständiger Rechtsprechung des BAG ausdrücklich oder auch konkludent im Rahmen des Direktionsrechts erfolgen. Für den Arbeitnehmer muss bei der Übertragung deutlich werden, dass nur eine vorübergehende Übertragung erfolgen soll (vgl. hierzu BAG vom 25.02.87, 4 AZR 217/86, Rz. 13; Breier, Dassau, TVöD, 46. Akt., § 14 Rn. 36; Sponer/Steinherr, TVöD, § 14, Rz. 71). Es ist somit eine Übertragung durch das zuständige Organ des Arbeitgebers erforderlich. Tatsächliche Dispositionen eines nicht zuständigen Vorgesetzten reichen grundsätzlich nicht aus.

60

Soweit im Kommentar Breier, Dassau, TVöD, 46. Akt., § 14 Rn. 36 im Weiteren allgemein davon gesprochen wird, dass eine „ausdrückliche Anordnung“ des zuständigen Organs notwendig sei, (- und bei einem Vergleich der Kommentarausführungen mit der Argumentationsfolge der Beklagte wohl auch diese u. a. auf Breier, Dassau, TVöD, 46. Akt., § 14 Rn. 36 zurückgegriffen hat -,) ist schon jetzt darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen im Kommentar an dieser Stelle zu eng sind. Zum einen ist es ein Widerspruch, eine ausdrückliche Anordnung zu fordern und 2 Sätze zuvor von einer ausdrücklichen Erklärung oder aber alternativ von konkludentem Verhalten zu sprechen. Zum weiteren bezieht sich das im vorgenannten Kommentar genannte Erfordernis einer ausdrücklichen Anordnung (welchem die Beklagte folgt) auf die dort genannte Entscheidung des BAG vom 25.02.87, 4 AZR 217/86. Der Fall des BAG betraf die Übertragung der Vertretung eines leitenden Arztes. In dem Fall sah jedoch der Tarifvertrag selbst in seinem Wortlaut bereits eingruppierungsrechtlich für eine bestimmte Vergütungsgruppe vor, dass die Position des ständigen Vertreters des leitenden Arztes durch „ausdrückliche Anordnung“ übertragen werden muss. Nur bei ausdrücklicher Anordnung waren somit überhaupt die Tätigkeitsmerkmale der höheren Vergütungsgruppe erfüllt. Somit hat das BAG nicht, wie der Kommentar an genannter Stelle vermitteln möchte, das unbedingte Erfordernis der ausdrücklichen Anordnung für die Übertragung im Rahmen der Zulagennorm aufgestellt. Das BAG hat allein eine eindeutige Tarifnorm angewandt. Dieser fehlerhafte Kommentarinhalt ist offenbar allein durch den vorschnellen Blick auf den Leitsatz zu 2. des BAG-Urteils entstanden. Denn wie bereits im vorhergehenden Absatz dieses Urteils dargestellt, vertritt das BAG genau in diesem Urteil die Ansicht, dass auch konkludentes Verhalten für die „Übertragung“ ausreichend ist.

61

Wichtig ist weiterhin, dass es bei der Prüfung des § 14 TV DRV-Bund nicht auf eine rückschauende Betrachtung ankommt. Es ist vielmehr darauf abzustellen, von welchem ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck gebrachten Willen des Arbeitgebers der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Übertragung ausgehen konnte (BAG, 10.02.1988, 4 AZR 585/87; Breier, Dassau, TVöD, 46. Akt., § 14 Rn. 37; Sponer/Steinherr, TVöD, § 14, Rz. 74). Dies ist auch nur nachvollziehbar, da die Zulage im Kern durch das Übertragen ausgelöst wird und dieses Übertragen bereits zu Beginn der höheren Tätigkeit stattfindet. Zudem muss der Arbeitnehmer schon zum Zeitpunkt der Übertragung prüfen können, ob die Anordnung in Einklang mit dem Arbeitsvertrag zu bringen ist und welche Folgen das für ihn haben wird. Auch darf der Arbeitgeber den schon einmal entstandenen Anspruch nachträglich nach tatsächlicher Ausübung der höherwertigen Tätigkeit nicht mehr vernichten dürfen.

62

Ein etwaiger Fehler des Arbeitgebers bei der Personalratsbeteiligung wirkt sich auf den Zulagenanspruch des Arbeitnehmers nicht aus (BAG, 16.01.1991, 4 AZR 301/90; BAG 10.03.1982, 4 AZR 541/79; Breier, Dassau, TVöD, 46. Akt., § 14 Rn. 68).

b)

63

Unter Berücksichtigung vorgenannter Maßstäbe steht für das Berufungsgericht bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles fest, dass der Klägerin die höherwertige Tätigkeit im tariflichen Sinne auch „übertragen“ wurde.

64

Dabei geht das Gericht von zwei Begründungsvarianten aus, die jede für sich den Anspruch rechtfertigen.

(1)

65

Zunächst ist bereits von einer mittelbar konkludenten Übertragung durch das von der Beklagten selbst als zuständig angesehene Dezernat 2030 auszugehen.

66

Die Klägerin war zuletzt 1. Sachbearbeiterin im Team 02. In dieser Position war sie auch Stellvertreterin der Teamleiterin. Das Gericht hat diesen Punkt noch einmal in der letzten Kammerverhandlung abgefragt.

67

Vorgenannte Tätigkeit entsprach der zuletzt gültigen arbeitsvertraglichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten. Diese Tätigkeit übte die Klägerin mit Wissen und Wollen der für Vertragsvereinbarungen zuständigen Personalabteilung (Dezernat 2030) aus.

68

Wenn die Personalabteilung nun – wie hier – die Teamleiterin durch Abordnung vorübergehend von ihrer Position abzieht und nicht selbst eine besondere Disposition zur Besetzung oder Vertretung der Teamleiterstelle trifft, löst die Beklagte durch das Dezernat 2030 selbst den Vertretungsfall für die Klägerin aus. Das Dezernat 2030 hat zwar nun im November 2012 nicht ausdrücklich entschieden, dass die Klägerin die Teamleiterin vertreten solle. Der Vertretungsfall ist für die Klägerin als Stellvertreterin jedoch die mittelbar zwingende Folge des Abzuges der Teamleiterin.

69

Die Beklagte hat auch nicht konkret vorgetragen, dass von der als zuständig angesehenen Personalabteilung andere, abstrakte, vorab festgelegte Mechanismen geschaffen worden wären, die bei einer vorübergehenden Abordnung einer Teamleiterin dazu geführt hätten, dass für die Klägerin nicht der Vertretungsfall ausgelöst wird. Insbesondere gibt es auch keinen Vortrag, dass der Klägerin solche allgemeinen Regelungen bekannt gewesen seien.

70

Für die Klägerin stellte sich die Anweisung des Dezernatsleiters, sie solle die Teamleitung vorübergehend übernehmen, im Kern noch nicht einmal als selbst vom Dezernatsleiter entwickelte Weisung, sondern vielmehr nur als weisende Mitteilung eines Willens der Personalabteilung aufgrund eines konsequenten Schlusses dar. Dabei muss auch beachtet werden, dass die Klägerin als 1. Sachbearbeiterin in der Hierarchiestruktur der Beklagten auf eher niedrigerer Ebene steht und daher nicht in jede Personalentscheidung und Personalplanung für höhere Ebenen eingebunden ist. Wird die Teamleiterin der Klägerin abgeordnet, so weiß die Klägerin zunächst nicht, für welchen Zeitraum dies geschehen wird und ob die Teamleiterposition sofort oder in Kürze wieder formell mit einer anderen Person besetzt wird. Teilt der Dezernatsleiter der Klägerin sodann mit, sie solle vorerst die Teamleiteraufgaben wahrnehmen, so wird damit der Klägerin auch mittelbar mitgeteilt, dass das Dezernat 2030 keine besonderen Dispositionen für die Teamleiterstelle getroffen hat, woraus dann jedoch folgt, dass für die Klägerin mit Blick auf ihre vertraglich mit der Personalabteilung vereinbarte Position sowie die Abordnung der Teamleiterin der Vertretungsfall eingetreten ist. Dieser bedeutete im Fall der vorübergehenden Abordnung der Teamleiterin, dass die Klägerin vorübergehend deren höherwertige Tätigkeit wahrzunehmen hat.

71

Im Ergebnis ist somit aus Sicht der Klägerin hier eine Entscheidung durch das Dezernat 2030 getroffen worden. Für die Klägerin stellten sich die Vorgänge nicht als freie Entscheidung des Dezernatsleiters 4721 dar.

72

Übt die Klägerin sodann tatsächlich die höherwertige Tätigkeit vorübergehend aus, erhält der Arbeitgeber somit auch eine höherwertige Gegenleistung, so muss dies auch vergütet werden. Die Klägerin musste bei Blick auf alle von der Abteilung 2030 geschaffenen äußeren Umstände darauf vertrauen können, dass die vertretungsweise Wahrnehmung der Aufgaben der Teamleiterin vom Dezernat 2030 gewollt war.

73

Falls intern im Dezernat 2030 eine andere Vorstellung zum Umgang mit der Teamleiterstelle geherrscht haben sollte, ist dies nicht maßgeblich, solange das Dezernat 2030 nicht nach außen eine Einzelfallregelung für die Teamleiterstelle trifft oder aber vorträgt, dass es eine bekannte abstrakte Regelung gibt, dass in derartigen Konstellationen der Vertretungsfall nicht zum Tragen kommen soll.

74

Deshalb ist es auch unerheblich, wenn die Beklagte streitig behauptet, dass Dezernat 2030 habe bis zur Antragsstellung nichts von der Tätigkeit der Klägerin gewusst. Ein Dezernat als Organisationsform kann ohnehin keine Kenntnis haben. Die Beklagte müsste vortragen, welche Personen des Dezernats welche Kenntnis hatten. Selbst wenn jedoch alle Personen des Dezernats keine positive Kenntnis von der Tätigkeit der Klägerin gehabt haben sollten, wäre davon auszugehen, dass dann die Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen wurden, was der Beklagten jedoch nicht zu Vorteil gereichen kann. Die Beklagte konnte nicht vernünftig davon ausgehen, dass ein Team ohne Leitung bleiben würde, gerade wenn die Klägerin zuvor in eine Vertretungsposition gehoben worden war. Soweit die Beklagte dann lapidar meint, ein anderer Teamleiter hätte diese Tätigkeit ja auch mit übernehmen können, trägt auch dies nicht. Das Gericht geht davon aus, dass auch andere Teamleiter in ihrer vertraglichen Arbeitszeit (ggf. nahezu) voll ausgelastet sind. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich nicht, wie die (ggf. nahezu) Vollzeitstelle der Teamleiterin der Klägerin von einer anderen Person mit erledigt werden sollte. Dies hätte für diese Person etwa einen 16 Stunden-Tag bedeutet. Wobei dann der Vortrag der Beklagten ohnehin unschlüssig wäre. Nach Kapitel 2000.00 Abschnitt 7 GO ist das Dezernat 2030 für die Umsetzung, Abordnung und Übertragung anderer Tätigkeiten zuständig. Eine Anordnung von 2030 gab es nicht. Bei der Übernahme von Aufgaben des Teamleiters eines anderen Teams, dürfte es sich um eine Maßnahme handeln, die einer Umsetzung vergleichbar ist; der Mitarbeiter wird auf einer anderen Stelle tätig, wenngleich er seine alten Aufgaben auch behält. Ebenso dürfte eine „andere Tätigkeit“ übertragen sein, da es sich beim Teamleiter 02 offensichtlich nicht um die Tätigkeit handelt, die der Mitarbeiter bisher ausübte. Dabei ist „andere Tätigkeit“ in der GO nicht mit „höherwertiger Tätigkeit“ gleichzusetzen. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Schon nach dem Wortlaut ist das Wort „andere“ vom Wort „höherwertig“ zu unterscheiden. Eine andere Tätigkeit ist diejenige, die nicht der bisherigen entspricht. Dabei kann die andere Tätigkeit gleichwertig, niederwertiger oder höherwertiger sein. Die Höherwertigkeit ist somit nur ein Unterfall der anderen Tätigkeit. Auch die in der GO angesprochenen Umsetzungen und Abordnungen beziehen sich nicht nur auf einen höheren Wert. Warum sollte dies bei anderen Tätigkeiten in der GO gewollt gewesen sein? Dem Mitarbeiter können schlicht andere Tätigkeiten ohne Blick auf die Werthaltigkeit übertragen werden, ohne dass sich dies als Abordnung oder Umsetzung auf eine andere Stelle darstellt. So spricht ja auch § 14 TV DRV-Bund von „andere Tätigkeit übertragen, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren … Eingruppierung entspricht“. Ausgangspunkt ist also auch im Tarifsinne die bloße andere Tätigkeit, die im Fall des § 14 TV DRV-Bund besondere Rechtsfolgen auslöst, wenn sie zudem die Merkmale einer höherwertigen Eingruppierung erfüllt. Selbst im allgemeinen Eingruppierungsrecht heißt es schon, dass die nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit die Eingruppierung bestimmt. Die „Tätigkeit“ entspricht somit den praktisch auszuübenden Arbeitsaufgaben. Dabei ist eine andere Tätigkeit jedoch nicht zwingend, wie die Beklagte für die GO meint, etwas Höherwertiges. Es sind verschiedene Tätigkeiten denkbar, die alle zur selben Eingruppierung führen, oder aber zu einer höheren oder aber zu einer niedrigeren. Wenn die Beklagte auf den Einwand der Klägerin, es scheine als hätten die Vorgesetzten in A-Stadt kein Weisungsrecht, vorträgt, die Vorgesetzten hätten ein Weisungsrecht, soweit ihnen Kompetenzen übertragen wurden, bleibt es bei diesem pauschalen Vortrag. Wie weit Kompetenzen ausgehend von welcher Grundkompetenzlage übertragen wurden, ist unbekannt.

75

Im Ergebnis spricht der eigene Vortrag der Beklagten dafür, dass allein das Dezernat 2030 Entscheidungskompetenzen für die Übertragung anderer Aufgaben hatte, dieses Dezernat sodann im Zuge der Abordnung der Teamleiterin nichts geregelt hatte, so dass für die Klägerin durch die Abordnung der Teamleiterin der zuvor mit der Personalabteilung vereinbarte Vertretungsfall aus dem Tätigkeitsbereich der Klägerin eintrat.

76

Von einer Übertragung und somit auch Zahlungspflicht ist somit auszugehen.

(2)

77

Selbst wenn man nicht den Weg der mittelbaren Übertragung durch das Dezernat 2030 durch Auslösen des Vertretungsfalles gehen wollte und man unmittelbar allein auf die Weisung des Dezernatsleiters der Klägerin abstellen wollte, so wäre ihr auch hier die höherwertige Tätigkeit vorübergehend übertragen worden.

78

Hierfür kann auch zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass der Dezernatsleiter 4721 objektiv nicht und ausschließlich das Dezernat 2030 für die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit vertretungsbefugt war (obwohl bei der Konstellation im Kern ja wieder die mittelbare Übertragung gemäß obiger Darstellung unter (1) ausgelöst werden würde).

79

Selbst bei einer Weisung durch den nicht zuständigen Dezernatsleiter wäre von einem Zahlungsanspruch auszugehen. Dafür sprechen im Einzelfall Vertrauensgesichtspunkte unabhängig von der angenommenen objektiv fehlenden Vollmacht.

80

Schon in der einschlägigen Kommentarliteratur ist allgemein und aus Sicht der Kammer zutreffend ausgeführt, dass sich der Beschäftigte im Zweifel darauf verlassen können muss, dass die Übertragung von einem dazu Befugten vorgenommen wurde (Sponer/Steinherr, TVöD, § 14, Rz. 75; Böhm/Spiertz, BAT, 389. Akt., § 24 Rn. 21). Im Urteil vom 05.05.1999, 4 AZR 360/98, führt das BAG aus, dass die Übertragung durch einen dazu nicht zuständigen Vorgesetzten nicht relevant ist, „wenn dieser [der Arbeitnehmer] die Unzuständigkeit des Vorgesetzten kennt.“. Dieses Urteil wurde auch vom erstinstanzlichen Gericht wie auch von der Beklagten zur Verneinung des Anspruches herangezogen. Dabei wurde vom Arbeitsgericht im Rahmen der Klagabweisung nur auf die im Urteil zunächst angesprochene notwendige Vertretungsbefugnis abgestellt, die hier nicht vorliege. Es wurde jedoch vom Arbeitsgericht und wird auch von der Beklagten der einschränkende Nebensatz: „wenn dieser [der Arbeitnehmer] die Unzuständigkeit des Vorgesetzten kennt“ übersehen. Der Anspruch ist also im Gegenschluss nicht per se ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer keine Kenntnis von der fehlenden Vertretungsbefugnis hat. Zu einer Kenntnis enthält das Urteil des Arbeitsgerichts keine Feststellungen. Auch das im erstinstanzlichen Urteil zitierte Urteil des BAG vom 26.03.1997, 4 AZR 489/95, enthält neben dem Erfordernis einer objektiven Vertretungsbefugnis wiederum eine gleichartige und sogar etwas weiter gehende Einschränkung, wenn es dort unter Rz. 36 heißt: „Mangels substantiierten Vortrages der Klägerin dazu, ihr sei von einer bestimmten von ihr für dazu befugt gehaltenen Stelle eine höherwertige Tätigkeit übertragen worden, stellt sich nicht die Frage, ob der Sachverhalt es rechtfertigt, der Klägerin diesbezüglich Vertrauensschutz zuzubilligen (vgl. Urteil des Senats vom 28.Oktober 1970 – 4 AZR 481/69).“ Im Umkehrschluss ist also Vertrauensschutz zu prüfen, wenn sich aus dem Sachverhalt ergibt, dass der Arbeitnehmer die übertragende Stelle (hier den Dezernatsleiter) für eine dazu befugte Stelle gehalten hat. Auch dies ist bisher nicht geprüft worden.

81

Im vorliegenden Einzelfall ist es prozessual unstreitig, dass die Klägerin keine Kenntnis von der fehlenden Befugnis ihres Dezernatsleiters zur vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten hatte. Die Klägerin hat ausdrücklich eine solche Kenntnis bestritten. Die Beklagte hat eine solche positive Kenntnis auch nicht behauptet. Sie meint allein, dass „davon auszugehen“ sei, da die GO in „rvLiteratur“ abrufbar ist. Damit wird nur eine Vermutung oder ein – nicht zwingender - Schluss behauptet. Aus der theoretischen Möglichkeit der Kenntnisnahme von der GO folgt auch nicht der Schluss, dass die Klägerin die GO und das von der Beklagten angezogenen Kapitel 2000.00 Abschnitt 7 GO tatsächlich kannte. Erst Recht folgt hieraus nicht der Schluss, dass die Klägerin in Rechtsanwendung dieser Norm positiv gewusst habe, dass sich daraus dann auch die Unzuständigkeit des Dezernatsleiters ergäbe. Immerhin streiten auch die anwaltlich vertretenen Parteien über die Auslegung dieser Norm.

82

Die Klägerin hat zudem auch in einem ersten Schritt hinreichend schlüssig vorgetragen, dass sie von der Zuständigkeit ihres Dezernatsleiters ausging. So wurden nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin in A-Stadt alle Angelegenheiten, die der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers unterliegen, vom Dezernatsleiter wahrgenommen. Die rechtswirksame Übertragung sei ihrer Ansicht nach nicht von der Kenntnis der Personalabteilung abhängig. Die ausschließlich Zuständigkeit ergäbe sich nicht aus dem Wortlaut des Kapitels 2000.00 Abschnitt 7 GO.

83

Angesichts dieses Vortrages stellte sich die – hier im Ergebnis zu bejahende - Frage, ob die Beklagte des Handeln des Dezernatsleiters trotz (hier angenommener) Mängel in der Vertretungsbefugnis gegen sich gelten lassen muss.

84

Das BAG hält eine solche Rechtsfolge, wie im Urteil vom 26.03.1997, 4 AZR 489/95, Rz. 36, angedeutet, für möglich. Gleichzeitig verwies das BAG im vorgenannten Urteil auf eine Entscheidung vom 28.10.1970, 4 AZR 489/95 = BAGE 23,15. Im letztgenannten Fall hatte ein Vorgesetzter trotz entgegenstehenden Ministerialerlasses zur Zuständigkeit eine höherwertige Tätigkeit sogar nicht nur vorübergehend übertragen. Der Arbeitnehmer hatte von der Zuständigkeitsproblematik keine Kenntnis. Der Arbeitnehmer machte eine Anspruch auf dauerhafte Tätigkeit in dieser höheren Vergütungsgruppe geltend.

85

Die abstrakten Erwägungen des BAG in dieser Entscheidung lassen sich auf den hiesigen Fall übertragen. Das BAG führte aus (BAGE 23, 15, 25 f):

86

„…

87

Würde man im öffentlichen Dienst die Wirksamkeit der Zuweisung eines besser bewerteten Arbeitsplatzes … schlechthin danach beurteilen, ob die vom Arbeitgeber erlassenen Zuständigkeitsvorschriften innegehalten sind, so würde dem Arbeitnehmer zugemutet, jeweils zu prüfen, ob sein Dienstvorgesetzter sich im Rahmen seiner Zuständigkeit gehalten hat. Das würde nicht nur Kenntnis der … Verwaltungsvorschriften voraussetzen. Der Angestellte müsste, um sich sachgerecht und vertragsgemäß verhalten zu können, auch jeweils prüfen und richtig beurteilen, wie die ihm zugewiesene Tätigkeit tarifgerecht zu bewerten ist. … Eine verbindliche Feststellung kann der Angestellte unter Umständen erst durch eine letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung erlangen. Bis dahin befände er sich nicht nur in Ungewissheit, ob er der Anordnung…, einen anderen Arbeitsplatz einzunehmen, zu folgen hat, …. . Er müsste auch im Zweifel sein, ob die Zuweisung der anderen Tätigkeit unter die die Vertretungsbefugnis des Leiters … fällt und deshalb rechtlich unbeachtlich ist. Er wäre damit vor die Entscheidung gestellt, die Ausübung der anderen Tätigkeit abzulehnen, weil die Zuweisung mangels Vertretungsbefugnis … rechtsunwirksam ist, und damit im Falle einer Fehlbeurteilung seine Arbeitspflicht zu verletzen, oder aber die zugewiesene Tätigkeit zu übernehmen, ohne sicher zu sein, im Falle der Höherwertigkeit der Tätigkeit auch in die entsprechende tarifgerechte Vergütungsgruppe aufzurücken.

88

Der Angestellte sieht sich also nicht einer klaren gesetzlichen Regelung gegenüber, sondern einer verwaltungsinternen Zuständigkeitsverteilung, deren Handhabung die Anwendung allgemeiner (unbestimmter) Rechtsbegriffe bei der tarifrechtlichen Beurteilung von Arbeitsplätzen voraussetzt. … Überschreitet er [der Leiter] den durch Erlass des Innenministers gezogenen Rahmen seiner Zuständigkeit, so kann dem einzelnen Arbeitnehmer nicht zugemutet werden, bei der Beurteilung der Maßnahme klüger zu sein als der ihm vorgesetzte Leiter der Beschäftigungsbehörde. Er muss sich grundsätzlich darauf vertrauen können, dass die Tätigkeit, die ihm … vom Behördenleiter zugewiesen wird, die von ihm auszuübende Tätigkeit ist und tarifgerecht vergütet werden muss.

89

Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Unzuständigkeit des Behördenleiters für die Zuweisung der Tätigkeit dem Arbeitnehmer bekannt oder doch offensichtlich ist.

90

…“

91

Die Situation des Arbeitnehmers im obigen Fall ist mit Blick auf die Vertrauenslage und die daraus folgende Verpflichtung es Arbeitgebers im Kern vergleichbar mit der Situation der Klägerin im hiesigen Fall.

92

Dabei ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung ein Unterschied von besonderer Bedeutung. Im Fall des BAG begehrte der Arbeitnehmer eine dauerhafte höherwertige Beschäftigung. Der Arbeitgeber im Fall des BAG sollte sich also ein Handeln eines Vorgesetzten zurechnen lassen, welches zu einer dauerhaften Arbeitsvertragsänderung führen sollte. Die Frage war somit: Konnte der Arbeitnehmer darauf vertrauen, dass der Vorgesetzte zu einer Vertragsänderung befugt war? Hingegen hätte im hiesigen Fall das Handeln des Dezernatsleiters 4721 nur geringeres Gewicht. Es bestand nur die Frage, ob schützenswertes Vertrauen in das durch § 14 TV DRV-Bund erweiterte Direktionsrecht noch innerhalb des Arbeitsvertrages bestand, wodurch der Arbeitgeber nur zu einer vorübergehenden Zulage verpflichtet wird. Im Fall des BAG ging es somit um eine bedeutend weiter reichende Zurechnung eines Handelns eines Unbefugten (rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht statt erweitertes Direktionsrecht, dauerhafte statt vorübergehende Verpflichtung).

93

Im Ergebnis muss sich auch hier die Beklagte das Verhalten ihres Dezernatsleiters im Falle der angenommenen Unzuständigkeit zurechnen lassen.

94

Eine Kenntnis der Klägerin von der Unzuständigkeit liegt, wie bereits dargestellt, nicht vor.

95

Auch war die Unzuständigkeit nicht offensichtlich. Selbst wenn das Gericht sogar unter das vom BAG angesprochene Maß der Offensichtlichkeit gehen wollte, ergibt das Gesamtbild der bei der Klägerin vorliegenden vertrauensauslösenden Umstände nebst Lage und Beteiligung der Beklagten eine Zahlungspflicht der Beklagten.

96

Aus dem Sachvortrag der Beklagten ergibt sich nicht, dass für die Klägerin zum Zeitpunkt der Weisung durch den Dezernatsleiter 4721 offensichtlich oder in sonst einem gesteigerten Maße erkennbar war, dass er für eine solche Übertragung unzuständig war.

97

Auszugehen ist hier wiederum von der Situation, die die Beklagte bzw. die unterstellt allein zuständige Personalabteilung selbst geschaffen hatte. Die Klägerin war durch die Personalabteilung in die Position der 1. Sachbearbeiterin und damit Stellvertreterin der Teamleiterin gehoben worden. Die Personalabteilung hatte sodann die Teamleiterin abgeordnet. Gleichzeitig war weder für die Klägerin noch überhaupt erkennbar, dass eine besondere Ersatzregelung für diesen Einzelfall durch die Personalabteilung getroffen worden war. Es ist auch nicht ersichtlich, dass für die Klägerin erkennbar oder auch überhaupt eine abstrakte Regelung durch die Personalabteilung für derartige Fallgestaltungen bestand. In dieser Situation ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass bei der Klägerin Zweifel aufkommen sollten, wenn der Dezernatsleiter 4721 erscheint und ihr eröffnet, dass sie nunmehr die Aufgaben der Teamleiterin wahrnehmen müsse. Die Weisung des Dezernatsleiters stellte sich für die Klägerin als nachvollziehbare Konsequenz des von der Personalabteilung selbst geschaffenen Vertretungsfalles dar. Für die Klägerin war doch nicht einmal erkennbar, ob es sich bei der Weisung des Dezernatsleiters um dessen freie Entscheidung oder die bloße Übermittlung des Willens der Personalabteilung handelte.

98

Soweit die Beklagte auf ein Schreiben vom 07.07.2008 verweist, ergibt sich hieraus nichts Nachteiliges für die Klägerin. Dieses Schreiben ist an verschiedene Abteilungsleiter gerichtet. Es ist schon bestritten, dass überhaupt der Abteilungsleiter der Klägerin dieses Schreiben kannte. Unstreitig war dieses Schreiben jedoch nicht an die Klägerin gerichtet. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass es ihr zur Kenntnis gegeben worden sei. Auf eine Vertrauenslage der Klägerin kann sich dieses Schreiben somit nicht im Mindesten auswirken. Deshalb kann auch dahinstehen, ob aus diesem Schreiben überhaupt konkret das Herauszulesen ist, was die Beklagte hier herauslesen möchte.

99

Auch die Abrufbarkeit der GO unter „rvLiteratur“ ist für die Klägerin nicht nachteilig. Unstreitig kannte die Klägerin die fragliche Norm nicht. Unter Berücksichtigung der recht eindeutigen äußeren Umstände, die 2 Absätze zuvor beschrieben wurden, stellt sich das Gericht auch die Frage, welchen Anlass die Klägerin überhaupt gehabt haben sollte, mit einer Nachforschung zur Zuständigkeit zu beginnen. Warum hätte die Klägerin dann nach der GO suchen sollen? Die Beklagte hat zudem dargelegt, dass sich die GO in „rvLiteratur“ befindet. Sie hat nicht vorgetragen, dass Klägerin überhaupt von der Existenz der GO wusste. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass die Klägerin dem Grunde nach wusste, dass die GO Regelungen zur Zuständigkeit der Abteilungen enthält. Von der Klägerin kann ganz offensichtlich nicht erwartet werden, dass sie sich nach der Erteilung einer in der Situation nachvollziehbaren Weisung an ihren Schreibtisch setzt, „rvLiteratur“ aufruft, um diese umfangreiche Textsammlung sodann ins Blaue hinein nach dem Vorhandensein möglicherweise passender Regelungen oder Auskünfte zu durchsuchen. Dabei ist auch zu beachten, dass allein die GO von sehr großem Umfang ist, was das Gericht im Kammertermin angesichts der Nummerierung „Kapitel 2000.00 Abschnitt 7“ erfragt hatte. Die Klägerin hätte somit theoretisch einen großen Zeitumfang für die Lektüre der GO aufwenden müssen. Völlig unverständlich ist es, wenn der Beklagtenvertreter sodann auf Vorhalt des Gerichts weiter meint, dass die GO allein aufgrund deren Existenz und Abrufbarkeit als bekannt unterstellt werden müsse und die Arbeitnehmer die GO zudem in ihrer Freizeit und nicht in der Arbeitszeit lesen müssten, da auch der schriftliche Arbeitsvertrag vor dessen Abschluss in der Freizeit gelesen werden müsste. Diese Ansicht bedarf keiner weiteren Kommentierung. Jedenfalls ist festzuhalten, dass sich weder aus dem Sachvortrag noch aus der Stellenbeschreibung der Klägerin ergibt, dass die Kenntnis der GO zu ihrem Tätigkeitsfeld zählte.

100

Im übrigen verlangt die Beklagte hier von der Klägerin etwas, was nach dem BAG (BAGE 23, 15, 25 f) dem Arbeitnehmer gerade nicht aufgebürdet werden soll: Die Klägerin soll trotz vernünftiger Anzeichen für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in die rechtliche Prüfung derselben einsteigen. Die juristisch nicht ausgebildete Klägerin, welche als Sachbearbeiterin in der E 9 tätig ist, müsste nach Erteilung der Weisung des Dezernatsleiters vorsorglich zu dem Schluss kommen, in „rvLiteratur“ recherchieren zu müssen und müsste sodann Kapitel 2000.00 Abschnitt 7 GO als mögliche einschlägige Norm entdecken. (Dies müsste sie nach interessanter Ansicht der Beklagten auch in der Freizeit tun, wobei dann auch für die Klägerin zu hoffen wäre, dass die Weisung nicht zu Beginn eines Tages erteilt wurde, da sich die Klägerin sonst bis zur Freizeit in einem Handlungsdilemma befinden würde.) Dann müsste die Klägerin diese Norm mit ihren unbestimmten Rechtsbegriffen richtig auslegen. „Überraschenderweise“ haben jedoch die anwaltlich vertretenen Parteien selbst noch in der Berufung verschiedene Ansichten zu Auslegung der Norm, wobei die Ansicht der Beklagten in ihrer Gesamtheit nicht die völlig richtige sein dürfte. Die Klägerin müsste auch hinterfragen und recherchieren, ob es von der GO abweichende Übertragungen von Zuständigkeiten oder sonstige Regelungen gibt. Selbst die Beklagte spricht davon, dass Weisungsmöglichkeiten in A-Stadt bestünden, soweit Kompetenzen übertragen worden seien, was für die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten jedoch nicht der Fall sei. Wie sollte die Klägerin dies rechtssicher herausfinden? Sollte die Klägerin etwa ihre Vorgesetzten in A-Stadt fragen, die es offenbar selbst nicht besser wussten? Die Rundschreiben der Beklagten sowie die fragliche Weisung sowie das Befürwortungsschreiben nebst handschriftlichem Zusatz einer zweiten Person im Antragsverfahren der Klägerin liefern doch ein deutliches Bild. Selbst der Gesamtpersonalrat ging schriftlich von einem Anspruch der Klägerin aus (Blatt 10 d. A.). Insoweit spricht auch das BAG davon, dass vom Arbeitnehmer nicht verlangt werden könne, schlauer zu sein, als sein Vorgesetzter. Sollte die Klägerin als Sachbearbeiterin – überspitzt gesagt – die einzige in A-Stadt sein, die das Vertretungsproblem richtig einschätzen kann? Weiterhin müsste die Klägerin nach der Weisung auch den § 14 TV DRV-Bund entdecken, die GO und den TV entsprechend in Verbindung bringen, ggf. noch Eingruppierungsfragen zur Höherwertigkeit der Tätigkeit bei mehr als 50 % der Arbeitsvorgänge beantworten, um dann für sich zu der Entscheidung zu gelangen, ob sie der Weisung des Dezernatsleiters nun zu folgen habe oder nicht. Für den Fall einer Fehleinschätzung müsste sie auch die Risiken abwägen und sich dann zu einer Verhaltsweise entschließen. Diese Entscheidung müsste getroffen werden, bevor sie entweder ohne Zulagenanspruch unnötig mit der Tätigkeit beginnt oder aber ihr der verzögerte Arbeitsbeginn in der angewiesenen Tätigkeit vorgehalten werden kann.

101

Soweit der Beklagtenvertreter in der letzten mündlichen Verhandlung ergänzend äußerte, dass Einstellungen oder Arbeitsvertragsänderungen und dergleichen doch immer vom Dezernat 2030 (schriftlich) gekommen seien, ändert auch dies für den Einzelfall nichts.

102

Die Aufzählungen des Beklagtenvertreters betrafen alle Vorgänge von besonderem Gewicht, die auf den Inhalt des Arbeitsvertrages Einfluss hatten, die einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung mit der Klägerin bedurften. Bei der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit handelt es sich jedoch nur um die Ausübung des Direktionsrechts – wenn auch eines erweiterten Direktionsrechts. Unstreitig hatte die Klägerin jedoch vorgetragen, dass alle Angelegenheiten, die der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers unterliegen, bisher immer vom Dezernatsleiter wahrgenommen wurden. Im konkreten Einzelfall hatte sich somit nicht etwas ereignet, was vom bisherigen Geschehen abwich. Die Beklagte hat auch nicht konkret vorgetragen, dass bisher mit Kenntnis der Klägerin in anderen Fällen in A-Stadt vorübergehend höherwertige Tätigkeitsübertragungen in einer Weise vorgenommen wurden, dass daraus für die Klägerin die alleinige (!) Zuständigkeit von 2030 geschlossen werden konnte.

103

Angesichts dieser Konstellation ist es auch nicht von Bedeutung, das im Fall der BAG-Entscheidung aus 1970 der dem dortigen Kläger noch unbekannte Ministerialerlass eine bisherige Zuständigkeit geändert hatte. Diese Konstellation liegt hier in der Tat nicht vor. Anderseits ist zu beachten, dass es hier auch in der Vergangenheit für die Klägerin keine Anhaltspunkte gegeben hatte, aus der eine Unzuständigkeit des Vorgesetzten hätte abgeleitet werden können. Im Ergebnis befand sich die Klägerin in einer gleichwertigen Unkenntnis-Situation.

104

Weiterhin ist zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie die Situation durch Schaffung des Vertretungsfalles selbst geschaffen hatte. Wenn sie dann meint, dass aus Kapitel 2000.00 Abschnitt 7 der GO eine Alleinzuständigkeit folge, so stellt sich die Frage, welche Gedanken sich das Dezernat 2030 zur Teamleiterposition bei der Klägerin gemacht hatte. Denn diese Norm regelt, wie bereits oben dargestellt, die Übertragung anderer Tätigkeiten, nicht höherwertiger Tätigkeiten. Offenbar mussten die Aufgaben der Teamleiterin aber auch erledigt werden. Wenn die Beklagte durch Abordnung der Teamleiterin eine Personallücke schafft, diese über Monate nicht schließt, kann die Beklagte nicht vernünftigerweise behaupten, sie habe nicht davon gewusst, dass die Aufgaben ausgeführt wurden und sei quasi überrascht, dass dies nun gerade durch die selbst installierte Stellvertreterin geschehen sei.

105

Ergänzend ist auch zu berücksichtigen – wenngleich Nachfolgendes nicht mehr den entscheidenden Ausschlag gegeben hat -, dass die Klägerin die Aufgaben für längere Zeit auch nicht nur unsichtbar im eigenen Team wahrgenommen hat. Sie trat für das Team in höher angesiedelten Besprechungsrunden auf. Sie nahm sogar im Dezember 2012 an einer Teamleiterschulung in C-Stadt teil. Wenn der Beklagtenvertreter dann in der Kammerverhandlung meint, die Beklagte könne nicht überprüfen, wer an einer Schulung teilnimmt, so ist dies vorsichtig gesagt, allein eine Organisationsfrage. Wobei es schon sonderbar anmutet, dass die Beklagte für sich in Anspruch nimmt, nicht überprüfen zu können, welche vielleicht 20 Personen aktuell gerade in einer kostenauslösenden mehrtägigen Teamleiterschulung sitzen, während von der Klägerin verlangt wird, den wohl etwas mehr als 20 Informationen umfassenden Inhalt von „rvLiteratur“ durch Lektüre in der Freizeit zu kennen. Das Bild wird abgerundet durch den Umstand, dass die Beklagte nach der behaupteten erstmaligen Kenntniserlangung von der ungewollten Tätigkeit im Mai 2013, die Klägerin anschließend noch bis zum 30.06.2013, als der neue Teamleiter erschien, die höherwertigen Aufgaben weiterhin ausführen ließ.

106

Im Rahmen der Gesamtabwägung der Vertrauensgesichtspunkte, der Aufklärungsmöglichkeiten und Verursachungsbeiträge kam das Gericht daher zum Ergebnis, dass sich die Beklagte das Handeln des unterstellt unzuständigen Dezernatsleiters zurechnen lassen muss.

107

Die Beklagte wäre auch nicht völlig rechtlos gestellt, da sie nur für eine bereits erbrachte höherwertige Gegenleistung zahlen muss und u. U. auch auf den rechtswidrig handelnden Dezernatsleiter zurückgreifen kann.

5.

108

Im Ergebnis ergibt sich daher der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch.

109

Die Berufung war somit erfolgreich.

II.

110

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

111

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung. Das LAG weicht nicht von der Rechtsprechung des BAG ab. Allgemeingültige Rechtsätze von grundsätzlicher Bedeutung werden nicht aufgestellt. Die Entscheidung erfolgte als Einzelfallabwägung unter Berücksichtigung bereits vom BAG aufgestellter Grundsätze.